Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. gemacht werden sollte. Indess wenn es nur wahrscheinlich bleibt,dass Caesar nicht in dem Sinne als Welteroberer bezeichnet wer- den darf wie Alexander und Napoleon, so ist das vollkommen gewiss, dass er seine neue Monarchie nicht zunächst auf die Ar- mee stützen wollte und überhaupt nicht die militärische Gewalt über die bürgerliche zu setzen, sondern sie dem bürgerlichen Ge- meinwesen ein- und so weit möglich unterzuordnen gedachte. Die unschätzbaren Stützen eines Soldatenstaates, jene alten viel- gefeierten gallischen Legionen wurden eben wegen ihres mit einem bürgerlichen Gemeinwesen unverträglichen Corpsgeistes in ehren- voller Weise annullirt und ihre ruhmvollen Namen pflanzten nur sich fort in neugegründeten städtischen Gemeinden. Die von Cae- sar bei ihrer Entlassung mit Landloosen beschenkten Soldaten wurden nicht wie die Sullas in eigenen Colonien gleichsam mi- litärisch zusammengesiedelt, sondern, namentlich so weit sie in Italien ansässig wurden, möglichst vereinzelt und durch die ganze Halbinsel zerstreut; nur war es freilich nicht zu vermeiden, dass auf den disponibel gebliebenen Theilen des campanischen Ackers die alten Soldaten Caesars dennoch in Masse sich zusammenfan- den. Der schwierigen Aufgabe die Soldaten einer stehenden Armee innerhalb der Kreise des bürgerlichen Lebens zu halten suchte Caesar zu genügen theils durch die schon erwähnte Verkürzung der Dienstzeit, welche einen rascheren Wechsel des Soldatenperso- nals herbeiführte, theils durch regelmässige Ansiedlung der aus- gedienten Soldaten als Ackercolonisten, theils und vornämlich dadurch, dass die Armee von Italien und überhaupt von den eigentlichen Sitzen des bürgerlichen und politischen Lebens der Nation ferngehalten und der Soldat dahin gewiesen ward, wo er nach der Meinung des grossen Königs allein an seinem Platze war: in die Grenzstation zur Abwehr des auswärtigen Feindes. Das rechte Kriterium des Militärstaats, die Entwickelung und Bevorzugung der Gardetruppe findet bei Caesar sich nicht. Ob- wohl in der activen Armee das Institut einer besonderen Leib- wache des Feldherrn bereits seit langem bestand (II, 186), so tritt diese doch in Caesars Heerführung vollständig in den Hintergrund; seine praetorische Cohorte scheint wesentlich nur aus Ordonnanz- offizieren oder nicht militärischen Begleitern bestanden zu haben und niemals ein eigentliches Elitencorps, also auch niemals Ge- genstand der Eifersucht der Linientruppen gewesen zu sein. Wenn Caesar schon als Feldherr die Garde thatsächlich fallen liess, so duldete er um so weniger als König eine Leibwache um sich. Obwohl beständig und ihm wohl bewusst Mörder ihn umschlichen, Röm. Gesch. III. 30
REPUBLIK UND MONARCHIE. gemacht werden sollte. Indeſs wenn es nur wahrscheinlich bleibt,daſs Caesar nicht in dem Sinne als Welteroberer bezeichnet wer- den darf wie Alexander und Napoleon, so ist das vollkommen gewiſs, daſs er seine neue Monarchie nicht zunächst auf die Ar- mee stützen wollte und überhaupt nicht die militärische Gewalt über die bürgerliche zu setzen, sondern sie dem bürgerlichen Ge- meinwesen ein- und so weit möglich unterzuordnen gedachte. Die unschätzbaren Stützen eines Soldatenstaates, jene alten viel- gefeierten gallischen Legionen wurden eben wegen ihres mit einem bürgerlichen Gemeinwesen unverträglichen Corpsgeistes in ehren- voller Weise annullirt und ihre ruhmvollen Namen pflanzten nur sich fort in neugegründeten städtischen Gemeinden. Die von Cae- sar bei ihrer Entlassung mit Landloosen beschenkten Soldaten wurden nicht wie die Sullas in eigenen Colonien gleichsam mi- litärisch zusammengesiedelt, sondern, namentlich so weit sie in Italien ansässig wurden, möglichst vereinzelt und durch die ganze Halbinsel zerstreut; nur war es freilich nicht zu vermeiden, daſs auf den disponibel gebliebenen Theilen des campanischen Ackers die alten Soldaten Caesars dennoch in Masse sich zusammenfan- den. Der schwierigen Aufgabe die Soldaten einer stehenden Armee innerhalb der Kreise des bürgerlichen Lebens zu halten suchte Caesar zu genügen theils durch die schon erwähnte Verkürzung der Dienstzeit, welche einen rascheren Wechsel des Soldatenperso- nals herbeiführte, theils durch regelmäſsige Ansiedlung der aus- gedienten Soldaten als Ackercolonisten, theils und vornämlich dadurch, daſs die Armee von Italien und überhaupt von den eigentlichen Sitzen des bürgerlichen und politischen Lebens der Nation ferngehalten und der Soldat dahin gewiesen ward, wo er nach der Meinung des groſsen Königs allein an seinem Platze war: in die Grenzstation zur Abwehr des auswärtigen Feindes. Das rechte Kriterium des Militärstaats, die Entwickelung und Bevorzugung der Gardetruppe findet bei Caesar sich nicht. Ob- wohl in der activen Armee das Institut einer besonderen Leib- wache des Feldherrn bereits seit langem bestand (II, 186), so tritt diese doch in Caesars Heerführung vollständig in den Hintergrund; seine praetorische Cohorte scheint wesentlich nur aus Ordonnanz- offizieren oder nicht militärischen Begleitern bestanden zu haben und niemals ein eigentliches Elitencorps, also auch niemals Ge- genstand der Eifersucht der Linientruppen gewesen zu sein. Wenn Caesar schon als Feldherr die Garde thatsächlich fallen lieſs, so duldete er um so weniger als König eine Leibwache um sich. Obwohl beständig und ihm wohl bewuſst Mörder ihn umschlichen, Röm. Gesch. III. 30
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0475" n="465"/><fw place="top" type="header">REPUBLIK UND MONARCHIE.</fw><lb/> gemacht werden sollte. Indeſs wenn es nur wahrscheinlich bleibt,<lb/> daſs Caesar nicht in dem Sinne als Welteroberer bezeichnet wer-<lb/> den darf wie Alexander und Napoleon, so ist das vollkommen<lb/> gewiſs, daſs er seine neue Monarchie nicht zunächst auf die Ar-<lb/> mee stützen wollte und überhaupt nicht die militärische Gewalt<lb/> über die bürgerliche zu setzen, sondern sie dem bürgerlichen Ge-<lb/> meinwesen ein- und so weit möglich unterzuordnen gedachte.<lb/> Die unschätzbaren Stützen eines Soldatenstaates, jene alten viel-<lb/> gefeierten gallischen Legionen wurden eben wegen ihres mit einem<lb/> bürgerlichen Gemeinwesen unverträglichen Corpsgeistes in ehren-<lb/> voller Weise annullirt und ihre ruhmvollen Namen pflanzten nur<lb/> sich fort in neugegründeten städtischen Gemeinden. Die von Cae-<lb/> sar bei ihrer Entlassung mit Landloosen beschenkten Soldaten<lb/> wurden nicht wie die Sullas in eigenen Colonien gleichsam mi-<lb/> litärisch zusammengesiedelt, sondern, namentlich so weit sie in<lb/> Italien ansässig wurden, möglichst vereinzelt und durch die ganze<lb/> Halbinsel zerstreut; nur war es freilich nicht zu vermeiden, daſs<lb/> auf den disponibel gebliebenen Theilen des campanischen Ackers<lb/> die alten Soldaten Caesars dennoch in Masse sich zusammenfan-<lb/> den. Der schwierigen Aufgabe die Soldaten einer stehenden Armee<lb/> innerhalb der Kreise des bürgerlichen Lebens zu halten suchte<lb/> Caesar zu genügen theils durch die schon erwähnte Verkürzung<lb/> der Dienstzeit, welche einen rascheren Wechsel des Soldatenperso-<lb/> nals herbeiführte, theils durch regelmäſsige Ansiedlung der aus-<lb/> gedienten Soldaten als Ackercolonisten, theils und vornämlich<lb/> dadurch, daſs die Armee von Italien und überhaupt von den<lb/> eigentlichen Sitzen des bürgerlichen und politischen Lebens der<lb/> Nation ferngehalten und der Soldat dahin gewiesen ward, wo er<lb/> nach der Meinung des groſsen Königs allein an seinem Platze<lb/> war: in die Grenzstation zur Abwehr des auswärtigen Feindes.<lb/> Das rechte Kriterium des Militärstaats, die Entwickelung und<lb/> Bevorzugung der Gardetruppe findet bei Caesar sich nicht. Ob-<lb/> wohl in der activen Armee das Institut einer besonderen Leib-<lb/> wache des Feldherrn bereits seit langem bestand (II, 186), so tritt<lb/> diese doch in Caesars Heerführung vollständig in den Hintergrund;<lb/> seine praetorische Cohorte scheint wesentlich nur aus Ordonnanz-<lb/> offizieren oder nicht militärischen Begleitern bestanden zu haben<lb/> und niemals ein eigentliches Elitencorps, also auch niemals Ge-<lb/> genstand der Eifersucht der Linientruppen gewesen zu sein. Wenn<lb/> Caesar schon als Feldherr die Garde thatsächlich fallen lieſs, so<lb/> duldete er um so weniger als König eine Leibwache um sich.<lb/> Obwohl beständig und ihm wohl bewuſst Mörder ihn umschlichen,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Röm. Gesch. III. 30</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [465/0475]
REPUBLIK UND MONARCHIE.
gemacht werden sollte. Indeſs wenn es nur wahrscheinlich bleibt,
daſs Caesar nicht in dem Sinne als Welteroberer bezeichnet wer-
den darf wie Alexander und Napoleon, so ist das vollkommen
gewiſs, daſs er seine neue Monarchie nicht zunächst auf die Ar-
mee stützen wollte und überhaupt nicht die militärische Gewalt
über die bürgerliche zu setzen, sondern sie dem bürgerlichen Ge-
meinwesen ein- und so weit möglich unterzuordnen gedachte.
Die unschätzbaren Stützen eines Soldatenstaates, jene alten viel-
gefeierten gallischen Legionen wurden eben wegen ihres mit einem
bürgerlichen Gemeinwesen unverträglichen Corpsgeistes in ehren-
voller Weise annullirt und ihre ruhmvollen Namen pflanzten nur
sich fort in neugegründeten städtischen Gemeinden. Die von Cae-
sar bei ihrer Entlassung mit Landloosen beschenkten Soldaten
wurden nicht wie die Sullas in eigenen Colonien gleichsam mi-
litärisch zusammengesiedelt, sondern, namentlich so weit sie in
Italien ansässig wurden, möglichst vereinzelt und durch die ganze
Halbinsel zerstreut; nur war es freilich nicht zu vermeiden, daſs
auf den disponibel gebliebenen Theilen des campanischen Ackers
die alten Soldaten Caesars dennoch in Masse sich zusammenfan-
den. Der schwierigen Aufgabe die Soldaten einer stehenden Armee
innerhalb der Kreise des bürgerlichen Lebens zu halten suchte
Caesar zu genügen theils durch die schon erwähnte Verkürzung
der Dienstzeit, welche einen rascheren Wechsel des Soldatenperso-
nals herbeiführte, theils durch regelmäſsige Ansiedlung der aus-
gedienten Soldaten als Ackercolonisten, theils und vornämlich
dadurch, daſs die Armee von Italien und überhaupt von den
eigentlichen Sitzen des bürgerlichen und politischen Lebens der
Nation ferngehalten und der Soldat dahin gewiesen ward, wo er
nach der Meinung des groſsen Königs allein an seinem Platze
war: in die Grenzstation zur Abwehr des auswärtigen Feindes.
Das rechte Kriterium des Militärstaats, die Entwickelung und
Bevorzugung der Gardetruppe findet bei Caesar sich nicht. Ob-
wohl in der activen Armee das Institut einer besonderen Leib-
wache des Feldherrn bereits seit langem bestand (II, 186), so tritt
diese doch in Caesars Heerführung vollständig in den Hintergrund;
seine praetorische Cohorte scheint wesentlich nur aus Ordonnanz-
offizieren oder nicht militärischen Begleitern bestanden zu haben
und niemals ein eigentliches Elitencorps, also auch niemals Ge-
genstand der Eifersucht der Linientruppen gewesen zu sein. Wenn
Caesar schon als Feldherr die Garde thatsächlich fallen lieſs, so
duldete er um so weniger als König eine Leibwache um sich.
Obwohl beständig und ihm wohl bewuſst Mörder ihn umschlichen,
Röm. Gesch. III. 30
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |