Militärmonarchie; er stürzte den Aristokraten- und Banquierstaat im Staate nur, um an deren Platz den Soldatenstaat im Staate zu setzen und es blieb wie bisher das Gemeinwesen tyrannisirt und exploitirt von einer privilegirten Minorität. Aber dennoch ist es das Privilegium der höchsten Naturen also schöpferisch zu irren. Diese genialen Versuche grosser Männer das Ideal zu realisiren, wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, bilden den besten Schatz der Nationen. Es ist Caesars Werk, dass der römische Militär- staat erst nach mehreren Jahrhunderten zum Polizeistaat ward und dass die römischen Imperatoren, wie wenig sie sonst auch dem grossen Begründer ihrer Herrschaft glichen, doch den Sol- daten wesentlich nicht gegen den Bürger verwandten, sondern gegen den Feind und Nation und Armee beide zu hoch achteten, um diese zum Constabler über jene zu setzen.
Die Ordnung des Finanzwesens machte bei den soliden Grundlagen, die ungeheure Grösse des Reiches und der Aus- schluss des Creditsystems gewährten, verhältnissmässig nur ge- ringe Schwierigkeit. Wenn der Staat bisher in beständiger Fi- nanzverlegenheit sich befunden hatte, so war daran die Unzu- länglichkeit der Staatseinnahmen am wenigsten schuld. Diese hatten vielmehr eben in den letzten Jahren sich ungemein ver- mehrt. Zu der älteren Gesammteinnahme, die auf 200 Mill. Sesterzen (14,300,000 Thlr.) angeschlagen wird, waren durch die Einrichtung der Provinzen Bithynien-Pontus und Syrien 85 Mill. Sest. (6,000,000 Thlr.) gekommen; welcher Zuwachs nebst den sonstigen neueröffneten oder gesteigerten Einnahme- quellen, namentlich durch den beständig steigenden Ertrag der Luxusabgaben, den Verlust der campanischen Pachtgelder weit überwog. Ausserdem waren durch Lucullus, Metellus, Pompe- ius, Cato und Andere ausserordentlicher Weise dem Staatsschatz ungeheure Summen zugeflossen. Die Ursache der finanziellen Verlegenheiten lag vielmehr theils in den gesteigerten ordent- lichen und ausserordentlichen Ausgaben, theils in der geschäft- lichen Verwirrung. Unter jenen nahm die Getreidevertheilung an die hauptstädtische Menge fast unerschwingliche Summen in Anspruch: durch die von Cato 691 ihr gegebene Ausdeh- nung (S. 177) stieg die jährliche Ausgabe dafür auf 30 Mill. Sesterzen (2,145,000 Thlr.) und seit Abschaffung der bisher gezahlten Vergütung im J. 696 verschlang dieselbe gar den fünf- ten Theil der Staatseinkünfte. Auch das Militärbudget erforderte immer grössere Summen, seit zu den Besatzungen von Spa- nien, Makedonien und der übrigen Provinzen noch die von Ki-
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Militärmonarchie; er stürzte den Aristokraten- und Banquierstaat im Staate nur, um an deren Platz den Soldatenstaat im Staate zu setzen und es blieb wie bisher das Gemeinwesen tyrannisirt und exploitirt von einer privilegirten Minorität. Aber dennoch ist es das Privilegium der höchsten Naturen also schöpferisch zu irren. Diese genialen Versuche groſser Männer das Ideal zu realisiren, wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, bilden den besten Schatz der Nationen. Es ist Caesars Werk, daſs der römische Militär- staat erst nach mehreren Jahrhunderten zum Polizeistaat ward und daſs die römischen Imperatoren, wie wenig sie sonst auch dem groſsen Begründer ihrer Herrschaft glichen, doch den Sol- daten wesentlich nicht gegen den Bürger verwandten, sondern gegen den Feind und Nation und Armee beide zu hoch achteten, um diese zum Constabler über jene zu setzen.
Die Ordnung des Finanzwesens machte bei den soliden Grundlagen, die ungeheure Gröſse des Reiches und der Aus- schluſs des Creditsystems gewährten, verhältniſsmäſsig nur ge- ringe Schwierigkeit. Wenn der Staat bisher in beständiger Fi- nanzverlegenheit sich befunden hatte, so war daran die Unzu- länglichkeit der Staatseinnahmen am wenigsten schuld. Diese hatten vielmehr eben in den letzten Jahren sich ungemein ver- mehrt. Zu der älteren Gesammteinnahme, die auf 200 Mill. Sesterzen (14,300,000 Thlr.) angeschlagen wird, waren durch die Einrichtung der Provinzen Bithynien-Pontus und Syrien 85 Mill. Sest. (6,000,000 Thlr.) gekommen; welcher Zuwachs nebst den sonstigen neueröffneten oder gesteigerten Einnahme- quellen, namentlich durch den beständig steigenden Ertrag der Luxusabgaben, den Verlust der campanischen Pachtgelder weit überwog. Auſserdem waren durch Lucullus, Metellus, Pompe- ius, Cato und Andere auſserordentlicher Weise dem Staatsschatz ungeheure Summen zugeflossen. Die Ursache der finanziellen Verlegenheiten lag vielmehr theils in den gesteigerten ordent- lichen und auſserordentlichen Ausgaben, theils in der geschäft- lichen Verwirrung. Unter jenen nahm die Getreidevertheilung an die hauptstädtische Menge fast unerschwingliche Summen in Anspruch: durch die von Cato 691 ihr gegebene Ausdeh- nung (S. 177) stieg die jährliche Ausgabe dafür auf 30 Mill. Sesterzen (2,145,000 Thlr.) und seit Abschaffung der bisher gezahlten Vergütung im J. 696 verschlang dieselbe gar den fünf- ten Theil der Staatseinkünfte. Auch das Militärbudget erforderte immer gröſsere Summen, seit zu den Besatzungen von Spa- nien, Makedonien und der übrigen Provinzen noch die von Ki-
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
Militärmonarchie; er stürzte den Aristokraten- und Banquierstaat
im Staate nur, um an deren Platz den Soldatenstaat im Staate zu
setzen und es blieb wie bisher das Gemeinwesen tyrannisirt und
exploitirt von einer privilegirten Minorität. Aber dennoch ist es
das Privilegium der höchsten Naturen also schöpferisch zu irren.
Diese genialen Versuche groſser Männer das Ideal zu realisiren,
wenn sie auch ihr Ziel nicht erreichen, bilden den besten Schatz
der Nationen. Es ist Caesars Werk, daſs der römische Militär-
staat erst nach mehreren Jahrhunderten zum Polizeistaat ward
und daſs die römischen Imperatoren, wie wenig sie sonst auch
dem groſsen Begründer ihrer Herrschaft glichen, doch den Sol-
daten wesentlich nicht gegen den Bürger verwandten, sondern
gegen den Feind und Nation und Armee beide zu hoch achteten,
um diese zum Constabler über jene zu setzen.
Die Ordnung des Finanzwesens machte bei den soliden
Grundlagen, die ungeheure Gröſse des Reiches und der Aus-
schluſs des Creditsystems gewährten, verhältniſsmäſsig nur ge-
ringe Schwierigkeit. Wenn der Staat bisher in beständiger Fi-
nanzverlegenheit sich befunden hatte, so war daran die Unzu-
länglichkeit der Staatseinnahmen am wenigsten schuld. Diese
hatten vielmehr eben in den letzten Jahren sich ungemein ver-
mehrt. Zu der älteren Gesammteinnahme, die auf 200 Mill.
Sesterzen (14,300,000 Thlr.) angeschlagen wird, waren durch
die Einrichtung der Provinzen Bithynien-Pontus und Syrien
85 Mill. Sest. (6,000,000 Thlr.) gekommen; welcher Zuwachs
nebst den sonstigen neueröffneten oder gesteigerten Einnahme-
quellen, namentlich durch den beständig steigenden Ertrag der
Luxusabgaben, den Verlust der campanischen Pachtgelder weit
überwog. Auſserdem waren durch Lucullus, Metellus, Pompe-
ius, Cato und Andere auſserordentlicher Weise dem Staatsschatz
ungeheure Summen zugeflossen. Die Ursache der finanziellen
Verlegenheiten lag vielmehr theils in den gesteigerten ordent-
lichen und auſserordentlichen Ausgaben, theils in der geschäft-
lichen Verwirrung. Unter jenen nahm die Getreidevertheilung
an die hauptstädtische Menge fast unerschwingliche Summen
in Anspruch: durch die von Cato 691 ihr gegebene Ausdeh-
nung (S. 177) stieg die jährliche Ausgabe dafür auf 30 Mill.
Sesterzen (2,145,000 Thlr.) und seit Abschaffung der bisher
gezahlten Vergütung im J. 696 verschlang dieselbe gar den fünf-
ten Theil der Staatseinkünfte. Auch das Militärbudget erforderte
immer gröſsere Summen, seit zu den Besatzungen von Spa-
nien, Makedonien und der übrigen Provinzen noch die von Ki-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/477>, abgerufen am 18.12.2024.
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