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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
herrschaft über die Aemter bestand wesentlich in der militairischen
Vormundschaft; für die in der Hand der Römer vereinigte Verthei-
digung zur See und zu Lande zahlten oder zinsten den Römern die
Provinzialen. Aber wohl niemals hat ein Vormund seinen Mün-
del unverschämter betrogen als die römische Oligarchie die unter-
thänigen Gemeinden. Statt dass Rom eine allgemeine Reichsflotte
aufgestellt und die Seepolizei centralisirt hätte, liess der Senat die
einheitliche Oberleitung des Seepolizeiwesens, ohne die eben hier
gar nichts auszurichten war, gänzlich fallen und überliess es jedem
einzelnen Statthalter und jedem einzelnen Clientelstaat sich der
Piraten zu erwehren, wie jeder wollte und konnte. Statt dass Rom,
wie es sich anheischig gemacht, das Flottenwesen mit seinem
und der formell souverain gebliebenen Clientelstaaten Gut und
Blut ausschliesslich bestritten hätte, liess man die italische Kriegs-
marine eingehen und lernte sich behelfen mit den von den ein-
zelnen Kaufstädten requirirten Schiffen oder noch häufiger mit
den überall organisirten Strandwachen, wo dann in beiden Fällen
alle Kosten und Beschwerden die Unterthanen trafen. Die Provin-
zialen mochten sich glücklich schätzen, wenn der römische Statt-
halter die für die Küstenvertheidigung ausgeschriebenen Requisi-
tionen nur wirklich zu diesem Zwecke verwandte und nicht für
sich unterschlug, oder wenn sie nicht, wie sehr häufig geschah, an-
gewiesen wurden für einen von den Seeräubern gefangenen vor-
nehmen Römer die Ranzion zu bezahlen. Was etwa Verständiges
begonnen ward, wie die Besetzung Kilikiens 652, verkümmerte
sicher in der Ausführung. Wer von den Römern dieser Zeit nicht
gänzlich in den duseligen Vorstellungen von nationaler Grösse be-
fangen war, der hätte wünschen müssen von der Rednerbühne auf
dem Markte die Schiffsschnäbel herabreissen zu dürfen, um wenig-
stens nicht stets durch sie an die in besserer Zeit erfochtenen See-
siege sich gemahnt zu finden. -- Indess that doch Sulla, der in dem
Kriege gegen Mithradates wahrlich hinreichend sich hatte überzeu-
gen können, welche Gefahren die Vernachlässigung des Flotten-
wesens mit sich bringe, verschiedene Schritte um dem Uebel ernst-
lich zu steuern. Der Auftrag zwar, welchen er den von ihm in Asien
eingesetzten Statthaltern zurückgelassen, in den Seestädten eine
Flotte gegen die Seeräuber auszurüsten, hatte wenig gefruchtet, da
Murena es vorzog Krieg mit Mithradates anzufangen und der
Statthalter von Kilikien Gnaeus Dolabella sich ganz unfähig erwies.
Desshalb beschloss im J. 675 der Senat einen der Consuln nach
Kilikien zu senden; das Loos traf den tüchtigen Publius Servilius.
Er schlug in einem blutigen Treffen die Flotte der Piraten und

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herrschaft über die Aemter bestand wesentlich in der militairischen
Vormundschaft; für die in der Hand der Römer vereinigte Verthei-
digung zur See und zu Lande zahlten oder zinsten den Römern die
Provinzialen. Aber wohl niemals hat ein Vormund seinen Mün-
del unverschämter betrogen als die römische Oligarchie die unter-
thänigen Gemeinden. Statt daſs Rom eine allgemeine Reichsflotte
aufgestellt und die Seepolizei centralisirt hätte, lieſs der Senat die
einheitliche Oberleitung des Seepolizeiwesens, ohne die eben hier
gar nichts auszurichten war, gänzlich fallen und überlieſs es jedem
einzelnen Statthalter und jedem einzelnen Clientelstaat sich der
Piraten zu erwehren, wie jeder wollte und konnte. Statt daſs Rom,
wie es sich anheischig gemacht, das Flottenwesen mit seinem
und der formell souverain gebliebenen Clientelstaaten Gut und
Blut ausschlieſslich bestritten hätte, lieſs man die italische Kriegs-
marine eingehen und lernte sich behelfen mit den von den ein-
zelnen Kaufstädten requirirten Schiffen oder noch häufiger mit
den überall organisirten Strandwachen, wo dann in beiden Fällen
alle Kosten und Beschwerden die Unterthanen trafen. Die Provin-
zialen mochten sich glücklich schätzen, wenn der römische Statt-
halter die für die Küstenvertheidigung ausgeschriebenen Requisi-
tionen nur wirklich zu diesem Zwecke verwandte und nicht für
sich unterschlug, oder wenn sie nicht, wie sehr häufig geschah, an-
gewiesen wurden für einen von den Seeräubern gefangenen vor-
nehmen Römer die Ranzion zu bezahlen. Was etwa Verständiges
begonnen ward, wie die Besetzung Kilikiens 652, verkümmerte
sicher in der Ausführung. Wer von den Römern dieser Zeit nicht
gänzlich in den duseligen Vorstellungen von nationaler Gröſse be-
fangen war, der hätte wünschen müssen von der Rednerbühne auf
dem Markte die Schiffsschnäbel herabreiſsen zu dürfen, um wenig-
stens nicht stets durch sie an die in besserer Zeit erfochtenen See-
siege sich gemahnt zu finden. — Indeſs that doch Sulla, der in dem
Kriege gegen Mithradates wahrlich hinreichend sich hatte überzeu-
gen können, welche Gefahren die Vernachlässigung des Flotten-
wesens mit sich bringe, verschiedene Schritte um dem Uebel ernst-
lich zu steuern. Der Auftrag zwar, welchen er den von ihm in Asien
eingesetzten Statthaltern zurückgelassen, in den Seestädten eine
Flotte gegen die Seeräuber auszurüsten, hatte wenig gefruchtet, da
Murena es vorzog Krieg mit Mithradates anzufangen und der
Statthalter von Kilikien Gnaeus Dolabella sich ganz unfähig erwies.
Deſshalb beschloſs im J. 675 der Senat einen der Consuln nach
Kilikien zu senden; das Loos traf den tüchtigen Publius Servilius.
Er schlug in einem blutigen Treffen die Flotte der Piraten und

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[40/0050] FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. herrschaft über die Aemter bestand wesentlich in der militairischen Vormundschaft; für die in der Hand der Römer vereinigte Verthei- digung zur See und zu Lande zahlten oder zinsten den Römern die Provinzialen. Aber wohl niemals hat ein Vormund seinen Mün- del unverschämter betrogen als die römische Oligarchie die unter- thänigen Gemeinden. Statt daſs Rom eine allgemeine Reichsflotte aufgestellt und die Seepolizei centralisirt hätte, lieſs der Senat die einheitliche Oberleitung des Seepolizeiwesens, ohne die eben hier gar nichts auszurichten war, gänzlich fallen und überlieſs es jedem einzelnen Statthalter und jedem einzelnen Clientelstaat sich der Piraten zu erwehren, wie jeder wollte und konnte. Statt daſs Rom, wie es sich anheischig gemacht, das Flottenwesen mit seinem und der formell souverain gebliebenen Clientelstaaten Gut und Blut ausschlieſslich bestritten hätte, lieſs man die italische Kriegs- marine eingehen und lernte sich behelfen mit den von den ein- zelnen Kaufstädten requirirten Schiffen oder noch häufiger mit den überall organisirten Strandwachen, wo dann in beiden Fällen alle Kosten und Beschwerden die Unterthanen trafen. Die Provin- zialen mochten sich glücklich schätzen, wenn der römische Statt- halter die für die Küstenvertheidigung ausgeschriebenen Requisi- tionen nur wirklich zu diesem Zwecke verwandte und nicht für sich unterschlug, oder wenn sie nicht, wie sehr häufig geschah, an- gewiesen wurden für einen von den Seeräubern gefangenen vor- nehmen Römer die Ranzion zu bezahlen. Was etwa Verständiges begonnen ward, wie die Besetzung Kilikiens 652, verkümmerte sicher in der Ausführung. Wer von den Römern dieser Zeit nicht gänzlich in den duseligen Vorstellungen von nationaler Gröſse be- fangen war, der hätte wünschen müssen von der Rednerbühne auf dem Markte die Schiffsschnäbel herabreiſsen zu dürfen, um wenig- stens nicht stets durch sie an die in besserer Zeit erfochtenen See- siege sich gemahnt zu finden. — Indeſs that doch Sulla, der in dem Kriege gegen Mithradates wahrlich hinreichend sich hatte überzeu- gen können, welche Gefahren die Vernachlässigung des Flotten- wesens mit sich bringe, verschiedene Schritte um dem Uebel ernst- lich zu steuern. Der Auftrag zwar, welchen er den von ihm in Asien eingesetzten Statthaltern zurückgelassen, in den Seestädten eine Flotte gegen die Seeräuber auszurüsten, hatte wenig gefruchtet, da Murena es vorzog Krieg mit Mithradates anzufangen und der Statthalter von Kilikien Gnaeus Dolabella sich ganz unfähig erwies. Deſshalb beschloſs im J. 675 der Senat einen der Consuln nach Kilikien zu senden; das Loos traf den tüchtigen Publius Servilius. Er schlug in einem blutigen Treffen die Flotte der Piraten und

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/50>, abgerufen am 21.11.2024.