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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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REPUBLIK UND MONARCHIE.
bezahlen konnte, ohne wiederum sich ökonomisch zu ruiniren.
Wenn also dem grossen Demokraten die unvergängliche Ehre zu
Theil ward die persönliche Freiheit principiell vom Capital zu
emancipiren, so versäumte er nicht die Uebermacht des Capitals
durch Wuchergesetze auch polizeilich einzudämmen. Die demo-
kratische Antipathie gegen die Zinsverträge verleugnete auch
er nicht. Für den italischen Geldverkehr wurde eine Maximal-
summe der dem einzelnen Capitalisten zu gestattenden Zinsdar-
lehen festgestellt, welche sich nach dem einem jeden zuständigen
italischen Grundbesitz gerichtet zu haben scheint und vielleicht
die Hälfte des Werthes desselben betrug. Uebertretungen dieser
Bestimmung wurden, nach Art des in den republikanischen
Wuchergesetzen vorgeschriebenen Verfahrens, als Criminalver-
gehen behandelt und vor eine eigene Geschwornencommission
gewiesen. Wenn es gelang diese Vorschriften praktisch durch-
zuführen, so wurde jeder italische Geschäftsmann dadurch ge-
nöthigt zugleich vor allem auch italischer Grundbesitzer zu wer-
den und die Klasse der bloss von ihren Zinsen zehrenden Capi-
talisten verschwand in Italien gänzlich. Indirect wurde damit
auch die nicht minder schädliche Kategorie der überschuldeten
und der Sache nach nur für ihre Gläubiger das Gut verwaltenden
Grundeigenthümer wesentlich beschränkt, indem die Gläubiger,
wenn sie ihr Zinsgeschäft fortführen wollten, gezwungen wurden
sich selber anzukaufen. Schon hierin liegt es übrigens enthalten,
dass Caesar keineswegs jenes naive Zinsverbot der alten Popular-
partei einfach erneuern, sondern vielmehr das Zinsnehmen inner-
halb gewisser Grenzen gestatten wollte. Sehr wahrscheinlich ist
es aber, dass er sich nicht auf jene bloss für Italien gültige An-
ordnung eines Maximalsatzes der auszuleihenden Summe be-
schränkte, sondern auch, namentlich mit Rücksicht auf die Pro-
vinzen, für die Zinsen selbst Maximalsätze vorschrieb. Die Ver-
fügungen, dass es unstatthaft sei höhere Zinsen als 1 % monatlich,
oder von rückständigen Zinsen wieder Zinsen zu nehmen, oder
endlich eine das Capital selbst übersteigende Summe an rückstän-
digen Zinsen gerichtlich geltend zu machen, wurden zuerst von
Lucius Lucullus für Kleinasien aufgestellt und daselbst von seinen
besseren Nachfolgern beibehalten; sie wurden bald auch auf an-
dere Provinzen durch Statthalterverordnungen übertragen und
endlich wenigstens ein Theil derselben in allen Provinzen durch
einen Beschluss des römischen Senats vom J. 704 mit Gesetzes-
kraft versehen. Wenn diese Iucullischen Verfügungen fortan in
ihrem vollen Umfang als Reichsgesetz erscheinen und durchaus

REPUBLIK UND MONARCHIE.
bezahlen konnte, ohne wiederum sich ökonomisch zu ruiniren.
Wenn also dem groſsen Demokraten die unvergängliche Ehre zu
Theil ward die persönliche Freiheit principiell vom Capital zu
emancipiren, so versäumte er nicht die Uebermacht des Capitals
durch Wuchergesetze auch polizeilich einzudämmen. Die demo-
kratische Antipathie gegen die Zinsverträge verleugnete auch
er nicht. Für den italischen Geldverkehr wurde eine Maximal-
summe der dem einzelnen Capitalisten zu gestattenden Zinsdar-
lehen festgestellt, welche sich nach dem einem jeden zuständigen
italischen Grundbesitz gerichtet zu haben scheint und vielleicht
die Hälfte des Werthes desselben betrug. Uebertretungen dieser
Bestimmung wurden, nach Art des in den republikanischen
Wuchergesetzen vorgeschriebenen Verfahrens, als Criminalver-
gehen behandelt und vor eine eigene Geschwornencommission
gewiesen. Wenn es gelang diese Vorschriften praktisch durch-
zuführen, so wurde jeder italische Geschäftsmann dadurch ge-
nöthigt zugleich vor allem auch italischer Grundbesitzer zu wer-
den und die Klasse der bloſs von ihren Zinsen zehrenden Capi-
talisten verschwand in Italien gänzlich. Indirect wurde damit
auch die nicht minder schädliche Kategorie der überschuldeten
und der Sache nach nur für ihre Gläubiger das Gut verwaltenden
Grundeigenthümer wesentlich beschränkt, indem die Gläubiger,
wenn sie ihr Zinsgeschäft fortführen wollten, gezwungen wurden
sich selber anzukaufen. Schon hierin liegt es übrigens enthalten,
daſs Caesar keineswegs jenes naive Zinsverbot der alten Popular-
partei einfach erneuern, sondern vielmehr das Zinsnehmen inner-
halb gewisser Grenzen gestatten wollte. Sehr wahrscheinlich ist
es aber, daſs er sich nicht auf jene bloſs für Italien gültige An-
ordnung eines Maximalsatzes der auszuleihenden Summe be-
schränkte, sondern auch, namentlich mit Rücksicht auf die Pro-
vinzen, für die Zinsen selbst Maximalsätze vorschrieb. Die Ver-
fügungen, daſs es unstatthaft sei höhere Zinsen als 1 % monatlich,
oder von rückständigen Zinsen wieder Zinsen zu nehmen, oder
endlich eine das Capital selbst übersteigende Summe an rückstän-
digen Zinsen gerichtlich geltend zu machen, wurden zuerst von
Lucius Lucullus für Kleinasien aufgestellt und daselbst von seinen
besseren Nachfolgern beibehalten; sie wurden bald auch auf an-
dere Provinzen durch Statthalterverordnungen übertragen und
endlich wenigstens ein Theil derselben in allen Provinzen durch
einen Beschluſs des römischen Senats vom J. 704 mit Gesetzes-
kraft versehen. Wenn diese Iucullischen Verfügungen fortan in
ihrem vollen Umfang als Reichsgesetz erscheinen und durchaus

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[495/0505] REPUBLIK UND MONARCHIE. bezahlen konnte, ohne wiederum sich ökonomisch zu ruiniren. Wenn also dem groſsen Demokraten die unvergängliche Ehre zu Theil ward die persönliche Freiheit principiell vom Capital zu emancipiren, so versäumte er nicht die Uebermacht des Capitals durch Wuchergesetze auch polizeilich einzudämmen. Die demo- kratische Antipathie gegen die Zinsverträge verleugnete auch er nicht. Für den italischen Geldverkehr wurde eine Maximal- summe der dem einzelnen Capitalisten zu gestattenden Zinsdar- lehen festgestellt, welche sich nach dem einem jeden zuständigen italischen Grundbesitz gerichtet zu haben scheint und vielleicht die Hälfte des Werthes desselben betrug. Uebertretungen dieser Bestimmung wurden, nach Art des in den republikanischen Wuchergesetzen vorgeschriebenen Verfahrens, als Criminalver- gehen behandelt und vor eine eigene Geschwornencommission gewiesen. Wenn es gelang diese Vorschriften praktisch durch- zuführen, so wurde jeder italische Geschäftsmann dadurch ge- nöthigt zugleich vor allem auch italischer Grundbesitzer zu wer- den und die Klasse der bloſs von ihren Zinsen zehrenden Capi- talisten verschwand in Italien gänzlich. Indirect wurde damit auch die nicht minder schädliche Kategorie der überschuldeten und der Sache nach nur für ihre Gläubiger das Gut verwaltenden Grundeigenthümer wesentlich beschränkt, indem die Gläubiger, wenn sie ihr Zinsgeschäft fortführen wollten, gezwungen wurden sich selber anzukaufen. Schon hierin liegt es übrigens enthalten, daſs Caesar keineswegs jenes naive Zinsverbot der alten Popular- partei einfach erneuern, sondern vielmehr das Zinsnehmen inner- halb gewisser Grenzen gestatten wollte. Sehr wahrscheinlich ist es aber, daſs er sich nicht auf jene bloſs für Italien gültige An- ordnung eines Maximalsatzes der auszuleihenden Summe be- schränkte, sondern auch, namentlich mit Rücksicht auf die Pro- vinzen, für die Zinsen selbst Maximalsätze vorschrieb. Die Ver- fügungen, daſs es unstatthaft sei höhere Zinsen als 1 % monatlich, oder von rückständigen Zinsen wieder Zinsen zu nehmen, oder endlich eine das Capital selbst übersteigende Summe an rückstän- digen Zinsen gerichtlich geltend zu machen, wurden zuerst von Lucius Lucullus für Kleinasien aufgestellt und daselbst von seinen besseren Nachfolgern beibehalten; sie wurden bald auch auf an- dere Provinzen durch Statthalterverordnungen übertragen und endlich wenigstens ein Theil derselben in allen Provinzen durch einen Beschluſs des römischen Senats vom J. 704 mit Gesetzes- kraft versehen. Wenn diese Iucullischen Verfügungen fortan in ihrem vollen Umfang als Reichsgesetz erscheinen und durchaus

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/505>, abgerufen am 16.07.2024.