Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.REPUBLIK UND MONARCHIE. gefährlichen Posten anwies, um seine Italiker zu schonen, und dadie Belagerung nicht nach Wunsch ging, seinen Werkmeistern den Kopf vor die Füsse zu legen befahl. Es war wohl arg, dass keine Vorschrift der Sittlichkeit oder des Strafrechts die römi- schen Vögte und ihr Gefolge ferner band und dass Vergewalti- gungen, Schändungen und Ermordungen mit oder ohne Form Rechtens in den Provinzen alltägliche Auftritte waren. Allein es war dies wenigstens nichts Neues: fast überall war man scla- vischer Behandlung längst gewohnt und es kam am Ende wenig darauf an, ob ein karthagischer Vogt, ein syrischer Satrap oder ein römischer Proconsul den Localtyrannen spielte. Das mate- rielle Wohlbefinden, ziemlich das einzige, wofür man in den Provinzen noch Sinn hatte, ward durch jene Vorgänge, die zwar bei den vielen Tyrannen viele, aber doch nur einzelne Indivi- duen trafen, weit minder gestört als durch die auf allen zu- gleich lastende finanzielle Exploitirung, welche mit solcher Ener- gie doch niemals noch aufgetreten war. Die Römer bewährten ihre alte Meisterschaft im Geldwesen jetzt auf diesem Gebiet in einer entsetzlichen Weise. Es ist früher versucht worden das römische System der Provinzialbelastung in seinen bescheidenen und verständigen Grundlagen wie in seiner Steigerung und Verder- bung darzustellen (II, 362--369); es versteht sich von selbst, dass die letztere progressiv zunahm. Die ordentlichen Abgaben wurden weit drückender durch die Ungleichheit der Steuervertheilung und durch das verkehrte Hebesystem als durch ihre Höhe. Ueber die Einquartierungslast äusserten römische Staatsmänner selbst, dass eine Stadt ungefähr eben so viel leide, wenn der Feind sie er- stürme und wenn ein römisches Heer Winterquartier in ihr nehme. Während die Besteuerung nach ihrem ursprünglichen Charakter die Vergütung für die von Rom übernommene Kriegs- last gewesen war und die steuernde Gemeinde also ein Recht darauf hatte vom ordentlichen Dienst verschont zu bleiben, wurde jetzt, wie zum Beispiel für Sardinien bezeugt ist, der Besatzungsdienst grösstentheils den Provinzialen aufgebürdet und sogar in den or- dentlichen Heeren ausser anderen Leistungen die ganze schwere Last des Reiterdienstes auf sie abgewälzt. Die ausserordentlichen Leistungen, wie zum Beispiel die Kornlieferungen gegen geringe oder ganz ohne Vergütung zum Besten des hauptstädtischen Pro- letariats, die häufigen und kostspieligen Flottenrüstungen und Strandvertheidigungen, um der Piraterie zu steuern, die Aufgaben Kunstwerke, wilde Bestien oder andere Requisite des wahnwitzi- gen römischen Theater- und Thierhetzenluxus herbeizuschaffen, 32*
REPUBLIK UND MONARCHIE. gefährlichen Posten anwies, um seine Italiker zu schonen, und dadie Belagerung nicht nach Wunsch ging, seinen Werkmeistern den Kopf vor die Füſse zu legen befahl. Es war wohl arg, daſs keine Vorschrift der Sittlichkeit oder des Strafrechts die römi- schen Vögte und ihr Gefolge ferner band und daſs Vergewalti- gungen, Schändungen und Ermordungen mit oder ohne Form Rechtens in den Provinzen alltägliche Auftritte waren. Allein es war dies wenigstens nichts Neues: fast überall war man scla- vischer Behandlung längst gewohnt und es kam am Ende wenig darauf an, ob ein karthagischer Vogt, ein syrischer Satrap oder ein römischer Proconsul den Localtyrannen spielte. Das mate- rielle Wohlbefinden, ziemlich das einzige, wofür man in den Provinzen noch Sinn hatte, ward durch jene Vorgänge, die zwar bei den vielen Tyrannen viele, aber doch nur einzelne Indivi- duen trafen, weit minder gestört als durch die auf allen zu- gleich lastende finanzielle Exploitirung, welche mit solcher Ener- gie doch niemals noch aufgetreten war. Die Römer bewährten ihre alte Meisterschaft im Geldwesen jetzt auf diesem Gebiet in einer entsetzlichen Weise. Es ist früher versucht worden das römische System der Provinzialbelastung in seinen bescheidenen und verständigen Grundlagen wie in seiner Steigerung und Verder- bung darzustellen (II, 362—369); es versteht sich von selbst, daſs die letztere progressiv zunahm. Die ordentlichen Abgaben wurden weit drückender durch die Ungleichheit der Steuervertheilung und durch das verkehrte Hebesystem als durch ihre Höhe. Ueber die Einquartierungslast äuſserten römische Staatsmänner selbst, daſs eine Stadt ungefähr eben so viel leide, wenn der Feind sie er- stürme und wenn ein römisches Heer Winterquartier in ihr nehme. Während die Besteuerung nach ihrem ursprünglichen Charakter die Vergütung für die von Rom übernommene Kriegs- last gewesen war und die steuernde Gemeinde also ein Recht darauf hatte vom ordentlichen Dienst verschont zu bleiben, wurde jetzt, wie zum Beispiel für Sardinien bezeugt ist, der Besatzungsdienst gröſstentheils den Provinzialen aufgebürdet und sogar in den or- dentlichen Heeren auſser anderen Leistungen die ganze schwere Last des Reiterdienstes auf sie abgewälzt. Die auſserordentlichen Leistungen, wie zum Beispiel die Kornlieferungen gegen geringe oder ganz ohne Vergütung zum Besten des hauptstädtischen Pro- letariats, die häufigen und kostspieligen Flottenrüstungen und Strandvertheidigungen, um der Piraterie zu steuern, die Aufgaben Kunstwerke, wilde Bestien oder andere Requisite des wahnwitzi- gen römischen Theater- und Thierhetzenluxus herbeizuschaffen, 32*
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REPUBLIK UND MONARCHIE.
gefährlichen Posten anwies, um seine Italiker zu schonen, und da
die Belagerung nicht nach Wunsch ging, seinen Werkmeistern
den Kopf vor die Füſse zu legen befahl. Es war wohl arg, daſs
keine Vorschrift der Sittlichkeit oder des Strafrechts die römi-
schen Vögte und ihr Gefolge ferner band und daſs Vergewalti-
gungen, Schändungen und Ermordungen mit oder ohne Form
Rechtens in den Provinzen alltägliche Auftritte waren. Allein
es war dies wenigstens nichts Neues: fast überall war man scla-
vischer Behandlung längst gewohnt und es kam am Ende wenig
darauf an, ob ein karthagischer Vogt, ein syrischer Satrap oder
ein römischer Proconsul den Localtyrannen spielte. Das mate-
rielle Wohlbefinden, ziemlich das einzige, wofür man in den
Provinzen noch Sinn hatte, ward durch jene Vorgänge, die zwar
bei den vielen Tyrannen viele, aber doch nur einzelne Indivi-
duen trafen, weit minder gestört als durch die auf allen zu-
gleich lastende finanzielle Exploitirung, welche mit solcher Ener-
gie doch niemals noch aufgetreten war. Die Römer bewährten
ihre alte Meisterschaft im Geldwesen jetzt auf diesem Gebiet in
einer entsetzlichen Weise. Es ist früher versucht worden das
römische System der Provinzialbelastung in seinen bescheidenen
und verständigen Grundlagen wie in seiner Steigerung und Verder-
bung darzustellen (II, 362—369); es versteht sich von selbst, daſs
die letztere progressiv zunahm. Die ordentlichen Abgaben wurden
weit drückender durch die Ungleichheit der Steuervertheilung und
durch das verkehrte Hebesystem als durch ihre Höhe. Ueber die
Einquartierungslast äuſserten römische Staatsmänner selbst, daſs
eine Stadt ungefähr eben so viel leide, wenn der Feind sie er-
stürme und wenn ein römisches Heer Winterquartier in ihr
nehme. Während die Besteuerung nach ihrem ursprünglichen
Charakter die Vergütung für die von Rom übernommene Kriegs-
last gewesen war und die steuernde Gemeinde also ein Recht darauf
hatte vom ordentlichen Dienst verschont zu bleiben, wurde jetzt,
wie zum Beispiel für Sardinien bezeugt ist, der Besatzungsdienst
gröſstentheils den Provinzialen aufgebürdet und sogar in den or-
dentlichen Heeren auſser anderen Leistungen die ganze schwere
Last des Reiterdienstes auf sie abgewälzt. Die auſserordentlichen
Leistungen, wie zum Beispiel die Kornlieferungen gegen geringe
oder ganz ohne Vergütung zum Besten des hauptstädtischen Pro-
letariats, die häufigen und kostspieligen Flottenrüstungen und
Strandvertheidigungen, um der Piraterie zu steuern, die Aufgaben
Kunstwerke, wilde Bestien oder andere Requisite des wahnwitzi-
gen römischen Theater- und Thierhetzenluxus herbeizuschaffen,
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