diesen gleichsam auf Bittbesitz herrschenden Königen eine feste und ansehnliche Rente bezogen, ward dieser unklare Zustand hauptsächlich dadurch verewigt, dass der Senat weder es über sich vermochte auf den wichtigen Erwerb zu verzichten noch nach Aegypten, das durch seine Lage jedem dort befehligenden General die thatsächliche Unabhängigkeit gab, ein römisches Heer und einen römischen Feldherrn zu entsenden räthlich fand.
Wer diese Verhältnisse erwägt, muss zugestehen, dass es den Römern nicht bloss an Kriegsgründen nicht fehlte, sondern dass sie, wenn sie den Verlust Kappadokiens und Syriens ohne Kriegs- erklärung hinnahmen, damit nicht bloss ihre Schutzbefohlenen, sondern die wichtigsten Grundlagen ihrer eigenen Machtstellung preisgaben. Es war schon bedenklich, wenn sie in den grie- chischen Ansiedlungen und Reichen am Euphrat und Tigris die Vorwerke ihrer Herrschaft opferten; aber wenn sie die Asiaten am Mittelmeer sich festsetzen liessen, welches die politische Ba- sis ihres Reiches war, so war dies der Anfang des Endes. Wenn dennoch die römische Regierung hier nicht einschritt, so war dies kein Beweis von Friedensliebe, sondern das Bekenntniss, dass die Oligarchie durch die sullanische Restauration wohl oli- garchischer, aber weder klüger noch energischer geworden war. Aber auch auf der andern Seite wollte man den Krieg nicht. Tigranes hatte keine Ursache ihn zu wünschen, wenn Rom ihm auch ohne Krieg all seine Bundesgenossen preisgab. Mithrada- tes, der denn doch nicht bloss Sultan war und Gelegenheit ge- habt hatte im Glück und Unglück Erfahrungen über Freunde und Feinde zu machen, wusste sehr wohl, dass er in einem zweiten römischen Krieg sehr wahrscheinlich ebenso allein stehen würde wie in dem ersten und dass er nichts Klügeres thun konnte als sich ruhig zu verhalten und sein Reich im Innern zu stärken. Dass es ihm mit seinen friedlichen Erklärungen Ernst war, hatte er in dem Zusammentreffen mit Murena hinreichend bewiesen (II, 320) und überhaupt hütete er sich sorgfältig den Römern Veran- lassung zum Bruch zu geben. Allein wie schon der erste mithra- datische Krieg sich entsponnen hatte, ohne dass eine der Parteien ihn wollte, so entwickelten auch jetzt aus den entgegengesetzten Interessen sich gegenseitiges Misstrauen, aus diesem gegenseitige Vertheidigungsmassregeln und es führten diese endlich durch ihr eigenes Schwergewicht zum offenen Bruch. Das seit langem die römische Politik beherrschende Misstrauen in die eigene Schlag- fertigkeit und Kampfbereitschaft, welchas bei dem Mangel stehen- der Armeen und dem wenig musterhaften collegialischen Regiment
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
diesen gleichsam auf Bittbesitz herrschenden Königen eine feste und ansehnliche Rente bezogen, ward dieser unklare Zustand hauptsächlich dadurch verewigt, daſs der Senat weder es über sich vermochte auf den wichtigen Erwerb zu verzichten noch nach Aegypten, das durch seine Lage jedem dort befehligenden General die thatsächliche Unabhängigkeit gab, ein römisches Heer und einen römischen Feldherrn zu entsenden räthlich fand.
Wer diese Verhältniſse erwägt, muſs zugestehen, daſs es den Römern nicht bloſs an Kriegsgründen nicht fehlte, sondern daſs sie, wenn sie den Verlust Kappadokiens und Syriens ohne Kriegs- erklärung hinnahmen, damit nicht bloſs ihre Schutzbefohlenen, sondern die wichtigsten Grundlagen ihrer eigenen Machtstellung preisgaben. Es war schon bedenklich, wenn sie in den grie- chischen Ansiedlungen und Reichen am Euphrat und Tigris die Vorwerke ihrer Herrschaft opferten; aber wenn sie die Asiaten am Mittelmeer sich festsetzen lieſsen, welches die politische Ba- sis ihres Reiches war, so war dies der Anfang des Endes. Wenn dennoch die römische Regierung hier nicht einschritt, so war dies kein Beweis von Friedensliebe, sondern das Bekenntniſs, daſs die Oligarchie durch die sullanische Restauration wohl oli- garchischer, aber weder klüger noch energischer geworden war. Aber auch auf der andern Seite wollte man den Krieg nicht. Tigranes hatte keine Ursache ihn zu wünschen, wenn Rom ihm auch ohne Krieg all seine Bundesgenossen preisgab. Mithrada- tes, der denn doch nicht bloſs Sultan war und Gelegenheit ge- habt hatte im Glück und Unglück Erfahrungen über Freunde und Feinde zu machen, wuſste sehr wohl, daſs er in einem zweiten römischen Krieg sehr wahrscheinlich ebenso allein stehen würde wie in dem ersten und daſs er nichts Klügeres thun konnte als sich ruhig zu verhalten und sein Reich im Innern zu stärken. Daſs es ihm mit seinen friedlichen Erklärungen Ernst war, hatte er in dem Zusammentreffen mit Murena hinreichend bewiesen (II, 320) und überhaupt hütete er sich sorgfältig den Römern Veran- lassung zum Bruch zu geben. Allein wie schon der erste mithra- datische Krieg sich entsponnen hatte, ohne daſs eine der Parteien ihn wollte, so entwickelten auch jetzt aus den entgegengesetzten Interessen sich gegenseitiges Miſstrauen, aus diesem gegenseitige Vertheidigungsmaſsregeln und es führten diese endlich durch ihr eigenes Schwergewicht zum offenen Bruch. Das seit langem die römische Politik beherrschende Miſstrauen in die eigene Schlag- fertigkeit und Kampfbereitschaft, welchas bei dem Mangel stehen- der Armeen und dem wenig musterhaften collegialischen Regiment
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FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.
diesen gleichsam auf Bittbesitz herrschenden Königen eine feste
und ansehnliche Rente bezogen, ward dieser unklare Zustand
hauptsächlich dadurch verewigt, daſs der Senat weder es über
sich vermochte auf den wichtigen Erwerb zu verzichten noch
nach Aegypten, das durch seine Lage jedem dort befehligenden
General die thatsächliche Unabhängigkeit gab, ein römisches Heer
und einen römischen Feldherrn zu entsenden räthlich fand.
Wer diese Verhältniſse erwägt, muſs zugestehen, daſs es den
Römern nicht bloſs an Kriegsgründen nicht fehlte, sondern daſs
sie, wenn sie den Verlust Kappadokiens und Syriens ohne Kriegs-
erklärung hinnahmen, damit nicht bloſs ihre Schutzbefohlenen,
sondern die wichtigsten Grundlagen ihrer eigenen Machtstellung
preisgaben. Es war schon bedenklich, wenn sie in den grie-
chischen Ansiedlungen und Reichen am Euphrat und Tigris die
Vorwerke ihrer Herrschaft opferten; aber wenn sie die Asiaten
am Mittelmeer sich festsetzen lieſsen, welches die politische Ba-
sis ihres Reiches war, so war dies der Anfang des Endes. Wenn
dennoch die römische Regierung hier nicht einschritt, so war
dies kein Beweis von Friedensliebe, sondern das Bekenntniſs,
daſs die Oligarchie durch die sullanische Restauration wohl oli-
garchischer, aber weder klüger noch energischer geworden war.
Aber auch auf der andern Seite wollte man den Krieg nicht.
Tigranes hatte keine Ursache ihn zu wünschen, wenn Rom ihm
auch ohne Krieg all seine Bundesgenossen preisgab. Mithrada-
tes, der denn doch nicht bloſs Sultan war und Gelegenheit ge-
habt hatte im Glück und Unglück Erfahrungen über Freunde und
Feinde zu machen, wuſste sehr wohl, daſs er in einem zweiten
römischen Krieg sehr wahrscheinlich ebenso allein stehen würde
wie in dem ersten und daſs er nichts Klügeres thun konnte als
sich ruhig zu verhalten und sein Reich im Innern zu stärken.
Daſs es ihm mit seinen friedlichen Erklärungen Ernst war, hatte
er in dem Zusammentreffen mit Murena hinreichend bewiesen (II,
320) und überhaupt hütete er sich sorgfältig den Römern Veran-
lassung zum Bruch zu geben. Allein wie schon der erste mithra-
datische Krieg sich entsponnen hatte, ohne daſs eine der Parteien
ihn wollte, so entwickelten auch jetzt aus den entgegengesetzten
Interessen sich gegenseitiges Miſstrauen, aus diesem gegenseitige
Vertheidigungsmaſsregeln und es führten diese endlich durch ihr
eigenes Schwergewicht zum offenen Bruch. Das seit langem die
römische Politik beherrschende Miſstrauen in die eigene Schlag-
fertigkeit und Kampfbereitschaft, welchas bei dem Mangel stehen-
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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