KAPITEL III. Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius.
Noch stand die sullanische Verfassung unerschüttert. Der Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war mit Erfolg zurückgeschlagen worden. Das halb fertige Gebäude in dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen hatte die Regierung freilich versäumt. Es zeichnet sie, dass sie die von Sulla zur Vertheilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst parzelirten Ländereien weder auftheilte noch auch den Anspruch auf dieselben geradezu aufgab, sondern die früheren Eigenthü- mer ohne Regulirung des Titels vorläufig im Besitze duldete, auch wohl manche noch unvertheilte Strecke sullanischen Do- maniallandes gar von einzelnen Personen nach dem alten durch die gracchischen Reformen rechtlich und factisch beseitigten Occupationssystem willkürlich in Besitz nehmen liess (II, 331). Was den Optimaten unter den sullanischen Bestimmungen gleich- gültig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignorirt oder cassirt; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberken- nung des Staatsbürgerrechts; so das Verbot der Zusammenschla- gung der neuen Bauerstellen; so manche der von Sulla einzelnen Gemeinden ertheilten Freibriefe, natürlich ohne dass die für diese Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurückgegeben wurden. Aber diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch die Regierung selbst, obwohl auch sie dazu beitrugen die Fun- damente seines Gebäudes zu erschüttern, arbeiteten doch nur mittelbar der Gegenpartei in die Hände. Die sempronischen Ge- setze waren und blieben abgeschafft.
KAPITEL III. Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius.
Noch stand die sullanische Verfassung unerschüttert. Der Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war mit Erfolg zurückgeschlagen worden. Das halb fertige Gebäude in dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen hatte die Regierung freilich versäumt. Es zeichnet sie, daſs sie die von Sulla zur Vertheilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst parzelirten Ländereien weder auftheilte noch auch den Anspruch auf dieselben geradezu aufgab, sondern die früheren Eigenthü- mer ohne Regulirung des Titels vorläufig im Besitze duldete, auch wohl manche noch unvertheilte Strecke sullanischen Do- maniallandes gar von einzelnen Personen nach dem alten durch die gracchischen Reformen rechtlich und factisch beseitigten Occupationssystem willkürlich in Besitz nehmen lieſs (II, 331). Was den Optimaten unter den sullanischen Bestimmungen gleich- gültig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignorirt oder cassirt; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberken- nung des Staatsbürgerrechts; so das Verbot der Zusammenschla- gung der neuen Bauerstellen; so manche der von Sulla einzelnen Gemeinden ertheilten Freibriefe, natürlich ohne daſs die für diese Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurückgegeben wurden. Aber diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch die Regierung selbst, obwohl auch sie dazu beitrugen die Fun- damente seines Gebäudes zu erschüttern, arbeiteten doch nur mittelbar der Gegenpartei in die Hände. Die sempronischen Ge- setze waren und blieben abgeschafft.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0094"n="[84]"/><divn="2"><head>KAPITEL III.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><hirendition="#g">Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius</hi>.</head><lb/><p><hirendition="#in">N</hi>och stand die sullanische Verfassung unerschüttert. Der<lb/>
Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war<lb/>
mit Erfolg zurückgeschlagen worden. Das halb fertige Gebäude<lb/>
in dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen hatte die<lb/>
Regierung freilich versäumt. Es zeichnet sie, daſs sie die von<lb/>
Sulla zur Vertheilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst<lb/>
parzelirten Ländereien weder auftheilte noch auch den Anspruch<lb/>
auf dieselben geradezu aufgab, sondern die früheren Eigenthü-<lb/>
mer ohne Regulirung des Titels vorläufig im Besitze duldete,<lb/>
auch wohl manche noch unvertheilte Strecke sullanischen Do-<lb/>
maniallandes gar von einzelnen Personen nach dem alten durch<lb/>
die gracchischen Reformen rechtlich und factisch beseitigten<lb/>
Occupationssystem willkürlich in Besitz nehmen lieſs (II, 331).<lb/>
Was den Optimaten unter den sullanischen Bestimmungen gleich-<lb/>
gültig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignorirt oder<lb/>
cassirt; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberken-<lb/>
nung des Staatsbürgerrechts; so das Verbot der Zusammenschla-<lb/>
gung der neuen Bauerstellen; so manche der von Sulla einzelnen<lb/>
Gemeinden ertheilten Freibriefe, natürlich ohne daſs die für diese<lb/>
Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurückgegeben<lb/>
wurden. Aber diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch<lb/>
die Regierung selbst, obwohl auch sie dazu beitrugen die Fun-<lb/>
damente seines Gebäudes zu erschüttern, arbeiteten doch nur<lb/>
mittelbar der Gegenpartei in die Hände. Die sempronischen Ge-<lb/>
setze waren und blieben abgeschafft.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[84]/0094]
KAPITEL III.
Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius.
Noch stand die sullanische Verfassung unerschüttert. Der
Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war
mit Erfolg zurückgeschlagen worden. Das halb fertige Gebäude
in dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen hatte die
Regierung freilich versäumt. Es zeichnet sie, daſs sie die von
Sulla zur Vertheilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst
parzelirten Ländereien weder auftheilte noch auch den Anspruch
auf dieselben geradezu aufgab, sondern die früheren Eigenthü-
mer ohne Regulirung des Titels vorläufig im Besitze duldete,
auch wohl manche noch unvertheilte Strecke sullanischen Do-
maniallandes gar von einzelnen Personen nach dem alten durch
die gracchischen Reformen rechtlich und factisch beseitigten
Occupationssystem willkürlich in Besitz nehmen lieſs (II, 331).
Was den Optimaten unter den sullanischen Bestimmungen gleich-
gültig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignorirt oder
cassirt; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberken-
nung des Staatsbürgerrechts; so das Verbot der Zusammenschla-
gung der neuen Bauerstellen; so manche der von Sulla einzelnen
Gemeinden ertheilten Freibriefe, natürlich ohne daſs die für diese
Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurückgegeben
wurden. Aber diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch
die Regierung selbst, obwohl auch sie dazu beitrugen die Fun-
damente seines Gebäudes zu erschüttern, arbeiteten doch nur
mittelbar der Gegenpartei in die Hände. Die sempronischen Ge-
setze waren und blieben abgeschafft.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. [84]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/94>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.