Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888.
So der norwegische Gelehrte.18.644 Glauben Sie nicht, hochgeehrter Herr Professor, daß die18.645 Warum sollte die Frau von ihrem Liebreiz und ihrer Anmut18.653 Warum befürchten die Männer, daß die Frau durch das18.659
So der norwegische Gelehrte.18.644 Glauben Sie nicht, hochgeehrter Herr Professor, daß die18.645 Warum sollte die Frau von ihrem Liebreiz und ihrer Anmut18.653 Warum befürchten die Männer, daß die Frau durch das18.659 <TEI> <text> <body> <p> <q who="Heiberg"><pb facs="#f0017" n="18"/> erregen, obgleich es Länder giebt, wo die Geburtshülfe in großem<lb n="18.618"/> Umfang durch Männer ausgeführt wird.</q> <lb n="18.619"/> </p> <p> <q who="Heiberg">Im Ganzen und Großen ist die weibliche Erziehung bei uns<lb n="18.620"/> vom Staate versäumt. Wenn man aber für das weibliche <lb n="18.621"/> Geschlecht ähnliche gelehrte, technische und Realschulen erhalten könnte<lb n="18.622"/> als diejenigen, welche für die männliche Jugend hergestellt sind,<lb n="18.623"/> so würden wir Aussicht haben eine Generation von Frauen zu erziehen,<lb n="18.624"/> denen gegenüber die jetzige weibliche Generation untergeordnet <lb n="18.625"/> dastehen würde. Mit Bezug hierauf muß aber von oben der <lb n="18.626"/> Anfang gemacht werden. Die Bewegung muß von der Universität<lb n="18.627"/> ausgehen, zunächst um für unsere Mädchen bessere öffentliche Schulen<lb n="18.628"/> zu erzielen.</q> <lb n="18.629"/> </p> <p> <q who="Heiberg">Obgleich ich nun wünsche, daß den Frauen voller Zutritt zu<lb n="18.630"/> unseren Examen eröffnet werden möchte, so glaube ich doch nicht,<lb n="18.631"/> daß in der ersten Zeit eine größere Anzahl derselben sich dem <lb n="18.632"/> medizinischen Studium zuwenden wird. Ich nehme auch an. daß unter<lb n="18.633"/> den Frauen selbst die Stellung als Gattin und Mutter stets als<lb n="18.634"/> die beste und natürlichste angesehen werden wird. Ehe das <lb n="18.635"/> Bedürfnis nach erweiterten Lokalitäten und vermehrtem Lehrerpersonal<lb n="18.636"/> sich geltend machen wird, wird es richtig sein, keine besonderen<lb n="18.637"/> Veranstaltungen zu treffen, sondern nur den weiblichen Studenten,<lb n="18.638"/> außer dem Zutritt zu den Vorlesungen, den sie bereits haben, auch<lb n="18.639"/> die Erlaubnis zu erteilen, die Sezierstube, die Laboratorien und<lb n="18.640"/> das Hospital zu besuchen, sowie das Examen zu machen. In <lb n="18.641"/> Betreff des pharmazeutischen Studiums schließe ich mich den anderen<lb n="18.642"/> Herren an, die dasselbe auch als passend für Frauen ansehen.</q> <lb n="18.643"/> </p> <p> So der norwegische Gelehrte.<lb n="18.644"/> </p> <p> Glauben Sie nicht, hochgeehrter Herr Professor, daß die<lb n="18.645"/> Frauenbewegung, wie Sie es fürchten, die Unterschiede verwischen will,<lb n="18.646"/> welche Natur den beiden Geschlechtern gab. Wir betrachten aber<lb n="18.647"/> das Frauenstudium als eine Rechtsfrage, von deren Lösung die ganze<lb n="18.648"/> Zukunft der Frauenbildung abhängt. Nun wohl, erst wenn man die<lb n="18.649"/> Frau sich frei nach ihrem Bildungsbedürfnis wird entwickeln lassen,<lb n="18.650"/> kann man nach dreißig Jahren sagen, ob dadurch das <lb n="18.651"/> gesellschaftliche und häusliche Leben gewonnen oder verloren hat.<lb n="18.652"/> </p> <p> Warum sollte die Frau von ihrem Liebreiz und ihrer Anmut<lb n="18.653"/> verlieren, sobald sie es vorzieht, sich den höheren Sphären der<lb n="18.654"/> Wissenschaft zu widmen, statt nur mit häuslichen und Handarbeiten<lb n="18.655"/> sich zu beschäftigen? Und wird es nicht vielmehr besser im <lb n="18.656"/> Haushalte werden, wenn die Frau in demselben ihre wissenschaftlichen<lb n="18.657"/> Kenntisse und Erfahrungen verwertet?<lb n="18.658"/> </p> <p> Warum befürchten die Männer, daß die Frau durch das<lb n="18.659"/> </p> </body> </text> </TEI> [18/0017]
erregen, obgleich es Länder giebt, wo die Geburtshülfe in großem 18.618
Umfang durch Männer ausgeführt wird. 18.619
Im Ganzen und Großen ist die weibliche Erziehung bei uns 18.620
vom Staate versäumt. Wenn man aber für das weibliche 18.621
Geschlecht ähnliche gelehrte, technische und Realschulen erhalten könnte 18.622
als diejenigen, welche für die männliche Jugend hergestellt sind, 18.623
so würden wir Aussicht haben eine Generation von Frauen zu erziehen, 18.624
denen gegenüber die jetzige weibliche Generation untergeordnet 18.625
dastehen würde. Mit Bezug hierauf muß aber von oben der 18.626
Anfang gemacht werden. Die Bewegung muß von der Universität 18.627
ausgehen, zunächst um für unsere Mädchen bessere öffentliche Schulen 18.628
zu erzielen. 18.629
Obgleich ich nun wünsche, daß den Frauen voller Zutritt zu 18.630
unseren Examen eröffnet werden möchte, so glaube ich doch nicht, 18.631
daß in der ersten Zeit eine größere Anzahl derselben sich dem 18.632
medizinischen Studium zuwenden wird. Ich nehme auch an. daß unter 18.633
den Frauen selbst die Stellung als Gattin und Mutter stets als 18.634
die beste und natürlichste angesehen werden wird. Ehe das 18.635
Bedürfnis nach erweiterten Lokalitäten und vermehrtem Lehrerpersonal 18.636
sich geltend machen wird, wird es richtig sein, keine besonderen 18.637
Veranstaltungen zu treffen, sondern nur den weiblichen Studenten, 18.638
außer dem Zutritt zu den Vorlesungen, den sie bereits haben, auch 18.639
die Erlaubnis zu erteilen, die Sezierstube, die Laboratorien und 18.640
das Hospital zu besuchen, sowie das Examen zu machen. In 18.641
Betreff des pharmazeutischen Studiums schließe ich mich den anderen 18.642
Herren an, die dasselbe auch als passend für Frauen ansehen. 18.643
So der norwegische Gelehrte. 18.644
Glauben Sie nicht, hochgeehrter Herr Professor, daß die 18.645
Frauenbewegung, wie Sie es fürchten, die Unterschiede verwischen will, 18.646
welche Natur den beiden Geschlechtern gab. Wir betrachten aber 18.647
das Frauenstudium als eine Rechtsfrage, von deren Lösung die ganze 18.648
Zukunft der Frauenbildung abhängt. Nun wohl, erst wenn man die 18.649
Frau sich frei nach ihrem Bildungsbedürfnis wird entwickeln lassen, 18.650
kann man nach dreißig Jahren sagen, ob dadurch das 18.651
gesellschaftliche und häusliche Leben gewonnen oder verloren hat. 18.652
Warum sollte die Frau von ihrem Liebreiz und ihrer Anmut 18.653
verlieren, sobald sie es vorzieht, sich den höheren Sphären der 18.654
Wissenschaft zu widmen, statt nur mit häuslichen und Handarbeiten 18.655
sich zu beschäftigen? Und wird es nicht vielmehr besser im 18.656
Haushalte werden, wenn die Frau in demselben ihre wissenschaftlichen 18.657
Kenntisse und Erfahrungen verwertet? 18.658
Warum befürchten die Männer, daß die Frau durch das 18.659
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