Morgenstern, Lina: Ein offenes Wort über das medizinische Studium der Frauen an Herrn Prof. Dr. W. Waldeyer. Berlin, 1888.Hochgeehrter Herr Professor! 3.1Wenn ich den Versuch unternehme, eine Widerlegung3.2 Gerade in der Zeit, da sich in unserem Vaterlande aus den 3.11 Ihr Vortrag, sehr geehrter Herr Professor, ist für unsere Bestrebungen3.21 1*
Hochgeehrter Herr Professor! 3.1Wenn ich den Versuch unternehme, eine Widerlegung3.2 Gerade in der Zeit, da sich in unserem Vaterlande aus den 3.11 Ihr Vortrag, sehr geehrter Herr Professor, ist für unsere Bestrebungen3.21 1*
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002"/> <opener> <salute>Hochgeehrter Herr Professor!</salute> </opener> <lb n="3.1"/> <p>Wenn ich den Versuch unternehme, eine Widerlegung<lb n="3.2"/> einzelner Punkte Ihres Vortrages über das medizinische Studium <lb n="3.3"/> der Frauen zu schreiben, geschieht dies aus folgenden <lb n="3.4"/> Gesichtspunkten: Die Bedeutsamkeit eines Vortrags liegt in dem besprochenen <lb n="3.5"/> Thema, in der Stellung, welche der Vortragende in der <lb n="3.6"/> wissenschaftlichen und gebildeten Welt einnimmt und in der Zuhörerschaft, <lb n="3.7"/> vor welcher gesprochen worden ist. Nach all diesen drei Richtungen <lb n="3.8"/> ist Ihr Vortrag für die Frauenbewegung höchst bedeutsam und nicht <lb n="3.9"/> zu unterschätzen. <lb n="3.10"/> </p> <p> Gerade in der Zeit, da sich in unserem Vaterlande aus den <lb n="3.11"/> verschiedensten Frauenkreisen eine mächtige thatkräftige Bewegung <lb n="3.12"/> kundgiebt, Ärztinnen für Frauen- und Kinderkrankheiten als eine <lb n="3.13"/> sanitäre und sittliche Notwendigkeit zu verlangen und daher das <lb n="3.14"/> medizinische Studium der Frauen in Deutschland zu erstreben, <lb n="3.15"/> wirkt der Vortrag eines berühmten Anatomen und ausgezeichneten <lb n="3.16"/> Lehrers an der Hochschule der deutschen Metropole wie eine <lb n="3.17"/> Kriegserklärung aus feindlichem Lager; um so mehr, als die Äerzte, <lb n="3.18"/> welche selbstverständlich diese Rede mit großem Beifall hörten, die <lb n="3.19"/> natürlichen Gegner des Frauenstudiums sind. <lb n="3.20"/> </p> <p> Ihr Vortrag, sehr geehrter Herr Professor, ist für unsere Bestrebungen<lb n="3.21"/> um so gefährdender, als ihn ein gewisses Wohlwollen <lb n="3.22"/> durchdringt, während das von Ihnen gewählte Thema dessen <lb n="3.23"/> Dringlichkeit und Wichtigkeit ergiebt. Es ist noch nicht so lange <lb n="3.24"/> her, daß die deutschen Professoren die Frage, welche andere Länder <lb n="3.25"/> längst befriedigend für das Frauengeschlecht beantwortet haben, <lb n="3.26"/> einfach totschwiegen oder vornehm bei deren Besprechung die <lb n="3.27"/> Achsel zuckten. <lb n="3.28"/> <fw place="bottom" type="sig">1*</fw> <lb n="3.29"/> </p> </body> </text> </TEI> [0002]
Hochgeehrter Herr Professor! 3.1
Wenn ich den Versuch unternehme, eine Widerlegung 3.2
einzelner Punkte Ihres Vortrages über das medizinische Studium 3.3
der Frauen zu schreiben, geschieht dies aus folgenden 3.4
Gesichtspunkten: Die Bedeutsamkeit eines Vortrags liegt in dem besprochenen 3.5
Thema, in der Stellung, welche der Vortragende in der 3.6
wissenschaftlichen und gebildeten Welt einnimmt und in der Zuhörerschaft, 3.7
vor welcher gesprochen worden ist. Nach all diesen drei Richtungen 3.8
ist Ihr Vortrag für die Frauenbewegung höchst bedeutsam und nicht 3.9
zu unterschätzen. 3.10
Gerade in der Zeit, da sich in unserem Vaterlande aus den 3.11
verschiedensten Frauenkreisen eine mächtige thatkräftige Bewegung 3.12
kundgiebt, Ärztinnen für Frauen- und Kinderkrankheiten als eine 3.13
sanitäre und sittliche Notwendigkeit zu verlangen und daher das 3.14
medizinische Studium der Frauen in Deutschland zu erstreben, 3.15
wirkt der Vortrag eines berühmten Anatomen und ausgezeichneten 3.16
Lehrers an der Hochschule der deutschen Metropole wie eine 3.17
Kriegserklärung aus feindlichem Lager; um so mehr, als die Äerzte, 3.18
welche selbstverständlich diese Rede mit großem Beifall hörten, die 3.19
natürlichen Gegner des Frauenstudiums sind. 3.20
Ihr Vortrag, sehr geehrter Herr Professor, ist für unsere Bestrebungen 3.21
um so gefährdender, als ihn ein gewisses Wohlwollen 3.22
durchdringt, während das von Ihnen gewählte Thema dessen 3.23
Dringlichkeit und Wichtigkeit ergiebt. Es ist noch nicht so lange 3.24
her, daß die deutschen Professoren die Frage, welche andere Länder 3.25
längst befriedigend für das Frauengeschlecht beantwortet haben, 3.26
einfach totschwiegen oder vornehm bei deren Besprechung die 3.27
Achsel zuckten. 3.28
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