Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.Das VI. Cap. Von Veränderung letzte Skinnerus meint von den Lateinernauff die Teutsche gekommen zu seyn/ als wann dieselbe nicht ehe ihre Sinne zu nen- nen gewust/ oder dieselbe gar gehabt hant- ten/ ehe die Römer sie es gelehret) und viel andere von dergleichen Wörtern herkommen. Die Gleichheit aber der Wörter/ die im blossen Laut bestehet/ machet keine Verwandschafft unter sie/ wodurch sich doch bißweilen gelehrte Leute verführen lassen. So finden sich in einer eintzigen Sprache Wörter/ die glei- ches Lautes/ aber verschieden von Be- deutung und Uhrsprung seyn. In der Teutschen haben wir liegen/ jacere, und mentiri, arm/ pauper & brachium, wa- gen/ currus & audere, küssen/ pulvinar & osculari, Thor/ stultus & porta Wand/ paries & pannus, welche keine Gemein- schafft zusammen haben. Man kan dessen ein klanrliches Exempel vor Augen stellen in dem Teutschen oder vielmehr Nieder- teutschen Worte Mat/ welches so viel Bedeutungen hat/ die doch unter- nicht
Das VI. Cap. Von Veraͤnderung letzte Skinnerus meint von den Lateinernauff die Teutſche gekommen zu ſeyn/ als wañ dieſelbe nicht ehe ihre Sinne zu nen- nen gewuſt/ oder dieſelbe gar gehabt hāt- ten/ ehe die Roͤmer ſie es gelehret) und viel andere von dergleichen Woͤrtern herkommen. Die Gleichheit aber der Woͤrter/ die im bloſſen Laut beſtehet/ machet keine Verwandſchafft unter ſie/ wodurch ſich doch bißweilen gelehrte Leute verfuͤhren laſſen. So finden ſich in einer eintzigen Sprache Woͤrter/ die glei- ches Lautes/ aber verſchieden von Be- deutung und Uhrſprung ſeyn. In der Teutſchen haben wir liegen/ jacere, und mentiri, arm/ pauper & brachium, wa- gen/ currus & audere, küſſen/ pulvinar & oſculari, Thor/ ſtultus & porta Wand/ paries & pannus, welche keine Gemein- ſchafft zuſammen haben. Man kan deſſen ein klārliches Exempel vor Augen ſtellen in dem Teutſchen oder vielmehr Nieder- teutſchen Worte Mat/ welches ſo viel Bedeutungen hat/ die doch unter- nicht
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0106" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">VI.</hi> Cap. Von Veraͤnderung</hi></fw><lb/> letzte <hi rendition="#aq">Skinnerus</hi> meint von den Lateinern<lb/> auff die Teutſche gekommen zu ſeyn/ als<lb/> wañ dieſelbe nicht ehe ihre Sinne zu nen-<lb/> nen gewuſt/ oder dieſelbe gar gehabt hāt-<lb/> ten/ ehe die Roͤmer ſie es gelehret) und<lb/> viel andere von dergleichen Woͤrtern<lb/> herkommen. Die Gleichheit aber der<lb/> Woͤrter/ die im bloſſen Laut beſtehet/<lb/> machet keine Verwandſchafft unter<lb/> ſie/ wodurch ſich doch bißweilen gelehrte<lb/> Leute verfuͤhren laſſen. So finden ſich in<lb/> einer eintzigen Sprache Woͤrter/ die glei-<lb/> ches Lautes/ aber verſchieden von Be-<lb/> deutung und Uhrſprung ſeyn. In der<lb/> Teutſchen haben wir <hi rendition="#fr">liegen/</hi> <hi rendition="#aq">jacere,</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">mentiri,</hi> <hi rendition="#fr">arm/</hi> <hi rendition="#aq">pauper & brachium,</hi> <hi rendition="#fr">wa-<lb/> gen/</hi> <hi rendition="#aq">currus & audere,</hi> <hi rendition="#fr">küſſen/</hi> <hi rendition="#aq">pulvinar<lb/> & oſculari,</hi> <hi rendition="#fr">Thor/</hi> <hi rendition="#aq">ſtultus & porta</hi> <hi rendition="#fr">Wand/</hi><lb/><hi rendition="#aq">paries & pannus,</hi> welche keine Gemein-<lb/> ſchafft zuſammen haben. Man kan deſſen<lb/> ein klārliches Exempel vor Augen ſtellen<lb/> in dem Teutſchen oder vielmehr Nieder-<lb/> teutſchen Worte <hi rendition="#fr">Mat/</hi> welches ſo<lb/> viel <choice><sic>Bedeutnngen</sic><corr>Bedeutungen</corr></choice> hat/ die doch unter-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0106]
Das VI. Cap. Von Veraͤnderung
letzte Skinnerus meint von den Lateinern
auff die Teutſche gekommen zu ſeyn/ als
wañ dieſelbe nicht ehe ihre Sinne zu nen-
nen gewuſt/ oder dieſelbe gar gehabt hāt-
ten/ ehe die Roͤmer ſie es gelehret) und
viel andere von dergleichen Woͤrtern
herkommen. Die Gleichheit aber der
Woͤrter/ die im bloſſen Laut beſtehet/
machet keine Verwandſchafft unter
ſie/ wodurch ſich doch bißweilen gelehrte
Leute verfuͤhren laſſen. So finden ſich in
einer eintzigen Sprache Woͤrter/ die glei-
ches Lautes/ aber verſchieden von Be-
deutung und Uhrſprung ſeyn. In der
Teutſchen haben wir liegen/ jacere, und
mentiri, arm/ pauper & brachium, wa-
gen/ currus & audere, küſſen/ pulvinar
& oſculari, Thor/ ſtultus & porta Wand/
paries & pannus, welche keine Gemein-
ſchafft zuſammen haben. Man kan deſſen
ein klārliches Exempel vor Augen ſtellen
in dem Teutſchen oder vielmehr Nieder-
teutſchen Worte Mat/ welches ſo
viel Bedeutungen hat/ die doch unter-
nicht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |