Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.
Gott! Gott! Wo kommen mir jetzt die Thränen her? Milder Thau des Himmels! Ach! aber auch sie spotten meiner! Jch soll nicht rasend werden, ich soll meine Quaal recht zergliedern, recht mit Vernunft mich martern: Darum mildern sie dieses wüthige Toben in mir.
Gott! Gott! Wo kommen mir jetzt die Thraͤnen her? Milder Thau des Himmels! Ach! aber auch sie spotten meiner! Jch soll nicht rasend werden, ich soll meine Quaal recht zergliedern, recht mit Vernunft mich martern: Darum mildern sie dieses wuͤthige Toben in mir. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="77"/><lb/> Kraft zu genießen, und schmeckten die hoͤchste Wonne des Lebens. Ha! meine Fantasie vergluͤht an dieser Ruͤckerinnerung! — Wart ihr denn nicht Rasende, als ihr mich umsonst auf den Knien flehen ließet, mir das Maͤdgen einst zum Weibe zu geben, wenn ich sie errungen, mich aufwaͤrts zum Mann und Buͤrger wuͤrde gebildet haben? Waͤre dann nicht alles wieder gut gewesen, das Verbrechen getilgt, das eure schiefen Begriffe und jaͤmmerlichen Gesetze dazu machten? Aber — Nein! Jch war arm und haͤßlich, und hatte gleichwohl die Vermessenheit gehabt des Lebens Freude zu kosten. Dies durftet ihr mir nicht verzeihen. Jhr entzogt mir euern Beistand, verstießt mich, und quaͤltet sie langsam todt mit euern Vorwuͤrfen und Haß und Verfolgung. O wohl mir, daß ich alles abgeschuͤttelt habe was fromm und sanft heißt, daß ich euch doch nun bitterlich fluchen kann — Zerstoͤrer ihr! Kalte entsetzliche Teufel! Die ihr den Pfiff versteht, die Gesetze um ihren Schutz zu betruͤgen, und außerdem die giftigste Brut seid, die man todschlagen sollte, wo man sie findet.</p> <p>Gott! Gott! Wo kommen mir jetzt die Thraͤnen her? Milder Thau des Himmels! Ach! aber auch <hi rendition="#b">sie</hi> spotten meiner! Jch soll nicht rasend werden, ich soll meine Quaal recht zergliedern, recht mit Vernunft mich martern: Darum mildern sie dieses wuͤthige Toben in mir.</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0079]
Kraft zu genießen, und schmeckten die hoͤchste Wonne des Lebens. Ha! meine Fantasie vergluͤht an dieser Ruͤckerinnerung! — Wart ihr denn nicht Rasende, als ihr mich umsonst auf den Knien flehen ließet, mir das Maͤdgen einst zum Weibe zu geben, wenn ich sie errungen, mich aufwaͤrts zum Mann und Buͤrger wuͤrde gebildet haben? Waͤre dann nicht alles wieder gut gewesen, das Verbrechen getilgt, das eure schiefen Begriffe und jaͤmmerlichen Gesetze dazu machten? Aber — Nein! Jch war arm und haͤßlich, und hatte gleichwohl die Vermessenheit gehabt des Lebens Freude zu kosten. Dies durftet ihr mir nicht verzeihen. Jhr entzogt mir euern Beistand, verstießt mich, und quaͤltet sie langsam todt mit euern Vorwuͤrfen und Haß und Verfolgung. O wohl mir, daß ich alles abgeschuͤttelt habe was fromm und sanft heißt, daß ich euch doch nun bitterlich fluchen kann — Zerstoͤrer ihr! Kalte entsetzliche Teufel! Die ihr den Pfiff versteht, die Gesetze um ihren Schutz zu betruͤgen, und außerdem die giftigste Brut seid, die man todschlagen sollte, wo man sie findet.
Gott! Gott! Wo kommen mir jetzt die Thraͤnen her? Milder Thau des Himmels! Ach! aber auch sie spotten meiner! Jch soll nicht rasend werden, ich soll meine Quaal recht zergliedern, recht mit Vernunft mich martern: Darum mildern sie dieses wuͤthige Toben in mir.
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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