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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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denen Lebensmomente oder der Mutter in die Gestalt des Vaters: -- und die Gestalt -- will Lavater, schwimmt über ins Leben, das sich in ihrer Mitte jetzt bildet. Was ist die Phantasie, daß sie ihre luftigen Gebilde hineindrucke in die schwerere gröbere Materie -- diese nachforme das schwebende Stalten des Einbildens? -- Die Natur ist nicht erkläret, wenn übernatürliche Kräfte herzueilen, ihre Produktionen zu bilden -- Phantasie Einbildungskraft in der zeugenden Werkstäte mit arbeitet. Die Physiognomik -- die für manchen mehr -- für viele weniger gesaget hat, als sie wollte, -- gründet sich auf die innern herausbildenden Elemente der Säfte -- die Physiognomie des Kindes auf die Temperatur des abgesonderten elementarischen Zeugungsstoffes -- die Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit der Kinder also mit ihren Eltern auf die Konstitution und das Verhältniß des gegenseitig hergegebenen Stoffes zur Zeugung.

Es wäre ein einziges unverletzliches Gesetz der Materie, immer in der nehmlichen staltenden Formung zu bleiben: -- wäre durch alle Geschöpfarten einem einzigen Jndividuo das Werk der Fortpflanzung überlassen worden. Jn allen Fällen wäre dafür zu stehen gewesen-- "diese nehmliche Form, diese nehmliche Gestalt tritt wieder auf --" da es nun -- bei der Theilnahme zweier Jndividuen an einem Zwecke -- in Millionen Fällen -- in


denen Lebensmomente oder der Mutter in die Gestalt des Vaters: — und die Gestalt — will Lavater, schwimmt uͤber ins Leben, das sich in ihrer Mitte jetzt bildet. Was ist die Phantasie, daß sie ihre luftigen Gebilde hineindrucke in die schwerere groͤbere Materie — diese nachforme das schwebende Stalten des Einbildens? — Die Natur ist nicht erklaͤret, wenn uͤbernatuͤrliche Kraͤfte herzueilen, ihre Produktionen zu bilden — Phantasie Einbildungskraft in der zeugenden Werkstaͤte mit arbeitet. Die Physiognomik — die fuͤr manchen mehr — fuͤr viele weniger gesaget hat, als sie wollte, — gruͤndet sich auf die innern herausbildenden Elemente der Saͤfte — die Physiognomie des Kindes auf die Temperatur des abgesonderten elementarischen Zeugungsstoffes — die Aehnlichkeit oder Unaͤhnlichkeit der Kinder also mit ihren Eltern auf die Konstitution und das Verhaͤltniß des gegenseitig hergegebenen Stoffes zur Zeugung.

Es waͤre ein einziges unverletzliches Gesetz der Materie, immer in der nehmlichen staltenden Formung zu bleiben: — waͤre durch alle Geschoͤpfarten einem einzigen Jndividuo das Werk der Fortpflanzung uͤberlassen worden. Jn allen Faͤllen waͤre dafuͤr zu stehen gewesen— »diese nehmliche Form, diese nehmliche Gestalt tritt wieder auf —« da es nun — bei der Theilnahme zweier Jndividuen an einem Zwecke — in Millionen Faͤllen — in

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[36/0036] denen Lebensmomente oder der Mutter in die Gestalt des Vaters: — und die Gestalt — will Lavater, schwimmt uͤber ins Leben, das sich in ihrer Mitte jetzt bildet. Was ist die Phantasie, daß sie ihre luftigen Gebilde hineindrucke in die schwerere groͤbere Materie — diese nachforme das schwebende Stalten des Einbildens? — Die Natur ist nicht erklaͤret, wenn uͤbernatuͤrliche Kraͤfte herzueilen, ihre Produktionen zu bilden — Phantasie Einbildungskraft in der zeugenden Werkstaͤte mit arbeitet. Die Physiognomik — die fuͤr manchen mehr — fuͤr viele weniger gesaget hat, als sie wollte, — gruͤndet sich auf die innern herausbildenden Elemente der Saͤfte — die Physiognomie des Kindes auf die Temperatur des abgesonderten elementarischen Zeugungsstoffes — die Aehnlichkeit oder Unaͤhnlichkeit der Kinder also mit ihren Eltern auf die Konstitution und das Verhaͤltniß des gegenseitig hergegebenen Stoffes zur Zeugung. Es waͤre ein einziges unverletzliches Gesetz der Materie, immer in der nehmlichen staltenden Formung zu bleiben: — waͤre durch alle Geschoͤpfarten einem einzigen Jndividuo das Werk der Fortpflanzung uͤberlassen worden. Jn allen Faͤllen waͤre dafuͤr zu stehen gewesen— »diese nehmliche Form, diese nehmliche Gestalt tritt wieder auf —« da es nun — bei der Theilnahme zweier Jndividuen an einem Zwecke — in Millionen Faͤllen — in

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/36>, abgerufen am 28.04.2024.