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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

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keine Schwierigkeit, weil in diesem Falle die Associationsart der Succession, der zweckmäßigen Verknüpfung zu Hülfe kömmt. Jst hingegen diese Verknüpfung erst neu herausgebracht, und noch in keiner Erfahrung vorgekommen, so erfordert es erstlich eine große Anstrengung um sie zu erfinden, und dann eine noch größere um sie in Ausübung zu bringen. Alle menschliche Handlungen sind mehr oder weniger vernunftmäßig, nachdem sie eine größere oder geringere Freiheit in den Jdeenverknüpfungen voraussetzen, sogar fehlerhafte, dem vorgesetzten Zweck nicht angemessene freiwillige Handlungen sind vernunftmäßiger als dem Zweck angemessene mechanische (aus Gewohnheit entsprungene) Handlungen. Gesetzt jemand stellt sich etwas als ein Gut vor, welches in der That nicht gut ist. Nun bringt er durch eine Reihe von Schlüssen diejenigen Mittel heraus, die zur Erwegung dieses vorgestellten Guten erforderlich sind. Ein andrer ist frei von diesem Jrrthum, und erlangt seinen aus der Erfahrung bekannten Zweck durch die mechanischen ihm aus Gewohnheit zur zweiten Natur gewordenen dazu als Mittel gehörigen Handlungen, da jener seinen Zweck nicht erreicht; und doch wird jeder eingestehn, daß die Handlungen des erstern in der Vernunft gegründet sind, des letztern aber nicht.

Eine noch größere Anstrengung des Geistes erfordert die Hervorbringung mehrerer Jdeenreihen,


keine Schwierigkeit, weil in diesem Falle die Associationsart der Succession, der zweckmaͤßigen Verknuͤpfung zu Huͤlfe koͤmmt. Jst hingegen diese Verknuͤpfung erst neu herausgebracht, und noch in keiner Erfahrung vorgekommen, so erfordert es erstlich eine große Anstrengung um sie zu erfinden, und dann eine noch groͤßere um sie in Ausuͤbung zu bringen. Alle menschliche Handlungen sind mehr oder weniger vernunftmaͤßig, nachdem sie eine groͤßere oder geringere Freiheit in den Jdeenverknuͤpfungen voraussetzen, sogar fehlerhafte, dem vorgesetzten Zweck nicht angemessene freiwillige Handlungen sind vernunftmaͤßiger als dem Zweck angemessene mechanische (aus Gewohnheit entsprungene) Handlungen. Gesetzt jemand stellt sich etwas als ein Gut vor, welches in der That nicht gut ist. Nun bringt er durch eine Reihe von Schluͤssen diejenigen Mittel heraus, die zur Erwegung dieses vorgestellten Guten erforderlich sind. Ein andrer ist frei von diesem Jrrthum, und erlangt seinen aus der Erfahrung bekannten Zweck durch die mechanischen ihm aus Gewohnheit zur zweiten Natur gewordenen dazu als Mittel gehoͤrigen Handlungen, da jener seinen Zweck nicht erreicht; und doch wird jeder eingestehn, daß die Handlungen des erstern in der Vernunft gegruͤndet sind, des letztern aber nicht.

Eine noch groͤßere Anstrengung des Geistes erfordert die Hervorbringung mehrerer Jdeenreihen,

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[6/0006] keine Schwierigkeit, weil in diesem Falle die Associationsart der Succession, der zweckmaͤßigen Verknuͤpfung zu Huͤlfe koͤmmt. Jst hingegen diese Verknuͤpfung erst neu herausgebracht, und noch in keiner Erfahrung vorgekommen, so erfordert es erstlich eine große Anstrengung um sie zu erfinden, und dann eine noch groͤßere um sie in Ausuͤbung zu bringen. Alle menschliche Handlungen sind mehr oder weniger vernunftmaͤßig, nachdem sie eine groͤßere oder geringere Freiheit in den Jdeenverknuͤpfungen voraussetzen, sogar fehlerhafte, dem vorgesetzten Zweck nicht angemessene freiwillige Handlungen sind vernunftmaͤßiger als dem Zweck angemessene mechanische (aus Gewohnheit entsprungene) Handlungen. Gesetzt jemand stellt sich etwas als ein Gut vor, welches in der That nicht gut ist. Nun bringt er durch eine Reihe von Schluͤssen diejenigen Mittel heraus, die zur Erwegung dieses vorgestellten Guten erforderlich sind. Ein andrer ist frei von diesem Jrrthum, und erlangt seinen aus der Erfahrung bekannten Zweck durch die mechanischen ihm aus Gewohnheit zur zweiten Natur gewordenen dazu als Mittel gehoͤrigen Handlungen, da jener seinen Zweck nicht erreicht; und doch wird jeder eingestehn, daß die Handlungen des erstern in der Vernunft gegruͤndet sind, des letztern aber nicht. Eine noch groͤßere Anstrengung des Geistes erfordert die Hervorbringung mehrerer Jdeenreihen,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/6>, abgerufen am 27.04.2024.