Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


freilich ruhig nie war, aber doch manchen Freudenrausch, so wie manche herbe Stunde verlebte, stellten sich bisher meiner Fantasie immer nur im Nebel dar, ich konnte sie mir nicht anders als im Winter denken. Jetzt erscheinen Sie mir wieder im lieblichen sanften Lichte. Jch denke gern an alle die einzelnen Plätze zurück wo ich war, und, einerlei, ob ich damals eben glücklich war oder nicht, in meiner Rückerinnerung ist nun alles lieb und schön, alles wehmüthig -- wohlthuendes Denkmal. Wie wahr! was irgendwo*) steht: Den Liebenden ist alles besser wie zuvor, Sie sehen alles in den besten Jahreszeiten, alles im Junius.

Ha! Nun war ich ja bei Jhr! Warum sagt' ich dann nichts von all den schönen Sachen, die ich mir ausgedacht hatte? -- O gestehe dies nur, armseliger Tropf, weil sie ein dünnes weißes Neglige anhatte, Du alle Jhre Reize warm und lebendig mit deinen Armen umfangen fühltest, Du nichts mehr sahst als diese regen quellenden Schenkel, um die ein dünnes Röckchen schmeichelnd floß, als diesen Busen der sich öfnete, um zwischen den

*) Lebensl. in aufst. Linie 1. Th. 236. 6. Anm. d. Herausg.


freilich ruhig nie war, aber doch manchen Freudenrausch, so wie manche herbe Stunde verlebte, stellten sich bisher meiner Fantasie immer nur im Nebel dar, ich konnte sie mir nicht anders als im Winter denken. Jetzt erscheinen Sie mir wieder im lieblichen sanften Lichte. Jch denke gern an alle die einzelnen Plaͤtze zuruͤck wo ich war, und, einerlei, ob ich damals eben gluͤcklich war oder nicht, in meiner Ruͤckerinnerung ist nun alles lieb und schoͤn, alles wehmuͤthig — wohlthuendes Denkmal. Wie wahr! was irgendwo*) steht: Den Liebenden ist alles besser wie zuvor, Sie sehen alles in den besten Jahreszeiten, alles im Junius.

Ha! Nun war ich ja bei Jhr! Warum sagt' ich dann nichts von all den schoͤnen Sachen, die ich mir ausgedacht hatte? — O gestehe dies nur, armseliger Tropf, weil sie ein duͤnnes weißes Neglige anhatte, Du alle Jhre Reize warm und lebendig mit deinen Armen umfangen fuͤhltest, Du nichts mehr sahst als diese regen quellenden Schenkel, um die ein duͤnnes Roͤckchen schmeichelnd floß, als diesen Busen der sich oͤfnete, um zwischen den

*) Lebensl. in aufst. Linie 1. Th. 236. 6. Anm. d. Herausg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/>
freilich ruhig nie war, aber doch manchen                         Freudenrausch, so wie manche herbe Stunde verlebte, stellten sich bisher                         meiner Fantasie immer nur im Nebel dar, ich konnte sie mir nicht anders als                         im Winter denken. Jetzt erscheinen Sie mir wieder im lieblichen sanften                         Lichte. Jch denke gern an alle die einzelnen Pla&#x0364;tze zuru&#x0364;ck wo ich war, und,                         einerlei, ob ich damals eben glu&#x0364;cklich war oder nicht, in meiner                         Ru&#x0364;ckerinnerung ist nun alles lieb und scho&#x0364;n, alles wehmu&#x0364;thig &#x2014; wohlthuendes                         Denkmal. Wie wahr! was irgendwo*)<note place="foot"><p>*) Lebensl. in aufst.                                 Linie 1. Th. 236. 6. Anm. d. Herausg.</p></note> steht: Den                         Liebenden ist alles besser wie zuvor, Sie sehen alles in den besten                         Jahreszeiten, alles im Junius.</p>
            </div>
            <div n="4">
              <opener>
                <dateline> <hi rendition="#right">am 18. Julius.</hi> </dateline>
              </opener>
              <p>Ha! Nun war ich ja bei Jhr! Warum sagt' ich dann nichts von                         all den scho&#x0364;nen Sachen, die ich mir ausgedacht hatte? &#x2014; O gestehe dies nur,                         armseliger Tropf, weil sie ein du&#x0364;nnes weißes Neglige anhatte, Du alle Jhre                         Reize warm und lebendig mit deinen Armen umfangen fu&#x0364;hltest, Du nichts mehr                         sahst als diese regen quellenden Schenkel, um die ein du&#x0364;nnes Ro&#x0364;ckchen                         schmeichelnd floß, als diesen Busen der sich o&#x0364;fnete, um zwischen den<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0095] freilich ruhig nie war, aber doch manchen Freudenrausch, so wie manche herbe Stunde verlebte, stellten sich bisher meiner Fantasie immer nur im Nebel dar, ich konnte sie mir nicht anders als im Winter denken. Jetzt erscheinen Sie mir wieder im lieblichen sanften Lichte. Jch denke gern an alle die einzelnen Plaͤtze zuruͤck wo ich war, und, einerlei, ob ich damals eben gluͤcklich war oder nicht, in meiner Ruͤckerinnerung ist nun alles lieb und schoͤn, alles wehmuͤthig — wohlthuendes Denkmal. Wie wahr! was irgendwo*) steht: Den Liebenden ist alles besser wie zuvor, Sie sehen alles in den besten Jahreszeiten, alles im Junius. am 18. Julius. Ha! Nun war ich ja bei Jhr! Warum sagt' ich dann nichts von all den schoͤnen Sachen, die ich mir ausgedacht hatte? — O gestehe dies nur, armseliger Tropf, weil sie ein duͤnnes weißes Neglige anhatte, Du alle Jhre Reize warm und lebendig mit deinen Armen umfangen fuͤhltest, Du nichts mehr sahst als diese regen quellenden Schenkel, um die ein duͤnnes Roͤckchen schmeichelnd floß, als diesen Busen der sich oͤfnete, um zwischen den *) Lebensl. in aufst. Linie 1. Th. 236. 6. Anm. d. Herausg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/95
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 2. Berlin, 1793, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01002_1793/95>, abgerufen am 14.05.2024.