Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
78 folg. H... von ... ein sehr ernsthafter jedoch nicht hypochondrischer Mann, gieng des Morgens aus, um einen Besuch abzustatten. Da er nun seinen Namen melden sollte, so hatte er diesen gänzlich vergessen. Er glaubte närrisch geworden zu seyn. Er wandte sich zu einem hinter ihm herkommenden Freund: Sagen sie mir um gotteswillen, wie nenne ich mich? Die Frau ... gerieth nach einer ausgestandenen Krankheit, in eine babylonische Sprachverwirrung. Nehmlich, wenn sie einen Stuhl begehrte, forderte sie einen Tisch, und wenn sie ein Buch haben wollte, forderte sie einen Spiegel u.d.g., und wenn man ihr das Wort, welches sie gesucht, und an dessen Statt sie ein anderes gesetzt hatte, vorsagte, konnte sie niemals dazu kommen, es zu wiederholen. Bisweilen merkte sie selbst, daß sie die Sache unrecht nennte, ein andermal ärgerte sie sich, da sie ihren Fächer forderte, und man ihr denselben anstatt der Haube, welche sie genannt zu haben glaubte, brachte. Diese Verwirrung dauerte einige Monate lang. Sie hatte übrigens ein so getreues
78 folg. H... von ... ein sehr ernsthafter jedoch nicht hypochondrischer Mann, gieng des Morgens aus, um einen Besuch abzustatten. Da er nun seinen Namen melden sollte, so hatte er diesen gaͤnzlich vergessen. Er glaubte naͤrrisch geworden zu seyn. Er wandte sich zu einem hinter ihm herkommenden Freund: Sagen sie mir um gotteswillen, wie nenne ich mich? Die Frau ... gerieth nach einer ausgestandenen Krankheit, in eine babylonische Sprachverwirrung. Nehmlich, wenn sie einen Stuhl begehrte, forderte sie einen Tisch, und wenn sie ein Buch haben wollte, forderte sie einen Spiegel u.d.g., und wenn man ihr das Wort, welches sie gesucht, und an dessen Statt sie ein anderes gesetzt hatte, vorsagte, konnte sie niemals dazu kommen, es zu wiederholen. Bisweilen merkte sie selbst, daß sie die Sache unrecht nennte, ein andermal aͤrgerte sie sich, da sie ihren Faͤcher forderte, und man ihr denselben anstatt der Haube, welche sie genannt zu haben glaubte, brachte. Diese Verwirrung dauerte einige Monate lang. Sie hatte uͤbrigens ein so getreues <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0106" n="106"/><lb/> natuͤrlich ist. Wie mag er also darauf gerathen seyn?</p> <p rendition="#right"> <hi rendition="#b"> <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>S. M.</persName> </hi> </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> <div n="3"> <head>78 folg.</head><lb/> <p>H... von ... ein sehr ernsthafter jedoch nicht hypochondrischer Mann, gieng des Morgens aus, um einen Besuch abzustatten. Da er nun seinen Namen melden sollte, so hatte er diesen gaͤnzlich vergessen. Er glaubte naͤrrisch geworden zu seyn. Er wandte sich zu einem hinter ihm herkommenden Freund: Sagen sie mir um gotteswillen, wie nenne ich mich?</p> <p>Die Frau ... gerieth nach einer ausgestandenen Krankheit, in eine babylonische Sprachverwirrung. Nehmlich, wenn sie einen <hi rendition="#b">Stuhl</hi> begehrte, forderte sie einen <hi rendition="#b">Tisch,</hi> und wenn sie ein <hi rendition="#b">Buch</hi> haben wollte, forderte sie einen <hi rendition="#b">Spiegel</hi> u.d.g., und wenn man ihr das Wort, welches sie gesucht, und an dessen Statt sie ein anderes gesetzt hatte, vorsagte, konnte sie niemals dazu kommen, es zu wiederholen.</p> <p>Bisweilen merkte sie selbst, daß sie die Sache unrecht nennte, ein andermal aͤrgerte sie sich, da sie ihren <hi rendition="#b">Faͤcher</hi> forderte, und man ihr denselben anstatt der <hi rendition="#b">Haube,</hi> welche sie genannt zu haben glaubte, brachte. Diese Verwirrung dauerte einige Monate lang. Sie hatte uͤbrigens ein so getreues<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0106]
natuͤrlich ist. Wie mag er also darauf gerathen seyn?
S. M.
78 folg.
H... von ... ein sehr ernsthafter jedoch nicht hypochondrischer Mann, gieng des Morgens aus, um einen Besuch abzustatten. Da er nun seinen Namen melden sollte, so hatte er diesen gaͤnzlich vergessen. Er glaubte naͤrrisch geworden zu seyn. Er wandte sich zu einem hinter ihm herkommenden Freund: Sagen sie mir um gotteswillen, wie nenne ich mich?
Die Frau ... gerieth nach einer ausgestandenen Krankheit, in eine babylonische Sprachverwirrung. Nehmlich, wenn sie einen Stuhl begehrte, forderte sie einen Tisch, und wenn sie ein Buch haben wollte, forderte sie einen Spiegel u.d.g., und wenn man ihr das Wort, welches sie gesucht, und an dessen Statt sie ein anderes gesetzt hatte, vorsagte, konnte sie niemals dazu kommen, es zu wiederholen.
Bisweilen merkte sie selbst, daß sie die Sache unrecht nennte, ein andermal aͤrgerte sie sich, da sie ihren Faͤcher forderte, und man ihr denselben anstatt der Haube, welche sie genannt zu haben glaubte, brachte. Diese Verwirrung dauerte einige Monate lang. Sie hatte uͤbrigens ein so getreues
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| Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/106>, abgerufen am 22.12.2024. |
