Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
Die Lesung der heiligen Schrift, besonders des Buchs Judith, vermehrte noch seinen Enthusiasmus und bestimmte ihn den Obristen (den er mit Holofernes verglich) zu ermorden, welche grausame That er an ihm wirklich vollzog. III. 58-62. Einen jungen Menschen, der mit seinem jüngern Bruder in einem Bette schlief, überfiel einst der Gedanke, er solle diesen mit dem auf dem Tische liegenden Federmesser erstechen. Die brüderliche Liebe kämpfte eine lange Zeit mit diesem Vorsatz. Er umarmte den so unbekümmert Schlafenden, küßte ihn, stand auf, ergriff das Messer, legte es zusammen, und verbarg es sorgfältig zwischen Bücher und Papier, legte sich wieder zu ihm nieder, umarmte ihn nochmals und -- betete.
Die Lesung der heiligen Schrift, besonders des Buchs Judith, vermehrte noch seinen Enthusiasmus und bestimmte ihn den Obristen (den er mit Holofernes verglich) zu ermorden, welche grausame That er an ihm wirklich vollzog. III. 58-62. Einen jungen Menschen, der mit seinem juͤngern Bruder in einem Bette schlief, uͤberfiel einst der Gedanke, er solle diesen mit dem auf dem Tische liegenden Federmesser erstechen. Die bruͤderliche Liebe kaͤmpfte eine lange Zeit mit diesem Vorsatz. Er umarmte den so unbekuͤmmert Schlafenden, kuͤßte ihn, stand auf, ergriff das Messer, legte es zusammen, und verbarg es sorgfaͤltig zwischen Buͤcher und Papier, legte sich wieder zu ihm nieder, umarmte ihn nochmals und — betete. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0061" n="61"/><lb/> lancholie geneigt, worin er durch verdruͤßliche Zufaͤlle noch immer tiefer gerathen war, erwachte einst um zwoͤlf Uhr in der Nacht mit dem Gedanken, an das betruͤbte Kriegeswesen, und daß Gott den Obristen von .... durch einen schleunigen Tod von dieser Welt absondern wolle, mit einem grausamen Antrieb, den er fuͤr eine besondere <hi rendition="#b">goͤttliche Eingebung</hi> hielt, daß jene That durch ihn geschehen sollte.</p> <p>Die Lesung der heiligen Schrift, besonders des Buchs Judith, vermehrte noch seinen Enthusiasmus und bestimmte ihn den Obristen (den er mit Holofernes verglich) zu ermorden, welche grausame That er an ihm wirklich vollzog.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">III</hi>. 58-62. </head><lb/> <p>Einen jungen Menschen, der mit seinem juͤngern Bruder in einem Bette schlief, uͤberfiel einst der Gedanke, <hi rendition="#b">er solle diesen mit dem auf dem Tische liegenden Federmesser erstechen.</hi></p> <p>Die bruͤderliche Liebe kaͤmpfte eine lange Zeit mit diesem Vorsatz. Er umarmte den so unbekuͤmmert Schlafenden, kuͤßte ihn, stand auf, ergriff das Messer, legte es zusammen, und verbarg es sorgfaͤltig zwischen Buͤcher und Papier, legte sich wieder zu ihm nieder, umarmte ihn nochmals und — betete.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0061]
lancholie geneigt, worin er durch verdruͤßliche Zufaͤlle noch immer tiefer gerathen war, erwachte einst um zwoͤlf Uhr in der Nacht mit dem Gedanken, an das betruͤbte Kriegeswesen, und daß Gott den Obristen von .... durch einen schleunigen Tod von dieser Welt absondern wolle, mit einem grausamen Antrieb, den er fuͤr eine besondere goͤttliche Eingebung hielt, daß jene That durch ihn geschehen sollte.
Die Lesung der heiligen Schrift, besonders des Buchs Judith, vermehrte noch seinen Enthusiasmus und bestimmte ihn den Obristen (den er mit Holofernes verglich) zu ermorden, welche grausame That er an ihm wirklich vollzog.
III. 58-62.
Einen jungen Menschen, der mit seinem juͤngern Bruder in einem Bette schlief, uͤberfiel einst der Gedanke, er solle diesen mit dem auf dem Tische liegenden Federmesser erstechen.
Die bruͤderliche Liebe kaͤmpfte eine lange Zeit mit diesem Vorsatz. Er umarmte den so unbekuͤmmert Schlafenden, kuͤßte ihn, stand auf, ergriff das Messer, legte es zusammen, und verbarg es sorgfaͤltig zwischen Buͤcher und Papier, legte sich wieder zu ihm nieder, umarmte ihn nochmals und — betete.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |