Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
18-22. Eine Ehefrau, die sehr glücklich mit ihrem Manne lebte, wurde durch eine Reise, die dieser vornehmen mußte, auf einige Zeit von demselben getrennt. Sie tröstete sich während dieser Zeit mit den von ihrem Manne erhaltenen Briefen, und als sie einmal über der Lesung eines solchen Briefs einschlief, worin ihr Mann sie seines Wohlbefindens versicherte, wachte sie auf einmal mit einem kreischenden Geschrei auf. "Mein Mann ist dahin, sagte sie zu den Umstehenden, ich habe ihn eben sterben gesehen. Er war an einer Wasserquelle, um welche einige Bäume herum standen, sein Gesicht war todtenblaß; ein Offizier in einem blauen Kleide bemühte sich das Blut zu stillen, das aus einer großen Wunde an seiner Seite floß. "Er gab ihm darauf aus seinem Huthe zu trinken u.s.w." Man gab sich alle mögliche Mühe sie zu beruhigen. Aber vergebens.
18-22. Eine Ehefrau, die sehr gluͤcklich mit ihrem Manne lebte, wurde durch eine Reise, die dieser vornehmen mußte, auf einige Zeit von demselben getrennt. Sie troͤstete sich waͤhrend dieser Zeit mit den von ihrem Manne erhaltenen Briefen, und als sie einmal uͤber der Lesung eines solchen Briefs einschlief, worin ihr Mann sie seines Wohlbefindens versicherte, wachte sie auf einmal mit einem kreischenden Geschrei auf. »Mein Mann ist dahin, sagte sie zu den Umstehenden, ich habe ihn eben sterben gesehen. Er war an einer Wasserquelle, um welche einige Baͤume herum standen, sein Gesicht war todtenblaß; ein Offizier in einem blauen Kleide bemuͤhte sich das Blut zu stillen, das aus einer großen Wunde an seiner Seite floß. »Er gab ihm darauf aus seinem Huthe zu trinken u.s.w.« Man gab sich alle moͤgliche Muͤhe sie zu beruhigen. Aber vergebens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0075" n="75"/><lb/> aussprechliche Seelenangst versetzt, ohne daß sie Kraft hatte, dieses zu aͤußern. Diese Seelenangst ist zuletzt aufs hoͤchste gestiegen, als man die Sterbelieder zu singen und den Sarg zuzunageln angefangen hatte, und aͤußerte sich endlich in einer heftigen Muskelbewegung und einem kreischenden Geschrei.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="3"> <head>18-22.</head><lb/> <p>Eine Ehefrau, die sehr gluͤcklich mit ihrem Manne lebte, wurde durch eine Reise, die dieser vornehmen mußte, auf einige Zeit von demselben getrennt. Sie troͤstete sich waͤhrend dieser Zeit mit den von ihrem Manne erhaltenen Briefen, und als sie einmal uͤber der Lesung eines solchen Briefs einschlief, worin ihr Mann sie seines Wohlbefindens versicherte, wachte sie auf einmal mit einem <hi rendition="#b">kreischenden</hi> Geschrei auf. <hi rendition="#b">»Mein Mann ist dahin,</hi> sagte sie zu den Umstehenden, <hi rendition="#b">ich habe ihn eben sterben gesehen.</hi> Er war an einer Wasserquelle, um welche einige Baͤume herum standen, sein Gesicht war todtenblaß; ein Offizier in einem blauen Kleide bemuͤhte sich das Blut zu stillen, das aus einer großen Wunde an seiner Seite floß. »Er gab ihm darauf aus seinem Huthe zu trinken u.s.w.« Man gab sich alle moͤgliche Muͤhe sie zu beruhigen. Aber vergebens.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0075]
aussprechliche Seelenangst versetzt, ohne daß sie Kraft hatte, dieses zu aͤußern. Diese Seelenangst ist zuletzt aufs hoͤchste gestiegen, als man die Sterbelieder zu singen und den Sarg zuzunageln angefangen hatte, und aͤußerte sich endlich in einer heftigen Muskelbewegung und einem kreischenden Geschrei.
18-22.
Eine Ehefrau, die sehr gluͤcklich mit ihrem Manne lebte, wurde durch eine Reise, die dieser vornehmen mußte, auf einige Zeit von demselben getrennt. Sie troͤstete sich waͤhrend dieser Zeit mit den von ihrem Manne erhaltenen Briefen, und als sie einmal uͤber der Lesung eines solchen Briefs einschlief, worin ihr Mann sie seines Wohlbefindens versicherte, wachte sie auf einmal mit einem kreischenden Geschrei auf. »Mein Mann ist dahin, sagte sie zu den Umstehenden, ich habe ihn eben sterben gesehen. Er war an einer Wasserquelle, um welche einige Baͤume herum standen, sein Gesicht war todtenblaß; ein Offizier in einem blauen Kleide bemuͤhte sich das Blut zu stillen, das aus einer großen Wunde an seiner Seite floß. »Er gab ihm darauf aus seinem Huthe zu trinken u.s.w.« Man gab sich alle moͤgliche Muͤhe sie zu beruhigen. Aber vergebens.
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