Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.
Er war standhaft im Glück und Unglück, und suchte die größten Leiden des Gemüths durch selbstgewählte körperliche Leiden zu überwinden. Auch war er in Freundschaft beständig. Er heirathete ein Mädchen, in welches er sich im Traume verliebt hatte. Schon in seiner Jugend hatte er die sonderbarsten Erscheinungen im Traume. Allerhand Luftbilder schwebten ihm vor. Sehr oft sahe er auch im Traume einen Hahn, vor dem er sich fürchtete, daß er nicht einmal mit menschlicher Stimme zu reden anfangen möchte, welches auch kurz darauf zu geschehen pflegte. Es waren gemeiniglich Drohworte, deren er sich nicht mehr zu erinnern vermochte. Der Hahn hatte rothe Federn, einen rothen Kamm und Backenbart, den er wohl hundertmal gesehen hatte. Als er zum Knaben heranwuchs, verloren sich die obigen Erscheinungen, und es traten andere an ihre Stelle, die hernach beständig blieben, obgleich, nachdem er seine Probleme geschrieben und bekannt gemacht hatte, eine jener Erscheinungen bisweilen aussen blieb. Die eine besteht darin, daß er, so oft er die Augen gen Himmel richte, den Mond
Er war standhaft im Gluͤck und Ungluͤck, und suchte die groͤßten Leiden des Gemuͤths durch selbstgewaͤhlte koͤrperliche Leiden zu uͤberwinden. Auch war er in Freundschaft bestaͤndig. Er heirathete ein Maͤdchen, in welches er sich im Traume verliebt hatte. Schon in seiner Jugend hatte er die sonderbarsten Erscheinungen im Traume. Allerhand Luftbilder schwebten ihm vor. Sehr oft sahe er auch im Traume einen Hahn, vor dem er sich fuͤrchtete, daß er nicht einmal mit menschlicher Stimme zu reden anfangen moͤchte, welches auch kurz darauf zu geschehen pflegte. Es waren gemeiniglich Drohworte, deren er sich nicht mehr zu erinnern vermochte. Der Hahn hatte rothe Federn, einen rothen Kamm und Backenbart, den er wohl hundertmal gesehen hatte. Als er zum Knaben heranwuchs, verloren sich die obigen Erscheinungen, und es traten andere an ihre Stelle, die hernach bestaͤndig blieben, obgleich, nachdem er seine Probleme geschrieben und bekannt gemacht hatte, eine jener Erscheinungen bisweilen aussen blieb. Die eine besteht darin, daß er, so oft er die Augen gen Himmel richte, den Mond <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/><lb/> keinen Aufschub leiden. Dieses suchten sich seine Feinde zu Nutze zu machen; und haͤtte er sich nicht angewoͤhnt, uͤber keine Sache, die er freiwillig unternahm, wenn sie auch schlecht ablief, keine Reue zu empfinden, so waͤre er sehr ungluͤcklich gewesen.</p> <p>Er war standhaft im Gluͤck und Ungluͤck, und suchte die groͤßten Leiden des Gemuͤths durch selbstgewaͤhlte koͤrperliche Leiden zu uͤberwinden. Auch war er in Freundschaft bestaͤndig.</p> <p>Er heirathete ein Maͤdchen, in welches er sich im Traume verliebt hatte.</p> <p>Schon in seiner Jugend hatte er die sonderbarsten Erscheinungen im Traume. Allerhand Luftbilder schwebten ihm vor. Sehr oft sahe er auch im Traume einen Hahn, vor dem er sich fuͤrchtete, daß er nicht einmal mit menschlicher Stimme zu reden anfangen moͤchte, welches auch kurz darauf zu geschehen pflegte. Es waren gemeiniglich Drohworte, deren er sich nicht mehr zu erinnern vermochte. Der Hahn hatte rothe Federn, einen rothen Kamm und Backenbart, den er wohl hundertmal gesehen hatte.</p> <p>Als er zum Knaben heranwuchs, verloren sich die obigen Erscheinungen, und es traten andere an ihre Stelle, die hernach bestaͤndig blieben, obgleich, nachdem er seine Probleme geschrieben und bekannt gemacht hatte, eine jener Erscheinungen bisweilen aussen blieb. Die eine besteht darin, daß er, so oft er die Augen gen Himmel richte, den Mond<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
keinen Aufschub leiden. Dieses suchten sich seine Feinde zu Nutze zu machen; und haͤtte er sich nicht angewoͤhnt, uͤber keine Sache, die er freiwillig unternahm, wenn sie auch schlecht ablief, keine Reue zu empfinden, so waͤre er sehr ungluͤcklich gewesen.
Er war standhaft im Gluͤck und Ungluͤck, und suchte die groͤßten Leiden des Gemuͤths durch selbstgewaͤhlte koͤrperliche Leiden zu uͤberwinden. Auch war er in Freundschaft bestaͤndig.
Er heirathete ein Maͤdchen, in welches er sich im Traume verliebt hatte.
Schon in seiner Jugend hatte er die sonderbarsten Erscheinungen im Traume. Allerhand Luftbilder schwebten ihm vor. Sehr oft sahe er auch im Traume einen Hahn, vor dem er sich fuͤrchtete, daß er nicht einmal mit menschlicher Stimme zu reden anfangen moͤchte, welches auch kurz darauf zu geschehen pflegte. Es waren gemeiniglich Drohworte, deren er sich nicht mehr zu erinnern vermochte. Der Hahn hatte rothe Federn, einen rothen Kamm und Backenbart, den er wohl hundertmal gesehen hatte.
Als er zum Knaben heranwuchs, verloren sich die obigen Erscheinungen, und es traten andere an ihre Stelle, die hernach bestaͤndig blieben, obgleich, nachdem er seine Probleme geschrieben und bekannt gemacht hatte, eine jener Erscheinungen bisweilen aussen blieb. Die eine besteht darin, daß er, so oft er die Augen gen Himmel richte, den Mond
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |