Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.Einige Tage vor den 23sten May traf ihn einer seiner Kameraden Nahmens Kendler auf dem Kirchhofe an, und ging mit ihm spatzieren. Völkner unterhielt, dieses Kendlers Aussage nach, lauter geistliche und gute Gespräche mit ihm, wo er auch unter andern sagte, daß Gott den Menschen so viel Gutes erzeige, und diese demohngeachtet so sehr zum Bösen geneigt wären. Als unter diesen Gesprächen der Abend herauf kam, und die Sterne etwas sichtbar wurden, fing Völkner an: diese Sterne sind unsere Vorboten, man muß sich bestreben, bald dorthin zu kommen! Seiner Aussage nach, hatte Völkner schon lange den Gedanken mit sich herum getragen, einmal ein Kind zu ermorden, (um vielleicht auf die Weise, wenn er sich nach vollbrachter Mordthat bekehrt hätte, desto eher dorthin zu kommen, in jenes beßre Leben, wohin er sich sehnte) drei Wochen aber vor seiner That hatte er eine besondere Angst und Bangigkeit, es war ihm immer, als ob er jemanden umbringen müsse. Zuweilen schlief er ruhig, zuweilen aber nicht, und gleich beim Anbruch des Tages erwachten mit ihm die Gedanken zu morden. Als man ihn im Verhör fragte, warum er diese Aengstlichkeit nicht dem Feldwebel oder seinen Kameraden, oder dem Feldprediger entdeckte, gab er hönischlächelnd zur Antwort, weil er es nicht gewollt! was aber den Prediger anbeträfe, der hätte ihm doch nicht helfen können. Einige Tage vor den 23sten May traf ihn einer seiner Kameraden Nahmens Kendler auf dem Kirchhofe an, und ging mit ihm spatzieren. Voͤlkner unterhielt, dieses Kendlers Aussage nach, lauter geistliche und gute Gespraͤche mit ihm, wo er auch unter andern sagte, daß Gott den Menschen so viel Gutes erzeige, und diese demohngeachtet so sehr zum Boͤsen geneigt waͤren. Als unter diesen Gespraͤchen der Abend herauf kam, und die Sterne etwas sichtbar wurden, fing Voͤlkner an: diese Sterne sind unsere Vorboten, man muß sich bestreben, bald dorthin zu kommen! Seiner Aussage nach, hatte Voͤlkner schon lange den Gedanken mit sich herum getragen, einmal ein Kind zu ermorden, (um vielleicht auf die Weise, wenn er sich nach vollbrachter Mordthat bekehrt haͤtte, desto eher dorthin zu kommen, in jenes beßre Leben, wohin er sich sehnte) drei Wochen aber vor seiner That hatte er eine besondere Angst und Bangigkeit, es war ihm immer, als ob er jemanden umbringen muͤsse. Zuweilen schlief er ruhig, zuweilen aber nicht, und gleich beim Anbruch des Tages erwachten mit ihm die Gedanken zu morden. Als man ihn im Verhoͤr fragte, warum er diese Aengstlichkeit nicht dem Feldwebel oder seinen Kameraden, oder dem Feldprediger entdeckte, gab er hoͤnischlaͤchelnd zur Antwort, weil er es nicht gewollt! was aber den Prediger anbetraͤfe, der haͤtte ihm doch nicht helfen koͤnnen. <TEI> <text> <body> <div> <div> <pb facs="#f0018" n="14"/><lb/> <p>Einige Tage vor den 23sten May traf ihn einer seiner Kameraden Nahmens Kendler auf dem Kirchhofe an, und ging mit ihm spatzieren. Voͤlkner unterhielt, dieses Kendlers Aussage nach, lauter geistliche und gute Gespraͤche mit ihm, wo er auch unter andern sagte, daß Gott den Menschen so viel Gutes erzeige, und diese demohngeachtet so sehr zum Boͤsen geneigt waͤren. Als unter diesen Gespraͤchen der Abend herauf kam, und die Sterne etwas sichtbar wurden, fing Voͤlkner an: diese Sterne sind unsere Vorboten, <hi rendition="#b">man muß sich bestreben, bald dorthin zu kommen!</hi></p> <p>Seiner Aussage nach, hatte Voͤlkner schon lange den Gedanken mit sich herum getragen, einmal ein Kind zu ermorden, (um vielleicht auf die Weise, wenn er sich nach vollbrachter Mordthat bekehrt haͤtte, desto eher <hi rendition="#b">dorthin</hi> zu kommen, in jenes beßre Leben, wohin er sich sehnte) drei Wochen aber vor seiner That hatte er eine besondere Angst und Bangigkeit, es war ihm immer, als ob er jemanden umbringen muͤsse. Zuweilen schlief er ruhig, zuweilen aber nicht, und gleich beim Anbruch des Tages erwachten mit ihm die Gedanken zu morden. Als man ihn im Verhoͤr fragte, warum er diese Aengstlichkeit nicht dem Feldwebel oder seinen Kameraden, oder dem Feldprediger entdeckte, gab er hoͤnischlaͤchelnd zur Antwort, <hi rendition="#b">weil er es nicht gewollt!</hi> was aber den Prediger anbetraͤfe, der haͤtte ihm doch nicht helfen koͤnnen. </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0018]
Einige Tage vor den 23sten May traf ihn einer seiner Kameraden Nahmens Kendler auf dem Kirchhofe an, und ging mit ihm spatzieren. Voͤlkner unterhielt, dieses Kendlers Aussage nach, lauter geistliche und gute Gespraͤche mit ihm, wo er auch unter andern sagte, daß Gott den Menschen so viel Gutes erzeige, und diese demohngeachtet so sehr zum Boͤsen geneigt waͤren. Als unter diesen Gespraͤchen der Abend herauf kam, und die Sterne etwas sichtbar wurden, fing Voͤlkner an: diese Sterne sind unsere Vorboten, man muß sich bestreben, bald dorthin zu kommen!
Seiner Aussage nach, hatte Voͤlkner schon lange den Gedanken mit sich herum getragen, einmal ein Kind zu ermorden, (um vielleicht auf die Weise, wenn er sich nach vollbrachter Mordthat bekehrt haͤtte, desto eher dorthin zu kommen, in jenes beßre Leben, wohin er sich sehnte) drei Wochen aber vor seiner That hatte er eine besondere Angst und Bangigkeit, es war ihm immer, als ob er jemanden umbringen muͤsse. Zuweilen schlief er ruhig, zuweilen aber nicht, und gleich beim Anbruch des Tages erwachten mit ihm die Gedanken zu morden. Als man ihn im Verhoͤr fragte, warum er diese Aengstlichkeit nicht dem Feldwebel oder seinen Kameraden, oder dem Feldprediger entdeckte, gab er hoͤnischlaͤchelnd zur Antwort, weil er es nicht gewollt! was aber den Prediger anbetraͤfe, der haͤtte ihm doch nicht helfen koͤnnen.
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