Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.
Den 19ten stand ich völlig gesund auf. Es war eine grimmige Kälte; ich hatte häufige Geschäfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Länger konnte ich's nicht aushalten. Jch fühlte meinen ganzen Körper durchfroren, müde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein drückender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschäftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner künftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends überfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefühl, das ich noch nie aus eigner Er-
Den 19ten stand ich voͤllig gesund auf. Es war eine grimmige Kaͤlte; ich hatte haͤufige Geschaͤfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Laͤnger konnte ich's nicht aushalten. Jch fuͤhlte meinen ganzen Koͤrper durchfroren, muͤde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein druͤckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschaͤftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner kuͤnftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends uͤberfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefuͤhl, das ich noch nie aus eigner Er- <TEI> <text> <body> <div> <div> <p><pb facs="#f0052" n="48"/><lb/> nehmen. Meine Arbeit schien zu gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven allmaͤhlich geschwaͤcht, meine Verdauungskraͤfte uͤber den Haufen geworfen, ohne daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der mindesten Gelegenheit uͤberzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf mit einem geringen Grad meiner gewoͤhnlichen Migraͤne. Sie nicht achtend, machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den uͤbrigen Theil desselben ganz vergnuͤgt bei meinen Schwiegereltern zu. </p> <p>Den 19ten stand ich voͤllig gesund auf. Es war eine grimmige Kaͤlte; ich hatte haͤufige Geschaͤfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Laͤnger konnte ich's nicht aushalten. Jch fuͤhlte meinen ganzen Koͤrper durchfroren, muͤde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein druͤckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschaͤftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner kuͤnftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends uͤberfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefuͤhl, das ich noch nie aus eigner Er-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0052]
nehmen. Meine Arbeit schien zu gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven allmaͤhlich geschwaͤcht, meine Verdauungskraͤfte uͤber den Haufen geworfen, ohne daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der mindesten Gelegenheit uͤberzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf mit einem geringen Grad meiner gewoͤhnlichen Migraͤne. Sie nicht achtend, machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den uͤbrigen Theil desselben ganz vergnuͤgt bei meinen Schwiegereltern zu.
Den 19ten stand ich voͤllig gesund auf. Es war eine grimmige Kaͤlte; ich hatte haͤufige Geschaͤfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Laͤnger konnte ich's nicht aushalten. Jch fuͤhlte meinen ganzen Koͤrper durchfroren, muͤde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein druͤckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschaͤftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner kuͤnftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends uͤberfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefuͤhl, das ich noch nie aus eigner Er-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/52>, abgerufen am 27.07.2024. |