Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite


nehmen. Meine Arbeit schien zu gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven allmählich geschwächt, meine Verdauungskräfte über den Haufen geworfen, ohne daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der mindesten Gelegenheit überzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf mit einem geringen Grad meiner gewöhnlichen Migräne. Sie nicht achtend, machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den übrigen Theil desselben ganz vergnügt bei meinen Schwiegereltern zu.

Den 19ten stand ich völlig gesund auf. Es war eine grimmige Kälte; ich hatte häufige Geschäfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Länger konnte ich's nicht aushalten. Jch fühlte meinen ganzen Körper durchfroren, müde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein drückender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschäftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner künftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends überfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefühl, das ich noch nie aus eigner Er-


nehmen. Meine Arbeit schien zu gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven allmaͤhlich geschwaͤcht, meine Verdauungskraͤfte uͤber den Haufen geworfen, ohne daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der mindesten Gelegenheit uͤberzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf mit einem geringen Grad meiner gewoͤhnlichen Migraͤne. Sie nicht achtend, machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den uͤbrigen Theil desselben ganz vergnuͤgt bei meinen Schwiegereltern zu.

Den 19ten stand ich voͤllig gesund auf. Es war eine grimmige Kaͤlte; ich hatte haͤufige Geschaͤfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Laͤnger konnte ich's nicht aushalten. Jch fuͤhlte meinen ganzen Koͤrper durchfroren, muͤde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein druͤckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschaͤftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner kuͤnftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends uͤberfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefuͤhl, das ich noch nie aus eigner Er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0052" n="48"/><lb/>
nehmen. Meine Arbeit schien zu                         gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven                         allma&#x0364;hlich geschwa&#x0364;cht, meine Verdauungskra&#x0364;fte u&#x0364;ber den Haufen geworfen, ohne                         daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der                         mindesten Gelegenheit u&#x0364;berzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf                         mit einem geringen Grad meiner gewo&#x0364;hnlichen Migra&#x0364;ne. Sie nicht achtend,                         machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so                         heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war                         alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den u&#x0364;brigen                         Theil desselben ganz vergnu&#x0364;gt bei meinen Schwiegereltern zu. </p>
          <p>Den 19ten stand ich vo&#x0364;llig gesund auf. Es war eine grimmige Ka&#x0364;lte; ich hatte                         ha&#x0364;ufige Gescha&#x0364;fte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. La&#x0364;nger                         konnte ich's nicht aushalten. Jch fu&#x0364;hlte meinen ganzen Ko&#x0364;rper durchfroren,                         mu&#x0364;de und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und                         sogleich stellte sich ein dru&#x0364;ckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne                         Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch bescha&#x0364;ftigte mich in                         Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner                         ku&#x0364;nftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends u&#x0364;berfiel mich                         auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefu&#x0364;hl, das ich noch nie aus eigner                             Er-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0052] nehmen. Meine Arbeit schien zu gedeihen, und so ward ich von Pflicht und Eitelkeit gespornt, meine Nerven allmaͤhlich geschwaͤcht, meine Verdauungskraͤfte uͤber den Haufen geworfen, ohne daß ich auf alles dieses merkte, bis das Maaß zu voll ward, um nicht bei der mindesten Gelegenheit uͤberzulaufen. Montag den 18ten November stand ich auf mit einem geringen Grad meiner gewoͤhnlichen Migraͤne. Sie nicht achtend, machte ich mich aus bei meinen Kranken, sie ward aber gegen Mittag so heftig, daß ich zu Hause mußte, und ein Vomitiv nahm. Des Nachmittags war alles gut. Jch besuchte des Abends noch Kranke, und brachte den uͤbrigen Theil desselben ganz vergnuͤgt bei meinen Schwiegereltern zu. Den 19ten stand ich voͤllig gesund auf. Es war eine grimmige Kaͤlte; ich hatte haͤufige Geschaͤfte, und lief von neun bis gegen zwei Uhr zu Fuß herum. Laͤnger konnte ich's nicht aushalten. Jch fuͤhlte meinen ganzen Koͤrper durchfroren, muͤde und einigermassen niedergeschlagen, kam nach Hause mißmuthig, und sogleich stellte sich ein druͤckender Schmerz im Hinterhaupt ein. Jch aß ohne Lust. Der Nachmittag war indessen wieder gut. Jch beschaͤftigte mich in Gesellschaft einiger Studenten ein Gehirn zu zerschneiden, um mich zu meiner kuͤnftigen Vorlesung vorzubereiten. Um sieben Uhr des Abends uͤberfiel mich auf einmahl ein gewisses Krankheitsgefuͤhl, das ich noch nie aus eigner Er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/52
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 2. Berlin, 1783, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0102_1783/52>, abgerufen am 04.12.2024.