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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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sah ihn verächtlich an. Wir woll'n Jhm das Betzen*)schon anstreichen! fuhr er fort. Nun konnt ich nicht länger. Bube, sagt' ich, schweig! -- Bürschchen, fing einer hinter mir an, und kriegte mich beim Ohrläppchen. Jch riß mich los wie ein Rasender, ergrif eine gläserne Wasserbouteille, die auf dem Tische stand, und warf sie ihm mit solcher Gewalt an den Kopf, daß er über und über blutete. Jch faßte ihn, aber das Blut strömte so warm über meine Hand, daß ich sie zurückzog. Man sagte zu diesem ganzen Auftritte kein Wort. Die Größern liefen durch die Kammer und ich blieb mit einigen Kleinern zurück. "Das war Recht, fing der Eine an, der denkt immer, er ist der Stärkste." Jch schämte mich, und sprach kein Wort, bis ich zu Bette ging.

Dies war mein erster Tag -- denken Sie sich alle diese Auftritte und dabei mich! Wie geliebt war ich in Jhrem Hause, und wie geehrt von meinen Mitschülern! -- Jnzwischen verhielt man sich gegen mich ruhig, und ob ich mich gleich bis um zwölf schlaflos im Bette herumwälzte, so schlief ich doch von da an fest ein, bis mich ein ungeheurer Lerm um fünf Uhr weckte. Jch sprang

*) So nennt man es auf dem Waisenhause, wenn einer den andern verräth oder anklagt, und wird für die niederträchtigste Handlung bei den Schülern gehalten.


sah ihn veraͤchtlich an. Wir woll'n Jhm das Betzen*)schon anstreichen! fuhr er fort. Nun konnt ich nicht laͤnger. Bube, sagt' ich, schweig! ― Buͤrschchen, fing einer hinter mir an, und kriegte mich beim Ohrlaͤppchen. Jch riß mich los wie ein Rasender, ergrif eine glaͤserne Wasserbouteille, die auf dem Tische stand, und warf sie ihm mit solcher Gewalt an den Kopf, daß er uͤber und uͤber blutete. Jch faßte ihn, aber das Blut stroͤmte so warm uͤber meine Hand, daß ich sie zuruͤckzog. Man sagte zu diesem ganzen Auftritte kein Wort. Die Groͤßern liefen durch die Kammer und ich blieb mit einigen Kleinern zuruͤck. »Das war Recht, fing der Eine an, der denkt immer, er ist der Staͤrkste.« Jch schaͤmte mich, und sprach kein Wort, bis ich zu Bette ging.

Dies war mein erster Tag ― denken Sie sich alle diese Auftritte und dabei mich! Wie geliebt war ich in Jhrem Hause, und wie geehrt von meinen Mitschuͤlern! ― Jnzwischen verhielt man sich gegen mich ruhig, und ob ich mich gleich bis um zwoͤlf schlaflos im Bette herumwaͤlzte, so schlief ich doch von da an fest ein, bis mich ein ungeheurer Lerm um fuͤnf Uhr weckte. Jch sprang

*) So nennt man es auf dem Waisenhause, wenn einer den andern verraͤth oder anklagt, und wird fuͤr die niedertraͤchtigste Handlung bei den Schuͤlern gehalten.
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[16/0020] sah ihn veraͤchtlich an. Wir woll'n Jhm das Betzen*) schon anstreichen! fuhr er fort. Nun konnt ich nicht laͤnger. Bube, sagt' ich, schweig! ― Buͤrschchen, fing einer hinter mir an, und kriegte mich beim Ohrlaͤppchen. Jch riß mich los wie ein Rasender, ergrif eine glaͤserne Wasserbouteille, die auf dem Tische stand, und warf sie ihm mit solcher Gewalt an den Kopf, daß er uͤber und uͤber blutete. Jch faßte ihn, aber das Blut stroͤmte so warm uͤber meine Hand, daß ich sie zuruͤckzog. Man sagte zu diesem ganzen Auftritte kein Wort. Die Groͤßern liefen durch die Kammer und ich blieb mit einigen Kleinern zuruͤck. »Das war Recht, fing der Eine an, der denkt immer, er ist der Staͤrkste.« Jch schaͤmte mich, und sprach kein Wort, bis ich zu Bette ging. Dies war mein erster Tag ― denken Sie sich alle diese Auftritte und dabei mich! Wie geliebt war ich in Jhrem Hause, und wie geehrt von meinen Mitschuͤlern! ― Jnzwischen verhielt man sich gegen mich ruhig, und ob ich mich gleich bis um zwoͤlf schlaflos im Bette herumwaͤlzte, so schlief ich doch von da an fest ein, bis mich ein ungeheurer Lerm um fuͤnf Uhr weckte. Jch sprang *) So nennt man es auf dem Waisenhause, wenn einer den andern verraͤth oder anklagt, und wird fuͤr die niedertraͤchtigste Handlung bei den Schuͤlern gehalten.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/20>, abgerufen am 21.11.2024.