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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783.

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Nun glaubte sie also wohl, daß ein allmächtiger Gott wäre. Und so giengen wir das Pflanzenreich auch mit einander durch. Da sie vorher natürlicher Weise mußte gedacht haben: daß das alles von dem Fleiße der Menschen herrührte, und die Erde solches alles hervorbrächte, so lernte sie nun einsehen, daß wenn es nicht regnete, alles auf dem Lande vertrocknete, oder wenn keine Sonne schiene, daß es denn im Wachsthum damit nicht fort wollte, wie ihr denn solches am besten bekannt war, weil sie mit Gartengewächse zum Verkauf umzugehen pflegte. Nun faßte sie es auch gar bald, daß alles von einem allmächtigen Wesen, auch das Leben, und die Gesundheit der Menschen abhinge.

Da ich nun überzeuget war: daß sie Gott aus dem Reiche der Natur mit vieler Gewisheit und Ueberzeugung hatte kennen lernen; so giengen wir zum zweiten Beweise: nehmlich zu dem Zeugniß des Gewissens. Jch suchte ihr unter allerlei Begebenheiten vorzustellen, daß ein Mensch nicht immer einerlei Gemüthsbewegung haben könnte, wenn er Gutes oder Böses thäte. Z.E. ein Dieb hätte bei der finstern Nacht gestohlen, und niemand hätte es gesehen, und nun säße er am Tische und zählte sein Geld, es käme aber jemand und klopfte an die Thüre: ob der Dieb wohl ein ruhiges Gemüthe hätte, oder ob er nicht vielmehr sein Geld würde suchen zu verbergen, ehe er jemanden hereinkommen


Nun glaubte sie also wohl, daß ein allmaͤchtiger Gott waͤre. Und so giengen wir das Pflanzenreich auch mit einander durch. Da sie vorher natuͤrlicher Weise mußte gedacht haben: daß das alles von dem Fleiße der Menschen herruͤhrte, und die Erde solches alles hervorbraͤchte, so lernte sie nun einsehen, daß wenn es nicht regnete, alles auf dem Lande vertrocknete, oder wenn keine Sonne schiene, daß es denn im Wachsthum damit nicht fort wollte, wie ihr denn solches am besten bekannt war, weil sie mit Gartengewaͤchse zum Verkauf umzugehen pflegte. Nun faßte sie es auch gar bald, daß alles von einem allmaͤchtigen Wesen, auch das Leben, und die Gesundheit der Menschen abhinge.

Da ich nun uͤberzeuget war: daß sie Gott aus dem Reiche der Natur mit vieler Gewisheit und Ueberzeugung hatte kennen lernen; so giengen wir zum zweiten Beweise: nehmlich zu dem Zeugniß des Gewissens. Jch suchte ihr unter allerlei Begebenheiten vorzustellen, daß ein Mensch nicht immer einerlei Gemuͤthsbewegung haben koͤnnte, wenn er Gutes oder Boͤses thaͤte. Z.E. ein Dieb haͤtte bei der finstern Nacht gestohlen, und niemand haͤtte es gesehen, und nun saͤße er am Tische und zaͤhlte sein Geld, es kaͤme aber jemand und klopfte an die Thuͤre: ob der Dieb wohl ein ruhiges Gemuͤthe haͤtte, oder ob er nicht vielmehr sein Geld wuͤrde suchen zu verbergen, ehe er jemanden hereinkommen

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[95/0099] Nun glaubte sie also wohl, daß ein allmaͤchtiger Gott waͤre. Und so giengen wir das Pflanzenreich auch mit einander durch. Da sie vorher natuͤrlicher Weise mußte gedacht haben: daß das alles von dem Fleiße der Menschen herruͤhrte, und die Erde solches alles hervorbraͤchte, so lernte sie nun einsehen, daß wenn es nicht regnete, alles auf dem Lande vertrocknete, oder wenn keine Sonne schiene, daß es denn im Wachsthum damit nicht fort wollte, wie ihr denn solches am besten bekannt war, weil sie mit Gartengewaͤchse zum Verkauf umzugehen pflegte. Nun faßte sie es auch gar bald, daß alles von einem allmaͤchtigen Wesen, auch das Leben, und die Gesundheit der Menschen abhinge. Da ich nun uͤberzeuget war: daß sie Gott aus dem Reiche der Natur mit vieler Gewisheit und Ueberzeugung hatte kennen lernen; so giengen wir zum zweiten Beweise: nehmlich zu dem Zeugniß des Gewissens. Jch suchte ihr unter allerlei Begebenheiten vorzustellen, daß ein Mensch nicht immer einerlei Gemuͤthsbewegung haben koͤnnte, wenn er Gutes oder Boͤses thaͤte. Z.E. ein Dieb haͤtte bei der finstern Nacht gestohlen, und niemand haͤtte es gesehen, und nun saͤße er am Tische und zaͤhlte sein Geld, es kaͤme aber jemand und klopfte an die Thuͤre: ob der Dieb wohl ein ruhiges Gemuͤthe haͤtte, oder ob er nicht vielmehr sein Geld wuͤrde suchen zu verbergen, ehe er jemanden hereinkommen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 3. Berlin, 1783, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0103_1783/99>, abgerufen am 21.11.2024.