Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanke von der Wiederherstellung meines Freun-
des in dem es zusammengedrängt. Nun scheinet
es zwar, als ob dieser Gedanke meine Empfindung
des Freuens hervorbrächte, und das es also nicht
ganz unpersönlich wäre; allein er bringt sie nicht
eigentlich hervor, und ist nicht sowohl die Ursach
als vielmehr nur der Stoff zu derselben. Denn
der Gedanke an irgend eine Sache, die mit unsern
Wünschen übereinstimmt, und unsre Empfindung
der Freude sind eins, sie ist mit ihm zugleich in
der Seele da, und der Gedanke selber scheint gleich-
sam mit ihr zusammen zu schmelzen.

Jn dem Ausdruck es freuet mich, denke
ich mir unter dem es eine Gedankenreihe, welche
erst in meine Seele kömmt, unter mich das ganze
System der Gedanken, welche schon in meiner
Seele sind, und unter freuet nichts als das Ver-
hältniß zwischen beiden, wodurch in dem letztern
Zusammenhang und Harmonie auf eine dunkle
und plötzliche Art befördert, oder hergestellt wird.

Um aber freuen in ein persönliches Zeitwort
zu verwandeln, müßte man die Silbe er hinzuse-
tzen. Erfreuen kann mich wohl eine Person, aber
nicht freuen: denn freuen zeigt die Empfindung
der Freude selber, erfreuen aber zugleich ihre Her-
vorbringung an. Dasjenige, was einer Person
begegnet, oder was sie thut, kann uns also wohl

freuen,
G2

Gedanke von der Wiederherstellung meines Freun-
des in dem es zusammengedraͤngt. Nun scheinet
es zwar, als ob dieser Gedanke meine Empfindung
des Freuens hervorbraͤchte, und das es also nicht
ganz unpersoͤnlich waͤre; allein er bringt sie nicht
eigentlich hervor, und ist nicht sowohl die Ursach
als vielmehr nur der Stoff zu derselben. Denn
der Gedanke an irgend eine Sache, die mit unsern
Wuͤnschen uͤbereinstimmt, und unsre Empfindung
der Freude sind eins, sie ist mit ihm zugleich in
der Seele da, und der Gedanke selber scheint gleich-
sam mit ihr zusammen zu schmelzen.

Jn dem Ausdruck es freuet mich, denke
ich mir unter dem es eine Gedankenreihe, welche
erst in meine Seele koͤmmt, unter mich das ganze
System der Gedanken, welche schon in meiner
Seele sind, und unter freuet nichts als das Ver-
haͤltniß zwischen beiden, wodurch in dem letztern
Zusammenhang und Harmonie auf eine dunkle
und ploͤtzliche Art befoͤrdert, oder hergestellt wird.

Um aber freuen in ein persoͤnliches Zeitwort
zu verwandeln, muͤßte man die Silbe er hinzuse-
tzen. Erfreuen kann mich wohl eine Person, aber
nicht freuen: denn freuen zeigt die Empfindung
der Freude selber, erfreuen aber zugleich ihre Her-
vorbringung an. Dasjenige, was einer Person
begegnet, oder was sie thut, kann uns also wohl

freuen,
G2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0103" n="99"/>
Gedanke von der Wiederherstellung meines Freun-<lb/>
des
                   in dem <hi rendition="#b">es</hi> zusammengedra&#x0364;ngt. Nun scheinet<lb/>
es
                   zwar, als ob dieser Gedanke meine Empfindung<lb/>
des Freuens <hi rendition="#b">hervorbra&#x0364;chte,</hi> und das <hi rendition="#b">es</hi> also
                   nicht<lb/>
ganz unperso&#x0364;nlich wa&#x0364;re; allein er bringt sie
                   nicht<lb/>
eigentlich hervor, und ist nicht sowohl die Ursach<lb/>
als vielmehr nur
                   der <hi rendition="#b">Stoff</hi> zu derselben. Denn<lb/>
der Gedanke an irgend
                   eine Sache, die mit unsern<lb/>
Wu&#x0364;nschen u&#x0364;bereinstimmt, und unsre
                   Empfindung<lb/>
der Freude sind eins, sie ist mit ihm zugleich in<lb/>
der Seele da,
                   und der Gedanke selber scheint gleich-<lb/>
sam mit ihr zusammen zu schmelzen.</p><lb/>
          <p>Jn dem Ausdruck <hi rendition="#b">es freuet mich,</hi> denke<lb/>
ich mir unter dem <hi rendition="#b">es</hi> eine Gedankenreihe, welche<lb/>
erst in meine Seele <hi rendition="#b">ko&#x0364;mmt,</hi> unter <hi rendition="#b">mich</hi> das
                   ganze<lb/>
System der Gedanken, welche schon in meiner<lb/>
Seele <hi rendition="#b">sind,</hi> und unter <hi rendition="#b">freuet</hi> nichts als das
                   Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß zwischen beiden, wodurch in dem letztern<lb/>
Zusammenhang
                   und Harmonie auf eine dunkle<lb/>
und plo&#x0364;tzliche Art befo&#x0364;rdert,
                   oder hergestellt wird.</p><lb/>
          <p>Um aber <hi rendition="#b">freuen</hi> in ein perso&#x0364;nliches Zeitwort<lb/>
zu
                   verwandeln, mu&#x0364;ßte man die Silbe <hi rendition="#b">er</hi> hinzuse-<lb/>
tzen. <hi rendition="#b">Erfreuen</hi> kann mich wohl eine Person,
                   aber<lb/>
nicht <hi rendition="#b">freuen</hi>: denn <hi rendition="#b">freuen</hi> zeigt die Empfindung<lb/>
der Freude selber, <hi rendition="#b">erfreuen</hi> aber
                   zugleich ihre Her-<lb/>
vorbringung an. Dasjenige, was einer Person<lb/>
begegnet,
                   oder was sie thut, kann uns also wohl<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G2</fw>
                   <fw place="bottom" type="catch">freuen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0103] Gedanke von der Wiederherstellung meines Freun- des in dem es zusammengedraͤngt. Nun scheinet es zwar, als ob dieser Gedanke meine Empfindung des Freuens hervorbraͤchte, und das es also nicht ganz unpersoͤnlich waͤre; allein er bringt sie nicht eigentlich hervor, und ist nicht sowohl die Ursach als vielmehr nur der Stoff zu derselben. Denn der Gedanke an irgend eine Sache, die mit unsern Wuͤnschen uͤbereinstimmt, und unsre Empfindung der Freude sind eins, sie ist mit ihm zugleich in der Seele da, und der Gedanke selber scheint gleich- sam mit ihr zusammen zu schmelzen. Jn dem Ausdruck es freuet mich, denke ich mir unter dem es eine Gedankenreihe, welche erst in meine Seele koͤmmt, unter mich das ganze System der Gedanken, welche schon in meiner Seele sind, und unter freuet nichts als das Ver- haͤltniß zwischen beiden, wodurch in dem letztern Zusammenhang und Harmonie auf eine dunkle und ploͤtzliche Art befoͤrdert, oder hergestellt wird. Um aber freuen in ein persoͤnliches Zeitwort zu verwandeln, muͤßte man die Silbe er hinzuse- tzen. Erfreuen kann mich wohl eine Person, aber nicht freuen: denn freuen zeigt die Empfindung der Freude selber, erfreuen aber zugleich ihre Her- vorbringung an. Dasjenige, was einer Person begegnet, oder was sie thut, kann uns also wohl freuen, G2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/103
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/103>, abgerufen am 23.11.2024.