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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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türlich ist, in frühern Jahren Ueberspannung und
Krankheit der Seele gewesen seyn würde.

2) Diese Zerstörungen des nöthigen Verhält-
nisses zwischen den Seelenfähigkeiten heben sich oft
von selber wieder auf, und nur, wenn sie lange und
anhaltend fortdauren, sind sie eigentlich Seelen-
krankheit.

Mangel an Thätigkeit, überspannte Thätig-
keit, zwecklose Thätigkeit, u. s. w. sind Sympto-
men solcher Seelenkrankheiten, oder zerstörten Ver-
hältnisse.

Diese Symptomen können oft gefährlich
scheinen, ohne es zu seyn, oft können sie es seyn,
ohne es zu scheinen. Zuweilen müssen sie plötzlich
unterdrückt, oft nur eingeschränkt, und manchmal
wohl gar befördert werden.

Wie wichtig würde die Ausführung und Be-
stätigung dieses Satzes in der Pädagogik seyn!

3) Die thätigen Kräfte müssen mit den vor-
stellenden Kräften in einem gewissen Verhältniß ste-
hen; sind sie gegen dieselben zu stark, und bekom-
men das Uebergewicht, so ist dieses Krankheit der
Seele, und eben der Zustand, wo man oft klagt,
meliora video proboque, deteriora fe-
quor;
sind sie gegen dieselben zu schwach, so ist

die-

tuͤrlich ist, in fruͤhern Jahren Ueberspannung und
Krankheit der Seele gewesen seyn wuͤrde.

2) Diese Zerstoͤrungen des noͤthigen Verhaͤlt-
nisses zwischen den Seelenfaͤhigkeiten heben sich oft
von selber wieder auf, und nur, wenn sie lange und
anhaltend fortdauren, sind sie eigentlich Seelen-
krankheit.

Mangel an Thaͤtigkeit, uͤberspannte Thaͤtig-
keit, zwecklose Thaͤtigkeit, u. s. w. sind Sympto-
men solcher Seelenkrankheiten, oder zerstoͤrten Ver-
haͤltnisse.

Diese Symptomen koͤnnen oft gefaͤhrlich
scheinen, ohne es zu seyn, oft koͤnnen sie es seyn,
ohne es zu scheinen. Zuweilen muͤssen sie ploͤtzlich
unterdruͤckt, oft nur eingeschraͤnkt, und manchmal
wohl gar befoͤrdert werden.

Wie wichtig wuͤrde die Ausfuͤhrung und Be-
staͤtigung dieses Satzes in der Paͤdagogik seyn!

3) Die thaͤtigen Kraͤfte muͤssen mit den vor-
stellenden Kraͤften in einem gewissen Verhaͤltniß ste-
hen; sind sie gegen dieselben zu stark, und bekom-
men das Uebergewicht, so ist dieses Krankheit der
Seele, und eben der Zustand, wo man oft klagt,
meliora video proboque, deteriora fe-
quor;
sind sie gegen dieselben zu schwach, so ist

die-
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[34/0038] tuͤrlich ist, in fruͤhern Jahren Ueberspannung und Krankheit der Seele gewesen seyn wuͤrde. 2) Diese Zerstoͤrungen des noͤthigen Verhaͤlt- nisses zwischen den Seelenfaͤhigkeiten heben sich oft von selber wieder auf, und nur, wenn sie lange und anhaltend fortdauren, sind sie eigentlich Seelen- krankheit. Mangel an Thaͤtigkeit, uͤberspannte Thaͤtig- keit, zwecklose Thaͤtigkeit, u. s. w. sind Sympto- men solcher Seelenkrankheiten, oder zerstoͤrten Ver- haͤltnisse. Diese Symptomen koͤnnen oft gefaͤhrlich scheinen, ohne es zu seyn, oft koͤnnen sie es seyn, ohne es zu scheinen. Zuweilen muͤssen sie ploͤtzlich unterdruͤckt, oft nur eingeschraͤnkt, und manchmal wohl gar befoͤrdert werden. Wie wichtig wuͤrde die Ausfuͤhrung und Be- staͤtigung dieses Satzes in der Paͤdagogik seyn! 3) Die thaͤtigen Kraͤfte muͤssen mit den vor- stellenden Kraͤften in einem gewissen Verhaͤltniß ste- hen; sind sie gegen dieselben zu stark, und bekom- men das Uebergewicht, so ist dieses Krankheit der Seele, und eben der Zustand, wo man oft klagt, meliora video proboque, deteriora fe- quor; sind sie gegen dieselben zu schwach, so ist die-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/38>, abgerufen am 29.04.2024.