Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber wie kann ich den ganzen übrigen Theil
meines Lebens besser nutzen, als wenn ich ihn, ne-
ben der thätigen Ausübung meiner Pflicht, zur Er-
forschung und Betrachtung desjenigen anwende,
was mir und meinen Mitgeschöpfen gerade am wich-
tigsten ist? Und was ist dem Menschen wichtiger, als
der Mensch? Diesem vortreflichen Studium will ich
daher meine Zeit und meine Kräfte widmen, und
in Rücksicht auf dasselbe will ich studieren, lesen,
beobachten, denken, und leben.

Daß ich das Publikum hiervon zum Zeugen
mache, ist nicht Vermessenheit, als fände ich mich
im Stande, gleichsam wie ein Repräsentant desselben,
und ihm zum Nutzen, die Tiefen einer Wissenschaft
zu ergründen, welche bisher noch von den hellsten
Köpfen nicht ergründet sind: sondern ich wünschte
bloß, daß mein Eifer und guter Wille bei demsel-
ben meine Vorredner seyn möchten, wenn ich es
wage, einige Materialien zu einem Gebäude zu-
sammen zu tragen, das seinen Baumeister noch
sucht, und ihn wahrscheinlich einmal finden wird.

Was mich darüber beruhiget, daß ich die
gegenwärtige Sündfluth von Büchern noch mit ei-
nem neuen Buche vermehren will, ist dieses,
daß ich Fakta, und kein moralisches Geschwätz,
keinen Roman, und keine Komödie, liefere, auch
keine andern Bücher ausschreibe.


Uebri-

Aber wie kann ich den ganzen uͤbrigen Theil
meines Lebens besser nutzen, als wenn ich ihn, ne-
ben der thaͤtigen Ausuͤbung meiner Pflicht, zur Er-
forschung und Betrachtung desjenigen anwende,
was mir und meinen Mitgeschoͤpfen gerade am wich-
tigsten ist? Und was ist dem Menschen wichtiger, als
der Mensch? Diesem vortreflichen Studium will ich
daher meine Zeit und meine Kraͤfte widmen, und
in Ruͤcksicht auf dasselbe will ich studieren, lesen,
beobachten, denken, und leben.

Daß ich das Publikum hiervon zum Zeugen
mache, ist nicht Vermessenheit, als faͤnde ich mich
im Stande, gleichsam wie ein Repraͤsentant desselben,
und ihm zum Nutzen, die Tiefen einer Wissenschaft
zu ergruͤnden, welche bisher noch von den hellsten
Koͤpfen nicht ergruͤndet sind: sondern ich wuͤnschte
bloß, daß mein Eifer und guter Wille bei demsel-
ben meine Vorredner seyn moͤchten, wenn ich es
wage, einige Materialien zu einem Gebaͤude zu-
sammen zu tragen, das seinen Baumeister noch
sucht, und ihn wahrscheinlich einmal finden wird.

Was mich daruͤber beruhiget, daß ich die
gegenwaͤrtige Suͤndfluth von Buͤchern noch mit ei-
nem neuen Buche vermehren will, ist dieses,
daß ich Fakta, und kein moralisches Geschwaͤtz,
keinen Roman, und keine Komoͤdie, liefere, auch
keine andern Buͤcher ausschreibe.


Uebri-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0006" n="2"/>
        <p>Aber wie kann ich den ganzen u&#x0364;brigen Theil<lb/>
meines Lebens besser nutzen,
                als wenn ich ihn, ne-<lb/>
ben der tha&#x0364;tigen Ausu&#x0364;bung meiner Pflicht,
                zur Er-<lb/>
forschung und Betrachtung desjenigen anwende,<lb/>
was mir und meinen
                Mitgescho&#x0364;pfen gerade am wich-<lb/>
tigsten ist? Und was ist dem Menschen
                wichtiger, als<lb/>
der Mensch? Diesem vortreflichen Studium will ich<lb/>
daher meine
                Zeit und meine Kra&#x0364;fte widmen, und<lb/>
in Ru&#x0364;cksicht auf dasselbe will
                ich studieren, lesen,<lb/>
beobachten, denken, und leben.</p><lb/>
        <p>Daß ich das Publikum hiervon zum Zeugen<lb/>
mache, ist nicht Vermessenheit, als
                fa&#x0364;nde ich mich<lb/>
im Stande, gleichsam wie ein Repra&#x0364;sentant
                desselben,<lb/>
und ihm zum Nutzen, die Tiefen einer Wissenschaft<lb/>
zu
                ergru&#x0364;nden, welche bisher noch von den hellsten<lb/>
Ko&#x0364;pfen nicht
                ergru&#x0364;ndet sind: sondern ich wu&#x0364;nschte<lb/>
bloß, daß mein Eifer und
                guter Wille bei demsel-<lb/>
ben meine Vorredner seyn mo&#x0364;chten, wenn ich
                es<lb/>
wage, einige Materialien zu einem Geba&#x0364;ude zu-<lb/>
sammen zu tragen,
                das seinen Baumeister noch<lb/>
sucht, und ihn wahrscheinlich einmal finden wird.</p><lb/>
        <p>Was mich daru&#x0364;ber beruhiget, daß ich die<lb/>
gegenwa&#x0364;rtige
                Su&#x0364;ndfluth von Bu&#x0364;chern noch mit ei-<lb/>
nem neuen Buche vermehren
                will, ist dieses,<lb/>
daß ich Fakta, und kein moralisches
                Geschwa&#x0364;tz,<lb/>
keinen Roman, und keine Komo&#x0364;die, liefere,
                auch<lb/>
keine andern Bu&#x0364;cher ausschreibe.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Uebri-</fw>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[2/0006] Aber wie kann ich den ganzen uͤbrigen Theil meines Lebens besser nutzen, als wenn ich ihn, ne- ben der thaͤtigen Ausuͤbung meiner Pflicht, zur Er- forschung und Betrachtung desjenigen anwende, was mir und meinen Mitgeschoͤpfen gerade am wich- tigsten ist? Und was ist dem Menschen wichtiger, als der Mensch? Diesem vortreflichen Studium will ich daher meine Zeit und meine Kraͤfte widmen, und in Ruͤcksicht auf dasselbe will ich studieren, lesen, beobachten, denken, und leben. Daß ich das Publikum hiervon zum Zeugen mache, ist nicht Vermessenheit, als faͤnde ich mich im Stande, gleichsam wie ein Repraͤsentant desselben, und ihm zum Nutzen, die Tiefen einer Wissenschaft zu ergruͤnden, welche bisher noch von den hellsten Koͤpfen nicht ergruͤndet sind: sondern ich wuͤnschte bloß, daß mein Eifer und guter Wille bei demsel- ben meine Vorredner seyn moͤchten, wenn ich es wage, einige Materialien zu einem Gebaͤude zu- sammen zu tragen, das seinen Baumeister noch sucht, und ihn wahrscheinlich einmal finden wird. Was mich daruͤber beruhiget, daß ich die gegenwaͤrtige Suͤndfluth von Buͤchern noch mit ei- nem neuen Buche vermehren will, ist dieses, daß ich Fakta, und kein moralisches Geschwaͤtz, keinen Roman, und keine Komoͤdie, liefere, auch keine andern Buͤcher ausschreibe. Uebri-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Marc Kuse, Justus-Liebig-Universität: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2013-06-06T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jurgita Baranauskaite, Justus-Liebig-Universität: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-06-06T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/6
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/6>, abgerufen am 29.04.2024.