Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="17"/><lb/> cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0019]
cher dies fuͤr eine kindische Drohung hielt, vernachlaͤssigte, ihn in die Wache zu setzen, weil er ein zu großes Zutrauen zu ihm hatte. Gegen Mitternacht unterdeß, unternahm der Mensch wirklich seine Desertion. Weder Waͤlle noch Graben, noch die vielen Schildwachten, die damals wegen der haͤufigen Desertionen scharfe Patronen gehabt haben sollen, konnten ihn abschrecken. Da er gleich beim ersten Wall sein Bajonet in die Erde stecken muͤssen, um sich an einem daran befestigten Strick herunterzulassen, so entdeckte ihn sogleich die naͤchste Schildwacht und gab Feuer auf ihn. Dieß stoͤrte ihn unterdeß nicht, und unter dem Feuer von beinahe dreißig Posten kam er dennoch, welches nach der Beschreibung seines Weges fast ein Wunder gewesen sein soll, gluͤcklich aus den Vestungswerken heraus. Er lief, so zu sagen, in einem Athem nach Hause, wo er erst gegen Tage ankam. Hier fand er wieder Vermuthen die Hausthuͤr ganz offen, und als er eben in die Stube trat, waren zwei Spitzbuben beschaͤftigt, seine Mutter zu knaͤbeln. Bei seinem Anblick glaubten sie sich verrathen, und ergriffen sogleich die Flucht, ohne die bereits zusammengepackten Effekten mitzunehmen. Nachdem er also seine Mutter vielleicht gar von einem bevorstehenden schrecklichen Tode gerettet, fand er sich wieder von selbst beim Regiment ein, wo er wegen des sonderbaren Zufalls mit einer gelinden Strafe davon kam.
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