Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


seine Gewissenhaftigkeit verdächtig wurde. Die Gesellschaft trennte sich auch von ihm, und nun sollte er für sich allein handeln; das konnte er aber mit seinem eigenen Vermögen nicht glücklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie ers wünschte, daß er sich hätte auf den vorigen Fuß halten können, und wie es sein voriger Charakter zu fordern schien. So wie er sich im Hause alles gefallen ließ, so ließ es ihm doch der Wachtmeister nicht zu, sich ganz zum Bauer herabzulassen, und auswärtig Handgeschäfte der Art vorzunehmen, die an seinem Orte gewöhnlich und zum Durchkommen nöthig waren. Nur zu einer Zeit im Jahre war etwas, und auch nicht mehr das hinlängliche, mit dem Handel zu verdienen, die übrige Zeit gab es für ihn nichts zu thun.

Jn dieser drückenden Lage wurde seines Vaters Schwester, die mit einigen Ansehn in der benachbarten Stadt lebte, zur Wittwe. Diese erbot sich, ihn mit den Seinigen zu sich zu nehmen, wenn er ihre Angelegenheiten besorgen, und ins Reine bringen würde. Er folgte hier unsichern Hoffnungen, und vielleicht auch dunkeln Blendwerken, die ihm seine Ehrsucht vorspiegelte. Er entschloß sich also, in die Stadt zu der gedachten Verwandtin zu ziehen, ward Bürger und verkaufte sein Haus in seinem Geburtsorte seinem Schwager Schmidt. Die Hoffnungen, die ihm waren gemacht worden, oder er sich selbst gemacht hatte, täuschten ihn, oder er hatte nicht Geduld und Schmiegung genug, sie abzuwar-


seine Gewissenhaftigkeit verdaͤchtig wurde. Die Gesellschaft trennte sich auch von ihm, und nun sollte er fuͤr sich allein handeln; das konnte er aber mit seinem eigenen Vermoͤgen nicht gluͤcklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie ers wuͤnschte, daß er sich haͤtte auf den vorigen Fuß halten koͤnnen, und wie es sein voriger Charakter zu fordern schien. So wie er sich im Hause alles gefallen ließ, so ließ es ihm doch der Wachtmeister nicht zu, sich ganz zum Bauer herabzulassen, und auswaͤrtig Handgeschaͤfte der Art vorzunehmen, die an seinem Orte gewoͤhnlich und zum Durchkommen noͤthig waren. Nur zu einer Zeit im Jahre war etwas, und auch nicht mehr das hinlaͤngliche, mit dem Handel zu verdienen, die uͤbrige Zeit gab es fuͤr ihn nichts zu thun.

Jn dieser druͤckenden Lage wurde seines Vaters Schwester, die mit einigen Ansehn in der benachbarten Stadt lebte, zur Wittwe. Diese erbot sich, ihn mit den Seinigen zu sich zu nehmen, wenn er ihre Angelegenheiten besorgen, und ins Reine bringen wuͤrde. Er folgte hier unsichern Hoffnungen, und vielleicht auch dunkeln Blendwerken, die ihm seine Ehrsucht vorspiegelte. Er entschloß sich also, in die Stadt zu der gedachten Verwandtin zu ziehen, ward Buͤrger und verkaufte sein Haus in seinem Geburtsorte seinem Schwager Schmidt. Die Hoffnungen, die ihm waren gemacht worden, oder er sich selbst gemacht hatte, taͤuschten ihn, oder er hatte nicht Geduld und Schmiegung genug, sie abzuwar-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0048" n="46"/><lb/>
seine Gewissenhaftigkeit  verda&#x0364;chtig wurde. Die Gesellschaft trennte sich auch von ihm, und nun sollte  er fu&#x0364;r sich allein handeln; das konnte er aber mit seinem eigenen Vermo&#x0364;gen  nicht glu&#x0364;cklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie ers wu&#x0364;nschte,  daß er sich ha&#x0364;tte auf den vorigen Fuß halten ko&#x0364;nnen, und wie es sein voriger  Charakter zu fordern schien. So wie er sich im Hause alles gefallen ließ, so  ließ es ihm doch der Wachtmeister nicht zu, sich ganz zum Bauer  herabzulassen, und auswa&#x0364;rtig Handgescha&#x0364;fte der Art vorzunehmen, die an  seinem Orte gewo&#x0364;hnlich und zum Durchkommen no&#x0364;thig waren. Nur zu einer Zeit  im Jahre war etwas, und auch nicht mehr das hinla&#x0364;ngliche, mit dem Handel zu  verdienen, die u&#x0364;brige Zeit gab es fu&#x0364;r ihn nichts zu thun. </p>
            <p>Jn dieser dru&#x0364;ckenden Lage wurde seines Vaters Schwester, die mit einigen  Ansehn in der benachbarten Stadt lebte, zur Wittwe. Diese erbot sich, ihn  mit den Seinigen zu sich zu nehmen, wenn er ihre Angelegenheiten besorgen,  und ins Reine bringen wu&#x0364;rde. Er folgte hier unsichern Hoffnungen, und  vielleicht auch dunkeln Blendwerken, die ihm seine Ehrsucht vorspiegelte. Er  entschloß sich also, in die Stadt zu der gedachten Verwandtin zu ziehen,  ward Bu&#x0364;rger und verkaufte sein Haus in seinem Geburtsorte seinem Schwager <hi rendition="#b">Schmidt.</hi> Die Hoffnungen, die ihm waren gemacht  worden, oder er sich selbst gemacht hatte, ta&#x0364;uschten ihn, oder er hatte  nicht Geduld und Schmiegung genug, sie abzuwar-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0048] seine Gewissenhaftigkeit verdaͤchtig wurde. Die Gesellschaft trennte sich auch von ihm, und nun sollte er fuͤr sich allein handeln; das konnte er aber mit seinem eigenen Vermoͤgen nicht gluͤcklich durchsetzen. Es ging nun nicht mehr so, wie ers wuͤnschte, daß er sich haͤtte auf den vorigen Fuß halten koͤnnen, und wie es sein voriger Charakter zu fordern schien. So wie er sich im Hause alles gefallen ließ, so ließ es ihm doch der Wachtmeister nicht zu, sich ganz zum Bauer herabzulassen, und auswaͤrtig Handgeschaͤfte der Art vorzunehmen, die an seinem Orte gewoͤhnlich und zum Durchkommen noͤthig waren. Nur zu einer Zeit im Jahre war etwas, und auch nicht mehr das hinlaͤngliche, mit dem Handel zu verdienen, die uͤbrige Zeit gab es fuͤr ihn nichts zu thun. Jn dieser druͤckenden Lage wurde seines Vaters Schwester, die mit einigen Ansehn in der benachbarten Stadt lebte, zur Wittwe. Diese erbot sich, ihn mit den Seinigen zu sich zu nehmen, wenn er ihre Angelegenheiten besorgen, und ins Reine bringen wuͤrde. Er folgte hier unsichern Hoffnungen, und vielleicht auch dunkeln Blendwerken, die ihm seine Ehrsucht vorspiegelte. Er entschloß sich also, in die Stadt zu der gedachten Verwandtin zu ziehen, ward Buͤrger und verkaufte sein Haus in seinem Geburtsorte seinem Schwager Schmidt. Die Hoffnungen, die ihm waren gemacht worden, oder er sich selbst gemacht hatte, taͤuschten ihn, oder er hatte nicht Geduld und Schmiegung genug, sie abzuwar-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/48
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/48>, abgerufen am 21.11.2024.