Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="55"/><lb/> licher Weise in einen Finger, der so schlimm wurde, daß man befuͤrchtete, ihn abnehmen zu muͤssen. ― Da er in diesem Fall zu Erlernung des Handwerks unfaͤhig geworden waͤre, die Profeßion weiter fortzulernen, so machte ihn dies sehr niedergeschlagen, und besonders der Umstand, daß alsdenn die 20 Rthlr. Lehrgeld, so gut wie weggeschmissen, und seine mitgebrachten Betten, nach dem Handwerksgebrauch verlohren seyn wuͤrden. Diese auf den Fall umsonst gemachte Ausgabe seines Vaters, fiel ihm noch deshalb doppelt schmerzlich, weil er dasselbige Jahr, durch den spaͤten Frost großen Schaden gelitten. Er sann daher auf Mittel und Wege, seines <choice><corr>Vaters</corr><sic>Vates</sic></choice> Verlust zu ersetzen. Da er sich jederzeit vorzuͤglich gut aufgefuͤhrt, sezte sein Lehrherr nicht das geringste Mistrauen in ihn, sondern ließ ihn sehen, wo er sein Geld in die, in der Werkstatt befindliche Spinde hinlegte. Als dieser nun eines Sonntags mit seiner Familie spatziren gefahren, der Lehrbursche in der Werkstatt allein zu Hause war, und er bemerkt hatte, daß der Meister einige Tage vorher Geld in die Spinde gelegt, so gerieth er auf die Gedanken, den seit einiger Zeit gehabten Einfall: dem Meister so viel zu entwenden, als das Lehrgeld betruͤge, bei dieser guten Gelegenheit auszufuͤhren; weil er es in seinem Gewissen verantwortlich hielt, dem Meister wieder das abzunehmen, was er ohne Erfuͤllung der Bedingung behalten haͤtte, da ihn, wie er glaubte, sein schadhafter Finger<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0057]
licher Weise in einen Finger, der so schlimm wurde, daß man befuͤrchtete, ihn abnehmen zu muͤssen. ― Da er in diesem Fall zu Erlernung des Handwerks unfaͤhig geworden waͤre, die Profeßion weiter fortzulernen, so machte ihn dies sehr niedergeschlagen, und besonders der Umstand, daß alsdenn die 20 Rthlr. Lehrgeld, so gut wie weggeschmissen, und seine mitgebrachten Betten, nach dem Handwerksgebrauch verlohren seyn wuͤrden. Diese auf den Fall umsonst gemachte Ausgabe seines Vaters, fiel ihm noch deshalb doppelt schmerzlich, weil er dasselbige Jahr, durch den spaͤten Frost großen Schaden gelitten. Er sann daher auf Mittel und Wege, seines Vaters Verlust zu ersetzen. Da er sich jederzeit vorzuͤglich gut aufgefuͤhrt, sezte sein Lehrherr nicht das geringste Mistrauen in ihn, sondern ließ ihn sehen, wo er sein Geld in die, in der Werkstatt befindliche Spinde hinlegte. Als dieser nun eines Sonntags mit seiner Familie spatziren gefahren, der Lehrbursche in der Werkstatt allein zu Hause war, und er bemerkt hatte, daß der Meister einige Tage vorher Geld in die Spinde gelegt, so gerieth er auf die Gedanken, den seit einiger Zeit gehabten Einfall: dem Meister so viel zu entwenden, als das Lehrgeld betruͤge, bei dieser guten Gelegenheit auszufuͤhren; weil er es in seinem Gewissen verantwortlich hielt, dem Meister wieder das abzunehmen, was er ohne Erfuͤllung der Bedingung behalten haͤtte, da ihn, wie er glaubte, sein schadhafter Finger
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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