Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.VIII. Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Körper. Da ich seit meinen Universitätsjahren beständig einen siechen Körper trage, und mit einem anhaltenden aber nicht tödtenden Schmerz kämpfe, bin ich der gelehrten und großen Welt meist unbekannt geblieben, die beständige Hoffnung, mein Leiden bald zu endigen, hat auch alle Ruhmbegierde der Schriftstellerei so wohl, als der ausgebreiteten Praxis erstickt. Bloß für mich habe ich im Stillen gelebt, ganz unbemerkt, und wenn es meine Schmerzen erlaubten, mich mit einem guten Buche unterhalten. Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde kam mit unter meine Lektüre, sie erneuerte in meinem Gedächtniß, viele merkwürdige Ereugnisse, die ich im siebenjährigen Kriege so wohl in Preußischen als Kaiserlichen Lazarethen als Wundarzt zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Diese Beobachtungen, wovon manche gewiß sonderbar sind, haben zwar gewissermaßen meine Gesundheit untergraben helfen, daher ich mich mehr bemüht habe, selbe zu vergessen, als irgend einen Gebrauch davon zu machen. Dennoch ist in mir bei Durchlesung und Vergleichung mancher Jhnen zugesandten Abhandlungen das Verlangen rege geworden, einige der merkwürdigsten an Ew. etc. einzusenden, ich will vorerst nur mit einer den Anfang machen, sollte diese sich für VIII. Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Koͤrper. Da ich seit meinen Universitaͤtsjahren bestaͤndig einen siechen Koͤrper trage, und mit einem anhaltenden aber nicht toͤdtenden Schmerz kaͤmpfe, bin ich der gelehrten und großen Welt meist unbekannt geblieben, die bestaͤndige Hoffnung, mein Leiden bald zu endigen, hat auch alle Ruhmbegierde der Schriftstellerei so wohl, als der ausgebreiteten Praxis erstickt. Bloß fuͤr mich habe ich im Stillen gelebt, ganz unbemerkt, und wenn es meine Schmerzen erlaubten, mich mit einem guten Buche unterhalten. Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde kam mit unter meine Lektuͤre, sie erneuerte in meinem Gedaͤchtniß, viele merkwuͤrdige Ereugnisse, die ich im siebenjaͤhrigen Kriege so wohl in Preußischen als Kaiserlichen Lazarethen als Wundarzt zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Diese Beobachtungen, wovon manche gewiß sonderbar sind, haben zwar gewissermaßen meine Gesundheit untergraben helfen, daher ich mich mehr bemuͤht habe, selbe zu vergessen, als irgend einen Gebrauch davon zu machen. Dennoch ist in mir bei Durchlesung und Vergleichung mancher Jhnen zugesandten Abhandlungen das Verlangen rege geworden, einige der merkwuͤrdigsten an Ew. etc. einzusenden, ich will vorerst nur mit einer den Anfang machen, sollte diese sich fuͤr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0062" n="60"/><lb/><lb/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">VIII</hi>.<lb/> Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Koͤrper.</head><lb/> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref148"><note type="editorial"/>Schroͤder</persName> </bibl> </note> <p>Da ich seit meinen Universitaͤtsjahren bestaͤndig einen siechen Koͤrper trage, und mit einem anhaltenden aber nicht toͤdtenden Schmerz kaͤmpfe, bin ich der gelehrten und großen Welt meist unbekannt geblieben, die bestaͤndige Hoffnung, mein Leiden bald zu endigen, hat auch alle Ruhmbegierde der Schriftstellerei so wohl, als der ausgebreiteten Praxis erstickt. Bloß fuͤr mich habe ich im Stillen gelebt, ganz unbemerkt, und wenn es meine Schmerzen erlaubten, mich mit einem guten Buche unterhalten. Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde kam mit unter meine Lektuͤre, sie erneuerte in meinem Gedaͤchtniß, viele merkwuͤrdige Ereugnisse, die ich im siebenjaͤhrigen Kriege so wohl in Preußischen als Kaiserlichen Lazarethen als Wundarzt zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Diese Beobachtungen, wovon manche gewiß sonderbar sind, haben zwar gewissermaßen meine Gesundheit untergraben helfen, daher ich mich mehr bemuͤht habe, selbe zu vergessen, als irgend einen Gebrauch davon zu machen. </p> <p>Dennoch ist in mir bei Durchlesung und Vergleichung mancher Jhnen zugesandten Abhandlungen das Verlangen rege geworden, einige der merkwuͤrdigsten an Ew. etc. einzusenden, ich will vorerst nur mit einer den Anfang machen, sollte diese sich fuͤr<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0062]
VIII.
Grausamkeit eines gefangnen Soldaten gegen seinen eignen Koͤrper.
Da ich seit meinen Universitaͤtsjahren bestaͤndig einen siechen Koͤrper trage, und mit einem anhaltenden aber nicht toͤdtenden Schmerz kaͤmpfe, bin ich der gelehrten und großen Welt meist unbekannt geblieben, die bestaͤndige Hoffnung, mein Leiden bald zu endigen, hat auch alle Ruhmbegierde der Schriftstellerei so wohl, als der ausgebreiteten Praxis erstickt. Bloß fuͤr mich habe ich im Stillen gelebt, ganz unbemerkt, und wenn es meine Schmerzen erlaubten, mich mit einem guten Buche unterhalten. Jhr Magazin zur Erfahrungsseelenkunde kam mit unter meine Lektuͤre, sie erneuerte in meinem Gedaͤchtniß, viele merkwuͤrdige Ereugnisse, die ich im siebenjaͤhrigen Kriege so wohl in Preußischen als Kaiserlichen Lazarethen als Wundarzt zu beobachten Gelegenheit gehabt habe. Diese Beobachtungen, wovon manche gewiß sonderbar sind, haben zwar gewissermaßen meine Gesundheit untergraben helfen, daher ich mich mehr bemuͤht habe, selbe zu vergessen, als irgend einen Gebrauch davon zu machen.
Dennoch ist in mir bei Durchlesung und Vergleichung mancher Jhnen zugesandten Abhandlungen das Verlangen rege geworden, einige der merkwuͤrdigsten an Ew. etc. einzusenden, ich will vorerst nur mit einer den Anfang machen, sollte diese sich fuͤr
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