Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun ging es rasch an das Auswendiglernen. Das amo, amem, amas, ames, ward bald nach dem Takte hergebetet, und in den ersten sechs Wochen wußte er schon sein oportet auf den Fingern herzusagen; dabei wurden täglich Vokabeln auswendig gelernt, und weil ihm niemals eine fehlte, so schwang er sich in kurzer Zeit von einer Stuffe zur andern empor, und rückte immer näher an die Veteraner heran.

Welch eine glückliche Lage, welch eine herrliche Laufbahn für Anton, der nun zum erstenmale in seinem Leben einen Pfad des Ruhms vor sich eröfnet sahe, was er so lange vergeblich gewünscht hatte.

Auch zu Hause brachte er diese kurze Zeit ziemlich vergnügt zu, indem er alle Morgen, während daß seine Eltern Kaffee tranken, ihnen aus dem Thomas von Kempis von der Nachfolge Christi vorlesen mußte, welches er sehr gern that.

Es ward alsdann darüber gesprochen und er durfte auch zuweilen sein Wort dazu geben. Uebrigens genoß er das Glück, nicht viel zu Hause zu seyn, weil er noch die Stunden seines alten Schreibmeisters zu gleicher Zeit besuchte, den er, ohngeachtet mancher Kopfstöße, die er von ihm bekommen hatte, so aufrichtig liebte, daß er alles für ihn aufgeopfert hätte.

Denn dieser Mann unterhielt sich mit ihm und seinen Mitschülern oft in freundschaftlichen und


Nun ging es rasch an das Auswendiglernen. Das amo, amem, amas, ames, ward bald nach dem Takte hergebetet, und in den ersten sechs Wochen wußte er schon sein oportet auf den Fingern herzusagen; dabei wurden taͤglich Vokabeln auswendig gelernt, und weil ihm niemals eine fehlte, so schwang er sich in kurzer Zeit von einer Stuffe zur andern empor, und ruͤckte immer naͤher an die Veteraner heran.

Welch eine gluͤckliche Lage, welch eine herrliche Laufbahn fuͤr Anton, der nun zum erstenmale in seinem Leben einen Pfad des Ruhms vor sich eroͤfnet sahe, was er so lange vergeblich gewuͤnscht hatte.

Auch zu Hause brachte er diese kurze Zeit ziemlich vergnuͤgt zu, indem er alle Morgen, waͤhrend daß seine Eltern Kaffee tranken, ihnen aus dem Thomas von Kempis von der Nachfolge Christi vorlesen mußte, welches er sehr gern that.

Es ward alsdann daruͤber gesprochen und er durfte auch zuweilen sein Wort dazu geben. Uebrigens genoß er das Gluͤck, nicht viel zu Hause zu seyn, weil er noch die Stunden seines alten Schreibmeisters zu gleicher Zeit besuchte, den er, ohngeachtet mancher Kopfstoͤße, die er von ihm bekommen hatte, so aufrichtig liebte, daß er alles fuͤr ihn aufgeopfert haͤtte.

Denn dieser Mann unterhielt sich mit ihm und seinen Mitschuͤlern oft in freundschaftlichen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0091" n="89"/><lb/>
            <p>Nun ging es rasch an das Auswendiglernen. Das <hi rendition="#aq">amo, amem,  amas, ames,</hi> ward bald nach dem Takte hergebetet, und in den  ersten sechs Wochen wußte er schon sein <hi rendition="#aq">oportet</hi> auf den Fingern herzusagen; dabei wurden ta&#x0364;glich Vokabeln auswendig gelernt,  und weil ihm niemals eine fehlte, so schwang er sich in kurzer Zeit von  einer Stuffe zur andern empor, und ru&#x0364;ckte immer na&#x0364;her an die Veteraner  heran. </p>
            <p>Welch eine glu&#x0364;ckliche Lage, welch eine herrliche Laufbahn fu&#x0364;r Anton, der nun  zum erstenmale in seinem Leben einen Pfad des Ruhms vor sich ero&#x0364;fnet sahe,  was er so lange vergeblich gewu&#x0364;nscht hatte. </p>
            <p>Auch zu Hause brachte er diese kurze Zeit ziemlich vergnu&#x0364;gt zu, indem er alle  Morgen, wa&#x0364;hrend daß seine Eltern Kaffee tranken, ihnen aus dem Thomas von  Kempis von der Nachfolge Christi vorlesen mußte, welches er sehr gern that. </p>
            <p>Es ward alsdann daru&#x0364;ber gesprochen und er durfte auch zuweilen sein Wort dazu  geben. Uebrigens genoß er das Glu&#x0364;ck, nicht viel zu Hause zu seyn, weil er  noch die Stunden seines alten Schreibmeisters zu gleicher Zeit besuchte, den  er, ohngeachtet mancher Kopfsto&#x0364;ße, die er von ihm bekommen hatte, so  aufrichtig liebte, daß er alles fu&#x0364;r ihn aufgeopfert ha&#x0364;tte. </p>
            <p>Denn dieser Mann unterhielt sich mit ihm und seinen Mitschu&#x0364;lern oft in  freundschaftlichen und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0091] Nun ging es rasch an das Auswendiglernen. Das amo, amem, amas, ames, ward bald nach dem Takte hergebetet, und in den ersten sechs Wochen wußte er schon sein oportet auf den Fingern herzusagen; dabei wurden taͤglich Vokabeln auswendig gelernt, und weil ihm niemals eine fehlte, so schwang er sich in kurzer Zeit von einer Stuffe zur andern empor, und ruͤckte immer naͤher an die Veteraner heran. Welch eine gluͤckliche Lage, welch eine herrliche Laufbahn fuͤr Anton, der nun zum erstenmale in seinem Leben einen Pfad des Ruhms vor sich eroͤfnet sahe, was er so lange vergeblich gewuͤnscht hatte. Auch zu Hause brachte er diese kurze Zeit ziemlich vergnuͤgt zu, indem er alle Morgen, waͤhrend daß seine Eltern Kaffee tranken, ihnen aus dem Thomas von Kempis von der Nachfolge Christi vorlesen mußte, welches er sehr gern that. Es ward alsdann daruͤber gesprochen und er durfte auch zuweilen sein Wort dazu geben. Uebrigens genoß er das Gluͤck, nicht viel zu Hause zu seyn, weil er noch die Stunden seines alten Schreibmeisters zu gleicher Zeit besuchte, den er, ohngeachtet mancher Kopfstoͤße, die er von ihm bekommen hatte, so aufrichtig liebte, daß er alles fuͤr ihn aufgeopfert haͤtte. Denn dieser Mann unterhielt sich mit ihm und seinen Mitschuͤlern oft in freundschaftlichen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/91
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 1. Berlin, 1784, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0201_1784/91>, abgerufen am 19.05.2024.