Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 2. Berlin, 1784.
Es ist dieses auch sehr natürlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Nahmen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Aehnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkührlichen Nahmen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Töne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstande eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufälliger Weise eintrift. Bei dem Nahmen L.. dachte sich Anton ohngefähr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, u.s.w. Allein dießmal täuschte ihn seine Nahmendeutung sehr. Es fing schon an dunkel zu werden, als Anton mit seinem Vater über die große Zugbrücke, und durch die langen gewölbten Thore in die Stadt Braunschweig einwanderte. Sie kamen durch viele enge Gassen, vor dem grauen Hofe vorbei, und endlich über eine lange Brücke in eine etwas dunkle Straße, wo der
Es ist dieses auch sehr natuͤrlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Nahmen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Aehnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkuͤhrlichen Nahmen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Toͤne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstande eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufaͤlliger Weise eintrift. Bei dem Nahmen L.. dachte sich Anton ohngefaͤhr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, u.s.w. Allein dießmal taͤuschte ihn seine Nahmendeutung sehr. Es fing schon an dunkel zu werden, als Anton mit seinem Vater uͤber die große Zugbruͤcke, und durch die langen gewoͤlbten Thore in die Stadt Braunschweig einwanderte. Sie kamen durch viele enge Gassen, vor dem grauen Hofe vorbei, und endlich uͤber eine lange Bruͤcke in eine etwas dunkle Straße, wo der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0034" n="34"/><lb/> und von einem hellen und lichten Ansehen. Braunschweig schien ihm laͤnglicht, von dunklerem Ansehen, und groͤßer zu seyn, und noch itzt stellt er sich Paris, das er nicht gesehen hat, nach eben einem solchen dunklen Gefuͤhl bei dem Nahmen, vorzuͤglich voll heller weißlichter Haͤuser vor.</p> <p>Es ist dieses auch sehr natuͤrlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Nahmen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Aehnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkuͤhrlichen Nahmen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Toͤne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstande eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufaͤlliger Weise eintrift.</p> <p>Bei dem Nahmen L.. dachte sich Anton ohngefaͤhr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, u.s.w. Allein dießmal taͤuschte ihn seine Nahmendeutung sehr. Es fing schon an dunkel zu werden, als Anton mit seinem Vater uͤber die große Zugbruͤcke, und durch die langen gewoͤlbten Thore in die Stadt Braunschweig einwanderte.</p> <p>Sie kamen durch viele enge Gassen, vor dem grauen Hofe vorbei, und endlich uͤber eine lange Bruͤcke in eine etwas dunkle Straße, wo der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0034]
und von einem hellen und lichten Ansehen. Braunschweig schien ihm laͤnglicht, von dunklerem Ansehen, und groͤßer zu seyn, und noch itzt stellt er sich Paris, das er nicht gesehen hat, nach eben einem solchen dunklen Gefuͤhl bei dem Nahmen, vorzuͤglich voll heller weißlichter Haͤuser vor.
Es ist dieses auch sehr natuͤrlich: denn von einem Dinge, wovon man nichts wie den Nahmen weiß, arbeitet die Seele, sich noch, vermittelst der entferntesten Aehnlichkeiten, ein Bild zu entwerfen, und in Ermangelung aller andern Vergleichungen, muß sie zu dem willkuͤhrlichen Nahmen des Dinges ihre Zuflucht nehmen, wo sie auf die hart oder weich, voll oder schwach, hoch oder tief, dunkel oder hell klingenden Toͤne merkt, und zwischen denselben und dem sichtbaren Gegenstande eine Art von Vergleichung anstellt, die manchmal zufaͤlliger Weise eintrift.
Bei dem Nahmen L.. dachte sich Anton ohngefaͤhr einen etwas langen Mann deutsch und bieder mit einer freien offenen Stirne, u.s.w. Allein dießmal taͤuschte ihn seine Nahmendeutung sehr. Es fing schon an dunkel zu werden, als Anton mit seinem Vater uͤber die große Zugbruͤcke, und durch die langen gewoͤlbten Thore in die Stadt Braunschweig einwanderte.
Sie kamen durch viele enge Gassen, vor dem grauen Hofe vorbei, und endlich uͤber eine lange Bruͤcke in eine etwas dunkle Straße, wo der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |