Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite


Ausbildung der Sprache. Musik
und Tanz thaten gewiß auch das ihrige dabei. -- Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen rauher geschaffen hatte, war auch vielleicht ein Despot der erste Gesetzgeber der Sprache.

Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfältigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschöpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. -- Für diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehörigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen -- (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) -- auch die ersten Wörter für Abstrakte.

Später noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdrücke derselben gekommen sind -- Es läßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkührliche zufällige Wörter für abstrakte Begriffe gradezu


Ausbildung der Sprache. Musik
und Tanz thaten gewiß auch das ihrige dabei. ― Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen rauher geschaffen hatte, war auch vielleicht ein Despot der erste Gesetzgeber der Sprache.

Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfaͤltigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschoͤpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. ― Fuͤr diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehoͤrigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen ― (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) ― auch die ersten Woͤrter fuͤr Abstrakte.

Spaͤter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdruͤcke derselben gekommen sind ― Es laͤßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkuͤhrliche zufaͤllige Woͤrter fuͤr abstrakte Begriffe gradezu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0101" n="101"/><lb/>
Ausbildung der Sprache.                             Musik</hi> und <hi rendition="#b">Tanz thaten</hi> gewiß auch das                         ihrige dabei. &#x2015; Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen <hi rendition="#b">rauher</hi> geschaffen hatte, war auch vielleicht ein                         Despot der erste Gesetzgeber der Sprache. </p>
            <p>Die Sprache mußte schon <hi rendition="#b">große Fortschritte</hi> gemacht                         haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr <hi rendition="#b">vervielfa&#x0364;ltigt, verfeinert, geordnet,</hi> die <hi rendition="#b">Nothwendigkeit</hi> des Sprachunterrichts insbesondre mußte <hi rendition="#b">schon dringender geworden</hi> seyn, als sie <hi rendition="#b">Abstrakta</hi> zu benennen anfingen. Ehe die Menschen                         ganze Geschlechter und Arten von Gescho&#x0364;pfen kennen lernten, verging                         wahrscheinlich viele Zeit. &#x2015; Fu&#x0364;r diese Geschlechter und Arten wurde der                         schon <hi rendition="#b">bekannte Name eines einzelnen dahin geho&#x0364;rigen                             Jndividuums</hi> ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder                         Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen &#x2015;                         (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) &#x2015; auch die                         ersten Wo&#x0364;rter fu&#x0364;r Abstrakte. </p>
            <p>Spa&#x0364;ter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes,                         Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter                         auszumachen, wie die Menschen auf <hi rendition="#b">diese Begriffe,</hi> als wie sie auf <hi rendition="#b">die Ausdru&#x0364;cke</hi> derselben gekommen                         sind &#x2015; Es la&#x0364;ßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos <hi rendition="#b">willku&#x0364;hrliche zufa&#x0364;llige</hi> Wo&#x0364;rter fu&#x0364;r abstrakte                         Begriffe gradezu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0101] Ausbildung der Sprache. Musik und Tanz thaten gewiß auch das ihrige dabei. ― Jn einem andern Klima, wo die Natur die Menschen rauher geschaffen hatte, war auch vielleicht ein Despot der erste Gesetzgeber der Sprache. Die Sprache mußte schon große Fortschritte gemacht haben, die Begriffe der Menschen mußten schon sehr vervielfaͤltigt, verfeinert, geordnet, die Nothwendigkeit des Sprachunterrichts insbesondre mußte schon dringender geworden seyn, als sie Abstrakta zu benennen anfingen. Ehe die Menschen ganze Geschlechter und Arten von Geschoͤpfen kennen lernten, verging wahrscheinlich viele Zeit. ― Fuͤr diese Geschlechter und Arten wurde der schon bekannte Name eines einzelnen dahin gehoͤrigen Jndividuums ohne Zweifel der nachherige Allgemein- oder Geschlechtsname, und mithin waren die Bezeichnungen der Thierklassen ― (wieder, weil sie den Menschen am ersten bekannt werden mußten) ― auch die ersten Woͤrter fuͤr Abstrakte. Spaͤter noch folgten die, welche Eigenschaften des menschlichen Geistes, Pflichten, Tugenden und Laster andeuteten. Es ist in der That leichter auszumachen, wie die Menschen auf diese Begriffe, als wie sie auf die Ausdruͤcke derselben gekommen sind ― Es laͤßt sich hier durchaus nicht bestimmen, ob die Menschen blos willkuͤhrliche zufaͤllige Woͤrter fuͤr abstrakte Begriffe gradezu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/101
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/101>, abgerufen am 04.12.2024.