Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.
Dieses Jahr wütheten die Pocken ganz entsezlich. Da nun mein kleiner Körper viel böse Säfte in sich enthielt, so konnte auch ich nicht von diesem Uebel befreiet bleiben. -- Siebzehn Tage lag ich blind, und in dieser Zeit schwebte ich immer abwechselnd zwischen Leben und Tod. Dazu kam ein entsetzlicher Durchlauf, der nicht zu tilgen war. Schon war ich dem Tode nahe: denn der Brand wüthete schon in meinem Jnnersten -- als sich auf einmal -- ich weiß nicht mehr wodurch -- der Durchlauf stillte, die Hitze sich legte, und -- Ruhe bekam. Endlich öfneten sich auch meine Augen wieder -- aber welcher Schreck für meine Eltern und -- für mich: ich hatte ein Auge verlohren. Aus Unvorsichtigkeit schrie meine Mutter überlaut und machte mich gleichsam darauf aufmerksam, da ich immer noch wie betäubt gelegen hatte. Jch probierte und -- ich konnte nur mit einem Auge sehen. Jch schrie nach einen Spiegel; man brachte mir einen -- und o wie wurde meine kleine Eitelkeit gedemüthiget, da meine Schönheit verschwunden war. Jch erinnre mich noch gesagt zu haben; nun bin ich nicht mehr der schöne C., nun wird mir Niemand mehr gut seyn, und gleich darauf fing ich an bitterlich zu weinen. Jch wurde wieder zusehends schlechter, so sehr hatte mir dieser schnelle Auftritt geschadet. End-
Dieses Jahr wuͤtheten die Pocken ganz entsezlich. Da nun mein kleiner Koͤrper viel boͤse Saͤfte in sich enthielt, so konnte auch ich nicht von diesem Uebel befreiet bleiben. ― Siebzehn Tage lag ich blind, und in dieser Zeit schwebte ich immer abwechselnd zwischen Leben und Tod. Dazu kam ein entsetzlicher Durchlauf, der nicht zu tilgen war. Schon war ich dem Tode nahe: denn der Brand wuͤthete schon in meinem Jnnersten ― als sich auf einmal ― ich weiß nicht mehr wodurch ― der Durchlauf stillte, die Hitze sich legte, und ― Ruhe bekam. Endlich oͤfneten sich auch meine Augen wieder ― aber welcher Schreck fuͤr meine Eltern und ― fuͤr mich: ich hatte ein Auge verlohren. Aus Unvorsichtigkeit schrie meine Mutter uͤberlaut und machte mich gleichsam darauf aufmerksam, da ich immer noch wie betaͤubt gelegen hatte. Jch probierte und ― ich konnte nur mit einem Auge sehen. Jch schrie nach einen Spiegel; man brachte mir einen ― und o wie wurde meine kleine Eitelkeit gedemuͤthiget, da meine Schoͤnheit verschwunden war. Jch erinnre mich noch gesagt zu haben; nun bin ich nicht mehr der schoͤne C., nun wird mir Niemand mehr gut seyn, und gleich darauf fing ich an bitterlich zu weinen. Jch wurde wieder zusehends schlechter, so sehr hatte mir dieser schnelle Auftritt geschadet. End- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0041" n="41"/><lb/> durch den Grund zu dem Ungluͤck gelegt, welches mich in diesem Jahr traf. </p> <p>Dieses Jahr wuͤtheten die Pocken ganz entsezlich. Da nun mein kleiner Koͤrper viel boͤse Saͤfte in sich enthielt, so konnte auch ich nicht von diesem Uebel befreiet bleiben. ― Siebzehn Tage lag ich blind, und in dieser Zeit schwebte ich immer abwechselnd zwischen Leben und Tod. Dazu kam ein entsetzlicher Durchlauf, der nicht zu tilgen war. Schon war ich dem Tode nahe: denn der Brand wuͤthete schon in meinem Jnnersten ― als sich auf einmal ― ich weiß nicht mehr wodurch ― der Durchlauf stillte, die Hitze sich legte, und ― Ruhe bekam. Endlich oͤfneten sich auch meine Augen wieder ― aber welcher Schreck fuͤr meine Eltern und ― fuͤr mich: ich hatte ein Auge verlohren. Aus Unvorsichtigkeit schrie meine Mutter uͤberlaut und machte mich gleichsam darauf aufmerksam, da ich immer noch wie betaͤubt gelegen hatte. Jch probierte und ― ich konnte nur mit einem Auge sehen. Jch schrie nach einen Spiegel; man brachte mir einen ― und o wie wurde meine kleine Eitelkeit gedemuͤthiget, da meine Schoͤnheit verschwunden war. Jch erinnre mich noch gesagt zu haben; nun bin ich nicht mehr der schoͤne C., nun wird mir Niemand mehr gut seyn, und gleich darauf fing ich an bitterlich zu weinen. </p> <p>Jch wurde wieder zusehends schlechter, so sehr hatte mir dieser schnelle Auftritt geschadet. End-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
durch den Grund zu dem Ungluͤck gelegt, welches mich in diesem Jahr traf.
Dieses Jahr wuͤtheten die Pocken ganz entsezlich. Da nun mein kleiner Koͤrper viel boͤse Saͤfte in sich enthielt, so konnte auch ich nicht von diesem Uebel befreiet bleiben. ― Siebzehn Tage lag ich blind, und in dieser Zeit schwebte ich immer abwechselnd zwischen Leben und Tod. Dazu kam ein entsetzlicher Durchlauf, der nicht zu tilgen war. Schon war ich dem Tode nahe: denn der Brand wuͤthete schon in meinem Jnnersten ― als sich auf einmal ― ich weiß nicht mehr wodurch ― der Durchlauf stillte, die Hitze sich legte, und ― Ruhe bekam. Endlich oͤfneten sich auch meine Augen wieder ― aber welcher Schreck fuͤr meine Eltern und ― fuͤr mich: ich hatte ein Auge verlohren. Aus Unvorsichtigkeit schrie meine Mutter uͤberlaut und machte mich gleichsam darauf aufmerksam, da ich immer noch wie betaͤubt gelegen hatte. Jch probierte und ― ich konnte nur mit einem Auge sehen. Jch schrie nach einen Spiegel; man brachte mir einen ― und o wie wurde meine kleine Eitelkeit gedemuͤthiget, da meine Schoͤnheit verschwunden war. Jch erinnre mich noch gesagt zu haben; nun bin ich nicht mehr der schoͤne C., nun wird mir Niemand mehr gut seyn, und gleich darauf fing ich an bitterlich zu weinen.
Jch wurde wieder zusehends schlechter, so sehr hatte mir dieser schnelle Auftritt geschadet. End-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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