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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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Ziel. Das, was er weiß, kann er unmöglich bei sich behalten; er muß es sagen und wissen lassen, und sollt es auch noch so sehr verboten und zur unrechten Zeit gesagt seyn -- Eigentliche Lust zur Arbeit und eigentlichen Fleiß kennt er nicht. Ordnung und Genauigkeit sind ihm sehr unbedeutende Sachen. Erinnerungen sind völlig unwirksam auf seine Seele, und machen auch nicht auf einen Augenblick einigen Eindruck auf ihn. Daß er ein unrechtes Buch, oder gar keins hat, das ist für ihn so etwas unerhebliches, daß man es ihm ansehn kann, wie er sich wundert, sich darnach erkundigen zu können. Sein Gang ist mehr ein Springen und Hüpfen, als ein Gehen, und auch dann arbeitet sein ganzer Körper, wo die Füsse nur in Bewegung seyn sollten. Wenn es noch Hofnarren oder noch Harlekine auf den Bühnen gäbe: so möchte er durch so einen Posten sein Glück machen können; da aber das nicht ist: so wird er sich damit begnügen müssen, in einem kleinern Zirkel für andre ein Lustigmacher zu seyn. Wahrlich eine elende Beschäftigung! --

Seidel.


Ziel. Das, was er weiß, kann er unmoͤglich bei sich behalten; er muß es sagen und wissen lassen, und sollt es auch noch so sehr verboten und zur unrechten Zeit gesagt seyn — Eigentliche Lust zur Arbeit und eigentlichen Fleiß kennt er nicht. Ordnung und Genauigkeit sind ihm sehr unbedeutende Sachen. Erinnerungen sind voͤllig unwirksam auf seine Seele, und machen auch nicht auf einen Augenblick einigen Eindruck auf ihn. Daß er ein unrechtes Buch, oder gar keins hat, das ist fuͤr ihn so etwas unerhebliches, daß man es ihm ansehn kann, wie er sich wundert, sich darnach erkundigen zu koͤnnen. Sein Gang ist mehr ein Springen und Huͤpfen, als ein Gehen, und auch dann arbeitet sein ganzer Koͤrper, wo die Fuͤsse nur in Bewegung seyn sollten. Wenn es noch Hofnarren oder noch Harlekine auf den Buͤhnen gaͤbe: so moͤchte er durch so einen Posten sein Gluͤck machen koͤnnen; da aber das nicht ist: so wird er sich damit begnuͤgen muͤssen, in einem kleinern Zirkel fuͤr andre ein Lustigmacher zu seyn. Wahrlich eine elende Beschaͤftigung! —

Seidel.

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[114/0116] Ziel. Das, was er weiß, kann er unmoͤglich bei sich behalten; er muß es sagen und wissen lassen, und sollt es auch noch so sehr verboten und zur unrechten Zeit gesagt seyn — Eigentliche Lust zur Arbeit und eigentlichen Fleiß kennt er nicht. Ordnung und Genauigkeit sind ihm sehr unbedeutende Sachen. Erinnerungen sind voͤllig unwirksam auf seine Seele, und machen auch nicht auf einen Augenblick einigen Eindruck auf ihn. Daß er ein unrechtes Buch, oder gar keins hat, das ist fuͤr ihn so etwas unerhebliches, daß man es ihm ansehn kann, wie er sich wundert, sich darnach erkundigen zu koͤnnen. Sein Gang ist mehr ein Springen und Huͤpfen, als ein Gehen, und auch dann arbeitet sein ganzer Koͤrper, wo die Fuͤsse nur in Bewegung seyn sollten. Wenn es noch Hofnarren oder noch Harlekine auf den Buͤhnen gaͤbe: so moͤchte er durch so einen Posten sein Gluͤck machen koͤnnen; da aber das nicht ist: so wird er sich damit begnuͤgen muͤssen, in einem kleinern Zirkel fuͤr andre ein Lustigmacher zu seyn. Wahrlich eine elende Beschaͤftigung! — Seidel.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/116>, abgerufen am 14.05.2024.