Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.
Ein Grund, der mehr junge Leute zum Studium der Theologie antreibt, als man glauben sollte. -- Die Neigungen der Jünglinge werden immer mehr durch die Zeichen der Sache, als durch die Sache selbst gelenkt. Der zierliche Husarenpelz, und der weiße Kragen machen mehr Proselyten, als der Degen und die Bibel. hatte seine Universitätsjahre vollendet, und sollte sich nun in seiner Vaterstadt zu irgend einem geistlichen Amte tüchtig zu machen suchen. Unglücklicher Weise mußte daselbst gerade zu gleicher Zeit mit ihm wieder eine Schauspielergesellschaft eintreffen. -- Jn mehrern Jahren hatte er nicht Gelegenheit gehabt, ein Schauspiel zu besuchen. -- Auf einmal erwachten nun die lange erstickten Vorstellungen und Träume wieder. Die Theaterwelt stand aufs neue in ihrem höchsten Glanze vor seiner Seele da. D*** Alles übrige wurde ihm verhaßt, die Freuden aus der wirklichen Welt wurden ihm schaal und abgeschmackt. Er sahe keine Aussicht, seinen Wunsch zu erfüllen, ohne seinen Vater zu kränken und zu hintergehen. Auch lag bei ihm selbst die zu schwache Vernunft, mit der stärkern Phantasie, in immerwährendem Kampfe. Während daß er es versäumte, sich auf der ihm vorgeschriebenen Laufbahn des Lebens weiter zu
Ein Grund, der mehr junge Leute zum Studium der Theologie antreibt, als man glauben sollte. — Die Neigungen der Juͤnglinge werden immer mehr durch die Zeichen der Sache, als durch die Sache selbst gelenkt. Der zierliche Husarenpelz, und der weiße Kragen machen mehr Proselyten, als der Degen und die Bibel. hatte seine Universitaͤtsjahre vollendet, und sollte sich nun in seiner Vaterstadt zu irgend einem geistlichen Amte tuͤchtig zu machen suchen. Ungluͤcklicher Weise mußte daselbst gerade zu gleicher Zeit mit ihm wieder eine Schauspielergesellschaft eintreffen. — Jn mehrern Jahren hatte er nicht Gelegenheit gehabt, ein Schauspiel zu besuchen. — Auf einmal erwachten nun die lange erstickten Vorstellungen und Traͤume wieder. Die Theaterwelt stand aufs neue in ihrem hoͤchsten Glanze vor seiner Seele da. D*** Alles uͤbrige wurde ihm verhaßt, die Freuden aus der wirklichen Welt wurden ihm schaal und abgeschmackt. Er sahe keine Aussicht, seinen Wunsch zu erfuͤllen, ohne seinen Vater zu kraͤnken und zu hintergehen. Auch lag bei ihm selbst die zu schwache Vernunft, mit der staͤrkern Phantasie, in immerwaͤhrendem Kampfe. Waͤhrend daß er es versaͤumte, sich auf der ihm vorgeschriebenen Laufbahn des Lebens weiter zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0121" n="119"/><lb/> seinen unwiderstehlichen Hang zum theatralischen Deklamiren in etwas befriedigen. </p> <p>Ein Grund, der mehr junge Leute zum Studium der Theologie antreibt, als man glauben sollte. — Die Neigungen der Juͤnglinge werden immer mehr durch die Zeichen der Sache, als durch die Sache selbst gelenkt. Der zierliche Husarenpelz, und der weiße Kragen machen mehr Proselyten, als der Degen und die Bibel. </p> <p><persName ref="#ref0135"><note type="editorial">Paulmann, Johann Ernst Ludwig</note>D***</persName> hatte seine Universitaͤtsjahre vollendet, und sollte sich nun in seiner Vaterstadt zu irgend einem geistlichen Amte tuͤchtig zu machen suchen. Ungluͤcklicher Weise mußte daselbst gerade zu gleicher Zeit mit ihm wieder eine Schauspielergesellschaft eintreffen. — Jn mehrern Jahren hatte er nicht Gelegenheit gehabt, ein Schauspiel zu besuchen. — Auf einmal erwachten nun die lange erstickten Vorstellungen und Traͤume wieder. Die Theaterwelt stand aufs neue in ihrem hoͤchsten Glanze vor seiner Seele da. </p> <p>Alles uͤbrige wurde ihm verhaßt, die Freuden aus der wirklichen Welt wurden ihm schaal und abgeschmackt. Er sahe keine Aussicht, seinen Wunsch zu erfuͤllen, ohne seinen Vater zu kraͤnken und zu hintergehen. Auch lag bei ihm selbst die zu schwache Vernunft, mit der staͤrkern Phantasie, in immerwaͤhrendem Kampfe. </p> <p>Waͤhrend daß er es versaͤumte, sich auf der ihm vorgeschriebenen Laufbahn des Lebens weiter zu<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0121]
seinen unwiderstehlichen Hang zum theatralischen Deklamiren in etwas befriedigen.
Ein Grund, der mehr junge Leute zum Studium der Theologie antreibt, als man glauben sollte. — Die Neigungen der Juͤnglinge werden immer mehr durch die Zeichen der Sache, als durch die Sache selbst gelenkt. Der zierliche Husarenpelz, und der weiße Kragen machen mehr Proselyten, als der Degen und die Bibel.
D*** hatte seine Universitaͤtsjahre vollendet, und sollte sich nun in seiner Vaterstadt zu irgend einem geistlichen Amte tuͤchtig zu machen suchen. Ungluͤcklicher Weise mußte daselbst gerade zu gleicher Zeit mit ihm wieder eine Schauspielergesellschaft eintreffen. — Jn mehrern Jahren hatte er nicht Gelegenheit gehabt, ein Schauspiel zu besuchen. — Auf einmal erwachten nun die lange erstickten Vorstellungen und Traͤume wieder. Die Theaterwelt stand aufs neue in ihrem hoͤchsten Glanze vor seiner Seele da.
Alles uͤbrige wurde ihm verhaßt, die Freuden aus der wirklichen Welt wurden ihm schaal und abgeschmackt. Er sahe keine Aussicht, seinen Wunsch zu erfuͤllen, ohne seinen Vater zu kraͤnken und zu hintergehen. Auch lag bei ihm selbst die zu schwache Vernunft, mit der staͤrkern Phantasie, in immerwaͤhrendem Kampfe.
Waͤhrend daß er es versaͤumte, sich auf der ihm vorgeschriebenen Laufbahn des Lebens weiter zu
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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