Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


merkte beständig, daß er immer aufmerksamer und nachdenkender wurde, jemehr ich ihm die angenehme Seite davon zu schildern suchte. -- Seine Denkkraft war wieder thätig geworden -- er überlegte, er verglich --.

Wir sprachen dabei von seinen Eltern -- ich stellte ihm vor, wie gut es sey, daß er doch auch nun die Erlaubniß seines Vaters zu diesem Schritte habe -- auch das machte ihn nachdenkend -- die reinen, die edlen Empfindungen der kindlichen Liebe waren kräftiger in seiner Seele erwacht -- er entschloß sich, die sanften Charaktere, wozu ich ihm gerathen hatte, künftig zu seinen Lieblingsrollen zu machen, statt daß er sonst immer für das fürchterlich Tragische und Schreckliche gestimmt war.

Er fing an, auf das Solide, auf den Unterhalt, auf das Fortkommen im Alter bei seinem künftigen Stande zu denken.

Er kam mit Abscheu und Widerwillen zurück, da er eines Abends die Räuber hatte aufführen sehn, und fand mehr Geschmack an den rührenden und sanften Stücken, und allem was der Natur näher kam, aus derer Betrachtung seine Seele am Morgen des Tages neue Kraft und Nahrung gesogen hatte.

Der Tag seiner Abreise kam heran. Während diesen Spaziergängen am lezten Morgen war er erst still und nachdenkend, dann leuchtete auf einmal eine ungewöhnliche Heiterkeit aus seinem Gesicht hervor; mit dem Ausbruch der innigsten Freu-


merkte bestaͤndig, daß er immer aufmerksamer und nachdenkender wurde, jemehr ich ihm die angenehme Seite davon zu schildern suchte. — Seine Denkkraft war wieder thaͤtig geworden — er uͤberlegte, er verglich —.

Wir sprachen dabei von seinen Eltern — ich stellte ihm vor, wie gut es sey, daß er doch auch nun die Erlaubniß seines Vaters zu diesem Schritte habe — auch das machte ihn nachdenkend — die reinen, die edlen Empfindungen der kindlichen Liebe waren kraͤftiger in seiner Seele erwacht — er entschloß sich, die sanften Charaktere, wozu ich ihm gerathen hatte, kuͤnftig zu seinen Lieblingsrollen zu machen, statt daß er sonst immer fuͤr das fuͤrchterlich Tragische und Schreckliche gestimmt war.

Er fing an, auf das Solide, auf den Unterhalt, auf das Fortkommen im Alter bei seinem kuͤnftigen Stande zu denken.

Er kam mit Abscheu und Widerwillen zuruͤck, da er eines Abends die Raͤuber hatte auffuͤhren sehn, und fand mehr Geschmack an den ruͤhrenden und sanften Stuͤcken, und allem was der Natur naͤher kam, aus derer Betrachtung seine Seele am Morgen des Tages neue Kraft und Nahrung gesogen hatte.

Der Tag seiner Abreise kam heran. Waͤhrend diesen Spaziergaͤngen am lezten Morgen war er erst still und nachdenkend, dann leuchtete auf einmal eine ungewoͤhnliche Heiterkeit aus seinem Gesicht hervor; mit dem Ausbruch der innigsten Freu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0126" n="124"/><lb/>
merkte                   besta&#x0364;ndig, daß er immer aufmerksamer und nachdenkender wurde, jemehr ich ihm die                   angenehme Seite davon zu schildern suchte. &#x2014; Seine Denkkraft war wieder tha&#x0364;tig                   geworden &#x2014; er u&#x0364;berlegte, er verglich &#x2014;. </p>
            <p>Wir sprachen dabei von seinen Eltern &#x2014; ich stellte ihm vor, wie gut es sey, daß er                   doch auch nun die Erlaubniß <persName ref="#ref0120"><note type="editorial">Paulmann, Johann Ludwig</note>seines Vaters</persName> zu diesem Schritte habe &#x2014; auch das machte ihn                   nachdenkend &#x2014; die reinen, die edlen Empfindungen der kindlichen Liebe waren                   kra&#x0364;ftiger in seiner Seele erwacht &#x2014; er entschloß sich, die sanften Charaktere,                   wozu ich ihm gerathen hatte, ku&#x0364;nftig zu seinen Lieblingsrollen zu machen, statt                   daß er sonst immer fu&#x0364;r das fu&#x0364;rchterlich Tragische und Schreckliche gestimmt war. </p>
            <p>Er fing an, auf das Solide, auf den Unterhalt, auf das Fortkommen im Alter bei                   seinem ku&#x0364;nftigen Stande zu denken. </p>
            <p>Er kam mit Abscheu und Widerwillen zuru&#x0364;ck, da er eines Abends die Ra&#x0364;uber hatte                   auffu&#x0364;hren sehn, und fand mehr Geschmack an den ru&#x0364;hrenden und sanften Stu&#x0364;cken, und                   allem was der Natur na&#x0364;her kam, aus derer Betrachtung seine Seele am Morgen des                   Tages neue Kraft und Nahrung gesogen hatte. </p>
            <p>Der Tag seiner Abreise kam heran. Wa&#x0364;hrend diesen Spazierga&#x0364;ngen am lezten Morgen                   war er erst still und nachdenkend, dann leuchtete auf einmal eine ungewo&#x0364;hnliche                   Heiterkeit aus seinem Gesicht hervor; mit dem Ausbruch der innigsten Freu-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0126] merkte bestaͤndig, daß er immer aufmerksamer und nachdenkender wurde, jemehr ich ihm die angenehme Seite davon zu schildern suchte. — Seine Denkkraft war wieder thaͤtig geworden — er uͤberlegte, er verglich —. Wir sprachen dabei von seinen Eltern — ich stellte ihm vor, wie gut es sey, daß er doch auch nun die Erlaubniß seines Vaters zu diesem Schritte habe — auch das machte ihn nachdenkend — die reinen, die edlen Empfindungen der kindlichen Liebe waren kraͤftiger in seiner Seele erwacht — er entschloß sich, die sanften Charaktere, wozu ich ihm gerathen hatte, kuͤnftig zu seinen Lieblingsrollen zu machen, statt daß er sonst immer fuͤr das fuͤrchterlich Tragische und Schreckliche gestimmt war. Er fing an, auf das Solide, auf den Unterhalt, auf das Fortkommen im Alter bei seinem kuͤnftigen Stande zu denken. Er kam mit Abscheu und Widerwillen zuruͤck, da er eines Abends die Raͤuber hatte auffuͤhren sehn, und fand mehr Geschmack an den ruͤhrenden und sanften Stuͤcken, und allem was der Natur naͤher kam, aus derer Betrachtung seine Seele am Morgen des Tages neue Kraft und Nahrung gesogen hatte. Der Tag seiner Abreise kam heran. Waͤhrend diesen Spaziergaͤngen am lezten Morgen war er erst still und nachdenkend, dann leuchtete auf einmal eine ungewoͤhnliche Heiterkeit aus seinem Gesicht hervor; mit dem Ausbruch der innigsten Freu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/126
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/126>, abgerufen am 14.05.2024.