Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


ists mir wohl, (denn ich läugne es nicht, daß ich es wünsche) so verkauf ich, was ich habe, bezahle meine Schulden und gehe mit meinem Kinde in die weite Welt hinein. Jch bin noch jung, stark, und wovor ich Gott vorzüglich danken muß, bei allen meinem Kummer und Gram immer gesund. Jch kann mich also wohl noch mit meiner Hände Arbeit ernähren; Jch bete dann fleißig (denn auf Gott hab' ich mein ganzes Vertrauen gesetzt) und dann gehe es, wie es will. Daß ists eben, fuhr sie fort, daß kein Seegen bei uns ist. Denn den ganzen Tag wird geflucht und gezankt! kein Buch, keine Bibel nimmt er in die Hand. Will ich vor oder nach Tische beten, so will er nicht. Bete ich Morgens und Abends, so spricht er: Bete lange, Gott wird Dir nichts vom Himmel werfen, arbeite, verdiene etwas. Sage ich dann: womit soll ich was verdienen; soll ich denen Gehör geben, die mir so oft Anleitung gegeben haben, Dir untreu zu werden, so kann ich Geld verdienen -- Hier schweigt er still, und ich glaube immer, er nähme es stillschweigend mit an, wenn ich ihm nur viel erwürbe. Diese Anmerkung ist mir in der Folge auch wahrscheinlich geworden. Singe ich ein Lied, so sagt er: sing nur nicht immer, wenn ich komme oder zu Hause bin, und so geht das beständig. Wunder war es nicht, ich hätte schon oft verzweiflende Mittel ergriffen.



ists mir wohl, (denn ich laͤugne es nicht, daß ich es wuͤnsche) so verkauf ich, was ich habe, bezahle meine Schulden und gehe mit meinem Kinde in die weite Welt hinein. Jch bin noch jung, stark, und wovor ich Gott vorzuͤglich danken muß, bei allen meinem Kummer und Gram immer gesund. Jch kann mich also wohl noch mit meiner Haͤnde Arbeit ernaͤhren; Jch bete dann fleißig (denn auf Gott hab' ich mein ganzes Vertrauen gesetzt) und dann gehe es, wie es will. Daß ists eben, fuhr sie fort, daß kein Seegen bei uns ist. Denn den ganzen Tag wird geflucht und gezankt! kein Buch, keine Bibel nimmt er in die Hand. Will ich vor oder nach Tische beten, so will er nicht. Bete ich Morgens und Abends, so spricht er: Bete lange, Gott wird Dir nichts vom Himmel werfen, arbeite, verdiene etwas. Sage ich dann: womit soll ich was verdienen; soll ich denen Gehoͤr geben, die mir so oft Anleitung gegeben haben, Dir untreu zu werden, so kann ich Geld verdienen — Hier schweigt er still, und ich glaube immer, er naͤhme es stillschweigend mit an, wenn ich ihm nur viel erwuͤrbe. Diese Anmerkung ist mir in der Folge auch wahrscheinlich geworden. Singe ich ein Lied, so sagt er: sing nur nicht immer, wenn ich komme oder zu Hause bin, und so geht das bestaͤndig. Wunder war es nicht, ich haͤtte schon oft verzweiflende Mittel ergriffen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0031" n="29"/><lb/>
ists mir wohl, (denn ich la&#x0364;ugne es nicht, daß                   ich es wu&#x0364;nsche) so verkauf ich, was ich habe, bezahle meine Schulden und gehe mit                   meinem Kinde in die weite Welt hinein. Jch bin noch jung, stark, und wovor ich                   Gott vorzu&#x0364;glich danken muß, bei allen meinem Kummer und Gram immer gesund. Jch                   kann mich also wohl noch mit meiner Ha&#x0364;nde Arbeit erna&#x0364;hren; Jch bete dann fleißig                   (denn auf Gott hab' ich mein ganzes Vertrauen gesetzt) und dann gehe es, wie es                   will. Daß ists eben, fuhr sie fort, daß kein Seegen bei uns ist. Denn den ganzen                   Tag wird geflucht und gezankt! kein Buch, keine Bibel nimmt er in die Hand. Will                   ich vor oder nach Tische beten, so will er nicht. Bete ich Morgens und Abends, so                   spricht er: Bete lange, Gott wird Dir nichts vom Himmel werfen, arbeite, verdiene                   etwas. Sage ich dann: womit soll ich was verdienen; soll ich denen Geho&#x0364;r geben,                   die mir so oft Anleitung gegeben haben, Dir untreu zu werden, so kann ich Geld                   verdienen &#x2014; Hier schweigt er still, und ich glaube immer, er na&#x0364;hme es                   stillschweigend mit an, wenn ich ihm nur viel erwu&#x0364;rbe. Diese Anmerkung ist mir in                   der Folge auch wahrscheinlich geworden. Singe ich ein Lied, so sagt er: sing nur                   nicht immer, wenn ich komme oder zu Hause bin, und so geht das besta&#x0364;ndig. Wunder                   war es nicht, ich ha&#x0364;tte schon oft verzweiflende Mittel ergriffen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0031] ists mir wohl, (denn ich laͤugne es nicht, daß ich es wuͤnsche) so verkauf ich, was ich habe, bezahle meine Schulden und gehe mit meinem Kinde in die weite Welt hinein. Jch bin noch jung, stark, und wovor ich Gott vorzuͤglich danken muß, bei allen meinem Kummer und Gram immer gesund. Jch kann mich also wohl noch mit meiner Haͤnde Arbeit ernaͤhren; Jch bete dann fleißig (denn auf Gott hab' ich mein ganzes Vertrauen gesetzt) und dann gehe es, wie es will. Daß ists eben, fuhr sie fort, daß kein Seegen bei uns ist. Denn den ganzen Tag wird geflucht und gezankt! kein Buch, keine Bibel nimmt er in die Hand. Will ich vor oder nach Tische beten, so will er nicht. Bete ich Morgens und Abends, so spricht er: Bete lange, Gott wird Dir nichts vom Himmel werfen, arbeite, verdiene etwas. Sage ich dann: womit soll ich was verdienen; soll ich denen Gehoͤr geben, die mir so oft Anleitung gegeben haben, Dir untreu zu werden, so kann ich Geld verdienen — Hier schweigt er still, und ich glaube immer, er naͤhme es stillschweigend mit an, wenn ich ihm nur viel erwuͤrbe. Diese Anmerkung ist mir in der Folge auch wahrscheinlich geworden. Singe ich ein Lied, so sagt er: sing nur nicht immer, wenn ich komme oder zu Hause bin, und so geht das bestaͤndig. Wunder war es nicht, ich haͤtte schon oft verzweiflende Mittel ergriffen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/31
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/31>, abgerufen am 03.12.2024.