Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


mit dem Kinn auf einen spitzigen Zacken gefallen, der durch den ganzen Kopf gedrungen, und bei der Schläfe wieder herausgekommen war.

Jch suchte die Tochter meines seeligen Freundes und fand sie auf einen Lehnstuhl ohne Trost, den Sohn aber in gleicher Lage, in dem Hause des B. A. R. Fl...

Jch kehrete zu meinem todten Freund zurück, und suchte noch einige, die darüber heftig beunruhigt waren, aufzurichten, mir selbst aber flössen die Thränen darüber aus den Augen, daß ich nicht im Stande war, weiter zu reden.

Jn dieser Lage kam meine Frau vors Bette und weckte mich. Es hat schon sechs geschlagen, sagte sie, wie schläfst Du denn heute so sanft? -- Du wirst aufstehen müssen, der Wagen wird schon zurechte gemacht, um nach der Kirche zu fahren.

Die Thränen liefen mir noch häufig aus den Augen, und ich sagte: Ach welchen traurigen Scenen entreissest du mich! Was ist Dir denn, sagte sie, Du weinst ja? Jch antwortete ihr: ich reise heute nicht nach R... Sie bemerkte meine heftige Unruhe, trocknete mir die Thränen ab, und ließ nicht nach, mich zu bitten, ihr meine Beunruhigung zu erzählen.

Ja, sagte ich, sogleich, laß mich nur erst aufstehen, und etwas erholen. Jch stand auf, und erzählete ihr beim Anziehen meinen ganzen Traum, der mir aber selbst immer trauriger wurde, je mehr ich ihn überdachte.



mit dem Kinn auf einen spitzigen Zacken gefallen, der durch den ganzen Kopf gedrungen, und bei der Schlaͤfe wieder herausgekommen war.

Jch suchte die Tochter meines seeligen Freundes und fand sie auf einen Lehnstuhl ohne Trost, den Sohn aber in gleicher Lage, in dem Hause des B. A. R. Fl...

Jch kehrete zu meinem todten Freund zuruͤck, und suchte noch einige, die daruͤber heftig beunruhigt waren, aufzurichten, mir selbst aber floͤssen die Thraͤnen daruͤber aus den Augen, daß ich nicht im Stande war, weiter zu reden.

Jn dieser Lage kam meine Frau vors Bette und weckte mich. Es hat schon sechs geschlagen, sagte sie, wie schlaͤfst Du denn heute so sanft? — Du wirst aufstehen muͤssen, der Wagen wird schon zurechte gemacht, um nach der Kirche zu fahren.

Die Thraͤnen liefen mir noch haͤufig aus den Augen, und ich sagte: Ach welchen traurigen Scenen entreissest du mich! Was ist Dir denn, sagte sie, Du weinst ja? Jch antwortete ihr: ich reise heute nicht nach R... Sie bemerkte meine heftige Unruhe, trocknete mir die Thraͤnen ab, und ließ nicht nach, mich zu bitten, ihr meine Beunruhigung zu erzaͤhlen.

Ja, sagte ich, sogleich, laß mich nur erst aufstehen, und etwas erholen. Jch stand auf, und erzaͤhlete ihr beim Anziehen meinen ganzen Traum, der mir aber selbst immer trauriger wurde, je mehr ich ihn uͤberdachte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0052" n="50"/><lb/>
mit dem Kinn auf einen spitzigen Zacken gefallen, der durch den ganzen Kopf                   gedrungen, und bei der Schla&#x0364;fe wieder herausgekommen war.</p>
            <p>Jch suchte die Tochter meines seeligen Freundes und fand sie auf einen Lehnstuhl                   ohne Trost, den Sohn aber in gleicher Lage, in dem Hause des B. A. R. Fl...</p>
            <p>Jch kehrete zu meinem todten Freund zuru&#x0364;ck, und suchte noch einige, die daru&#x0364;ber                   heftig beunruhigt waren, aufzurichten, mir selbst aber flo&#x0364;ssen die Thra&#x0364;nen daru&#x0364;ber                   aus den Augen, daß ich nicht im Stande war, weiter zu reden.</p>
            <p>Jn dieser Lage kam meine Frau vors Bette und weckte mich. Es hat schon sechs                   geschlagen, sagte sie, wie schla&#x0364;fst Du denn heute so sanft? &#x2014; Du wirst aufstehen                   mu&#x0364;ssen, der Wagen wird schon zurechte gemacht, um nach der Kirche zu fahren.</p>
            <p>Die Thra&#x0364;nen liefen mir noch ha&#x0364;ufig aus den Augen, und ich sagte: Ach welchen                   traurigen Scenen entreissest du mich! Was ist Dir denn, sagte sie, Du weinst ja?                   Jch antwortete ihr: ich reise heute nicht nach R... Sie bemerkte meine heftige                   Unruhe, trocknete mir die Thra&#x0364;nen ab, und ließ nicht nach, mich zu bitten, ihr                   meine Beunruhigung zu erza&#x0364;hlen.</p>
            <p>Ja, sagte ich, sogleich, laß mich nur erst aufstehen, und etwas erholen. Jch stand                   auf, und erza&#x0364;hlete ihr beim Anziehen meinen ganzen Traum, der mir aber selbst                   immer trauriger wurde, je mehr ich ihn u&#x0364;berdachte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0052] mit dem Kinn auf einen spitzigen Zacken gefallen, der durch den ganzen Kopf gedrungen, und bei der Schlaͤfe wieder herausgekommen war. Jch suchte die Tochter meines seeligen Freundes und fand sie auf einen Lehnstuhl ohne Trost, den Sohn aber in gleicher Lage, in dem Hause des B. A. R. Fl... Jch kehrete zu meinem todten Freund zuruͤck, und suchte noch einige, die daruͤber heftig beunruhigt waren, aufzurichten, mir selbst aber floͤssen die Thraͤnen daruͤber aus den Augen, daß ich nicht im Stande war, weiter zu reden. Jn dieser Lage kam meine Frau vors Bette und weckte mich. Es hat schon sechs geschlagen, sagte sie, wie schlaͤfst Du denn heute so sanft? — Du wirst aufstehen muͤssen, der Wagen wird schon zurechte gemacht, um nach der Kirche zu fahren. Die Thraͤnen liefen mir noch haͤufig aus den Augen, und ich sagte: Ach welchen traurigen Scenen entreissest du mich! Was ist Dir denn, sagte sie, Du weinst ja? Jch antwortete ihr: ich reise heute nicht nach R... Sie bemerkte meine heftige Unruhe, trocknete mir die Thraͤnen ab, und ließ nicht nach, mich zu bitten, ihr meine Beunruhigung zu erzaͤhlen. Ja, sagte ich, sogleich, laß mich nur erst aufstehen, und etwas erholen. Jch stand auf, und erzaͤhlete ihr beim Anziehen meinen ganzen Traum, der mir aber selbst immer trauriger wurde, je mehr ich ihn uͤberdachte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/52
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/52>, abgerufen am 21.11.2024.