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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

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Wahrscheinlichkeit, und in der Folge durch überzeugende Beweise zur Gewißheit erhoben wurde.

Es ist bekannt, daß Aengstlichkeit eine von den Haupteigenschaften des melancholischen Temperaments ist; man trift sie bald in einem stärkern, bald in einem geringern Grade an, je nachdem die Mischung des Temperaments verschieden ist. Der Melancholiker empfindet oft ihre Wirkung in ihrer ganzen Stärke, er bildet sich Gefahren und Schrecknisse ein, wo entweder gar keine anzutreffen sind, oder wo sie wenigstens nur in Kleinigkeiten bestehn.

Bei geringen Anlässen hält er sich zuweilen schon für verloren, und wenn manchmal eine Ursach im Körper, oder eine äussere Ursach ihn vorzüglich zur Traurigkeit gestimmt haben, so sieht er oft jeden, der sich ihm naht, für einen Schreckensbothen an.

Jch habe einen solchen Menschen in dieser Stimmung sogar das freundliche Lächeln seines Freundes für verdächtig erklären hören, weil es sich gerade traf, daß dieser lächelte, als jener etwas erzählte, wo er sogleich argwöhnte, daß dieser etwa seine Erzählung lächerlich finden möchte.

Noch mehr Bemerkungen hierüber hab' ich -- aber bei meiner Freundin gemacht, die, wie ich schon oben erwähnt habe, sehr melancholischen Temperaments war.

Befand sich ihre Seele in dieser traurigen Stimmung, so waren alle ihre Jdeen in die schwar-


Wahrscheinlichkeit, und in der Folge durch uͤberzeugende Beweise zur Gewißheit erhoben wurde.

Es ist bekannt, daß Aengstlichkeit eine von den Haupteigenschaften des melancholischen Temperaments ist; man trift sie bald in einem staͤrkern, bald in einem geringern Grade an, je nachdem die Mischung des Temperaments verschieden ist. Der Melancholiker empfindet oft ihre Wirkung in ihrer ganzen Staͤrke, er bildet sich Gefahren und Schrecknisse ein, wo entweder gar keine anzutreffen sind, oder wo sie wenigstens nur in Kleinigkeiten bestehn.

Bei geringen Anlaͤssen haͤlt er sich zuweilen schon fuͤr verloren, und wenn manchmal eine Ursach im Koͤrper, oder eine aͤussere Ursach ihn vorzuͤglich zur Traurigkeit gestimmt haben, so sieht er oft jeden, der sich ihm naht, fuͤr einen Schreckensbothen an.

Jch habe einen solchen Menschen in dieser Stimmung sogar das freundliche Laͤcheln seines Freundes fuͤr verdaͤchtig erklaͤren hoͤren, weil es sich gerade traf, daß dieser laͤchelte, als jener etwas erzaͤhlte, wo er sogleich argwoͤhnte, daß dieser etwa seine Erzaͤhlung laͤcherlich finden moͤchte.

Noch mehr Bemerkungen hieruͤber hab' ich — aber bei meiner Freundin gemacht, die, wie ich schon oben erwaͤhnt habe, sehr melancholischen Temperaments war.

Befand sich ihre Seele in dieser traurigen Stimmung, so waren alle ihre Jdeen in die schwar-

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[69/0071] Wahrscheinlichkeit, und in der Folge durch uͤberzeugende Beweise zur Gewißheit erhoben wurde. Es ist bekannt, daß Aengstlichkeit eine von den Haupteigenschaften des melancholischen Temperaments ist; man trift sie bald in einem staͤrkern, bald in einem geringern Grade an, je nachdem die Mischung des Temperaments verschieden ist. Der Melancholiker empfindet oft ihre Wirkung in ihrer ganzen Staͤrke, er bildet sich Gefahren und Schrecknisse ein, wo entweder gar keine anzutreffen sind, oder wo sie wenigstens nur in Kleinigkeiten bestehn. Bei geringen Anlaͤssen haͤlt er sich zuweilen schon fuͤr verloren, und wenn manchmal eine Ursach im Koͤrper, oder eine aͤussere Ursach ihn vorzuͤglich zur Traurigkeit gestimmt haben, so sieht er oft jeden, der sich ihm naht, fuͤr einen Schreckensbothen an. Jch habe einen solchen Menschen in dieser Stimmung sogar das freundliche Laͤcheln seines Freundes fuͤr verdaͤchtig erklaͤren hoͤren, weil es sich gerade traf, daß dieser laͤchelte, als jener etwas erzaͤhlte, wo er sogleich argwoͤhnte, daß dieser etwa seine Erzaͤhlung laͤcherlich finden moͤchte. Noch mehr Bemerkungen hieruͤber hab' ich — aber bei meiner Freundin gemacht, die, wie ich schon oben erwaͤhnt habe, sehr melancholischen Temperaments war. Befand sich ihre Seele in dieser traurigen Stimmung, so waren alle ihre Jdeen in die schwar-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/71>, abgerufen am 23.11.2024.