Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.
Ueber die Art und Weise nun, wie sie jene Nachahmung anstellen, und nach und nach zu dem Besitz einer würklichen Wortsprache gelangen, will ich nur folgende Bemerkungen hiehersetzen. 1) Kinder fangen zuförderst allemal an, körperliche Jndividuen auszudrücken; aber anfangs ohne Flexion, Verbindungswörter und Artikel. Von jenen Jndividuen haben sich von dem Gebrauche ihrer Sinnen, sonderlich der Augen an, lange vor der Erlernung einer Sprache, lebhafte Bilder in ihrer Seele abgedrückt, sie haben sich davon durch langes Betrachten, durch Vergleichung ihrer äußern Formen miteinander, und wo es anging, selbst durch das Gefühl klare Begriffe zu schaffen gesucht, und diese Begriffe wurden nun die Grundlage aller ihrer konkreten, wie hernach ihrer abstrakten Erkenntniß. -- Es war natürlich, daß sie von jenen Jndividuen diejenigen am ersten aus-
Ueber die Art und Weise nun, wie sie jene Nachahmung anstellen, und nach und nach zu dem Besitz einer wuͤrklichen Wortsprache gelangen, will ich nur folgende Bemerkungen hiehersetzen. 1) Kinder fangen zufoͤrderst allemal an, koͤrperliche Jndividuen auszudruͤcken; aber anfangs ohne Flexion, Verbindungswoͤrter und Artikel. Von jenen Jndividuen haben sich von dem Gebrauche ihrer Sinnen, sonderlich der Augen an, lange vor der Erlernung einer Sprache, lebhafte Bilder in ihrer Seele abgedruͤckt, sie haben sich davon durch langes Betrachten, durch Vergleichung ihrer aͤußern Formen miteinander, und wo es anging, selbst durch das Gefuͤhl klare Begriffe zu schaffen gesucht, und diese Begriffe wurden nun die Grundlage aller ihrer konkreten, wie hernach ihrer abstrakten Erkenntniß. — Es war natuͤrlich, daß sie von jenen Jndividuen diejenigen am ersten aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0082" n="80"/><lb/> Woͤrter, die in keinem Lexiko der Sprache stehen, und die sie oft zu unserer Bewunderung <hi rendition="#b">selbst</hi> erfunden haben, muͤssen sie irgend einmal von einem mißverstandenen Tone, abkopirt, oder durch Verwechselung und Vermischung einiger Sprachsilben, vielleicht nach einer unwillkuͤrlichen Bewegung ihrer Zunge, zusammengesetzt haben; — aber auch jene Nachahmung der Sprache faͤngt selten vor dem ersten Jahre ihres Lebens an, nicht aus Mangel der Begriffe; sondern wegen einer noch vorhandenen Ungelenkigkeit ihrer Sprachorganen. </p> <p>Ueber die Art und Weise nun, wie sie jene Nachahmung anstellen, und nach und nach zu dem Besitz einer wuͤrklichen Wortsprache gelangen, will ich nur folgende Bemerkungen hiehersetzen. </p> <p>1) Kinder fangen <hi rendition="#b">zufoͤrderst</hi> allemal an, <hi rendition="#b">koͤrperliche Jndividuen</hi> auszudruͤcken; aber anfangs ohne <hi rendition="#b">Flexion, Verbindungswoͤrter</hi> und <hi rendition="#b">Artikel.</hi> Von jenen Jndividuen haben sich von dem Gebrauche ihrer Sinnen, sonderlich der Augen an, lange vor der Erlernung einer Sprache, lebhafte Bilder in ihrer Seele abgedruͤckt, sie haben sich davon durch <hi rendition="#b">langes Betrachten</hi>, durch <hi rendition="#b">Vergleichung ihrer</hi> aͤußern Formen miteinander, und wo es anging, selbst durch <hi rendition="#b">das Gefuͤhl</hi> klare Begriffe zu schaffen gesucht, und diese Begriffe wurden nun die Grundlage aller ihrer konkreten, wie hernach ihrer abstrakten Erkenntniß. — Es war natuͤrlich, daß sie von jenen Jndividuen diejenigen <hi rendition="#b">am ersten</hi> aus-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0082]
Woͤrter, die in keinem Lexiko der Sprache stehen, und die sie oft zu unserer Bewunderung selbst erfunden haben, muͤssen sie irgend einmal von einem mißverstandenen Tone, abkopirt, oder durch Verwechselung und Vermischung einiger Sprachsilben, vielleicht nach einer unwillkuͤrlichen Bewegung ihrer Zunge, zusammengesetzt haben; — aber auch jene Nachahmung der Sprache faͤngt selten vor dem ersten Jahre ihres Lebens an, nicht aus Mangel der Begriffe; sondern wegen einer noch vorhandenen Ungelenkigkeit ihrer Sprachorganen.
Ueber die Art und Weise nun, wie sie jene Nachahmung anstellen, und nach und nach zu dem Besitz einer wuͤrklichen Wortsprache gelangen, will ich nur folgende Bemerkungen hiehersetzen.
1) Kinder fangen zufoͤrderst allemal an, koͤrperliche Jndividuen auszudruͤcken; aber anfangs ohne Flexion, Verbindungswoͤrter und Artikel. Von jenen Jndividuen haben sich von dem Gebrauche ihrer Sinnen, sonderlich der Augen an, lange vor der Erlernung einer Sprache, lebhafte Bilder in ihrer Seele abgedruͤckt, sie haben sich davon durch langes Betrachten, durch Vergleichung ihrer aͤußern Formen miteinander, und wo es anging, selbst durch das Gefuͤhl klare Begriffe zu schaffen gesucht, und diese Begriffe wurden nun die Grundlage aller ihrer konkreten, wie hernach ihrer abstrakten Erkenntniß. — Es war natuͤrlich, daß sie von jenen Jndividuen diejenigen am ersten aus-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |