Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Man gab nach, wie solches geschehen könne, und nach vollendeter Mahlzeit wollte er sich aufs Bett legen, wo er wieder gegen die Leute sich entschooßte, und Liebestrieb ausüben wollte. Darauf ging er zum Wirth im Haus, sprach vielerlei mit Munterkeit und Zusammenhang; von da besuchte er einen daselbst befindlichen Handlungsdiener, vertauschte seine bessere Uhr gegen eine schlechtere von ihm, erwähnte gegen die Mutter des Tausches, doch gegen mich verschwieg er ihn, und so ging er wieder herunter zum plaudern. Unter dieser Zeit war der Doktor mit dem Geistlichen gekommen, und funden zur eigenen und allgemeinen Sicherheit unumgänglich nöthig, daß er befestiget werden müsse, und so dann auf den Waden spanische Fliegen gesetzt, wobei auch die Hände anfänglich gebunden werden sollten, um solche nicht etwa loßzureissen. Nachdem ein lederner Gurt mit einem Schloß um den Leib zu legen und ein Strick zur Befestigung an die Bettpfosten herbeigeschaft worden, so ließ ich ihn heraufrufen, Arznei zu nehmen, und der Arzt, der Geistliche und ein Verwandter empfingen ihn im Schlafzimmer. Wir Eltern waren zu beklemmt, um gegenwärtig seyn zu können, stellten ihm vor, daß zu
Man gab nach, wie solches geschehen koͤnne, und nach vollendeter Mahlzeit wollte er sich aufs Bett legen, wo er wieder gegen die Leute sich entschooßte, und Liebestrieb ausuͤben wollte. Darauf ging er zum Wirth im Haus, sprach vielerlei mit Munterkeit und Zusammenhang; von da besuchte er einen daselbst befindlichen Handlungsdiener, vertauschte seine bessere Uhr gegen eine schlechtere von ihm, erwaͤhnte gegen die Mutter des Tausches, doch gegen mich verschwieg er ihn, und so ging er wieder herunter zum plaudern. Unter dieser Zeit war der Doktor mit dem Geistlichen gekommen, und funden zur eigenen und allgemeinen Sicherheit unumgaͤnglich noͤthig, daß er befestiget werden muͤsse, und so dann auf den Waden spanische Fliegen gesetzt, wobei auch die Haͤnde anfaͤnglich gebunden werden sollten, um solche nicht etwa loßzureissen. Nachdem ein lederner Gurt mit einem Schloß um den Leib zu legen und ein Strick zur Befestigung an die Bettpfosten herbeigeschaft worden, so ließ ich ihn heraufrufen, Arznei zu nehmen, und der Arzt, der Geistliche und ein Verwandter empfingen ihn im Schlafzimmer. Wir Eltern waren zu beklemmt, um gegenwaͤrtig seyn zu koͤnnen, stellten ihm vor, daß zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0029" n="29"/><lb/> tern, wo er sonst sehr gerne war — sondern wo es besser und vergnuͤgter zuginge, tadelte unsre einfoͤrmige und eingezogene Lebensart, und wuͤnschte sich wieder in seinen verlassenen Auffenthalt. </p> <p>Man gab nach, wie solches geschehen koͤnne, und nach vollendeter Mahlzeit wollte er sich aufs Bett legen, wo er wieder gegen die Leute sich entschooßte, und Liebestrieb ausuͤben wollte. Darauf ging er zum Wirth im Haus, sprach vielerlei mit Munterkeit und Zusammenhang; von da besuchte er einen daselbst befindlichen Handlungsdiener, vertauschte seine bessere Uhr gegen eine schlechtere von ihm, erwaͤhnte gegen die Mutter des Tausches, doch gegen mich verschwieg er ihn, und so ging er wieder herunter zum plaudern. Unter dieser Zeit war der Doktor mit dem Geistlichen gekommen, und funden zur eigenen und allgemeinen Sicherheit unumgaͤnglich noͤthig, daß er befestiget werden muͤsse, und so dann auf den Waden spanische Fliegen gesetzt, wobei auch die Haͤnde anfaͤnglich gebunden werden sollten, um solche nicht etwa loßzureissen. </p> <p>Nachdem ein lederner Gurt mit einem Schloß um den Leib zu legen und ein Strick zur Befestigung an die Bettpfosten herbeigeschaft worden, so ließ ich ihn heraufrufen, Arznei zu nehmen, und der Arzt, der Geistliche und ein Verwandter empfingen ihn im Schlafzimmer. </p> <p>Wir Eltern waren zu beklemmt, um gegenwaͤrtig seyn zu koͤnnen, stellten ihm vor, daß zu<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0029]
tern, wo er sonst sehr gerne war — sondern wo es besser und vergnuͤgter zuginge, tadelte unsre einfoͤrmige und eingezogene Lebensart, und wuͤnschte sich wieder in seinen verlassenen Auffenthalt.
Man gab nach, wie solches geschehen koͤnne, und nach vollendeter Mahlzeit wollte er sich aufs Bett legen, wo er wieder gegen die Leute sich entschooßte, und Liebestrieb ausuͤben wollte. Darauf ging er zum Wirth im Haus, sprach vielerlei mit Munterkeit und Zusammenhang; von da besuchte er einen daselbst befindlichen Handlungsdiener, vertauschte seine bessere Uhr gegen eine schlechtere von ihm, erwaͤhnte gegen die Mutter des Tausches, doch gegen mich verschwieg er ihn, und so ging er wieder herunter zum plaudern. Unter dieser Zeit war der Doktor mit dem Geistlichen gekommen, und funden zur eigenen und allgemeinen Sicherheit unumgaͤnglich noͤthig, daß er befestiget werden muͤsse, und so dann auf den Waden spanische Fliegen gesetzt, wobei auch die Haͤnde anfaͤnglich gebunden werden sollten, um solche nicht etwa loßzureissen.
Nachdem ein lederner Gurt mit einem Schloß um den Leib zu legen und ein Strick zur Befestigung an die Bettpfosten herbeigeschaft worden, so ließ ich ihn heraufrufen, Arznei zu nehmen, und der Arzt, der Geistliche und ein Verwandter empfingen ihn im Schlafzimmer.
Wir Eltern waren zu beklemmt, um gegenwaͤrtig seyn zu koͤnnen, stellten ihm vor, daß zu
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