Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Der 27ste Tag war wieder mürrischer und das beständige Sprechen nicht so laut, indessen begleiteten ihn sechs Oefnungen, und er schlief darauf acht Stunden, worauf ein ruhiger Tag erfolgte, auch Nachmittagsschlaf, nur wurde nachher sehr viel geplaudert und oft dabei gespucket. Nun öfnete sich der Leib immer fünf bis sechsmal. Nach vierstündigem Schlaf erwachte er den 29sten Tag lustig und singend; da aber der Arzt zu ihm kam, ging Schimpfen und Toben wieder an, und der Soldatenstand war wieder die Lieblingsmaterie. Zunge und Verwirrung blieben außerordentlich ge-
Der 27ste Tag war wieder muͤrrischer und das bestaͤndige Sprechen nicht so laut, indessen begleiteten ihn sechs Oefnungen, und er schlief darauf acht Stunden, worauf ein ruhiger Tag erfolgte, auch Nachmittagsschlaf, nur wurde nachher sehr viel geplaudert und oft dabei gespucket. Nun oͤfnete sich der Leib immer fuͤnf bis sechsmal. Nach vierstuͤndigem Schlaf erwachte er den 29sten Tag lustig und singend; da aber der Arzt zu ihm kam, ging Schimpfen und Toben wieder an, und der Soldatenstand war wieder die Lieblingsmaterie. Zunge und Verwirrung blieben außerordentlich ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0038" n="38"/><lb/> Pantoffeln an seine Stubenthuͤr zu horchen, sofort ward er vermuthlich durch die leise Eroͤfnung der Thuͤre mich gewahr, redete dann oft gegen mich unanstaͤndig, und das einemal rief er laut aus: »Horcher an der Wand, hoͤren ihre eigene Schand.« Meinen Gang auf dem Saal hoͤrte er sogleich, und rief mich dann oft zu sich, welches aber, wie erwaͤhnt, untersagt war. Eben so genau behielt er fruͤh die Nahmen der beiden Soldatenwaͤrter, welche taͤglich abwechselten, und wenn sie wiederkamen, rufte er sie sofort wieder bei ihren Namen, bemerkte auch augenblicklich ihre Leibes- und auch wohl Geistesmaͤngel, satyrisirte daruͤber und haͤnselte sie ihrer Schwaͤchen wegen. Einer von ihnen hatte was gelernt, und redete ihm mehrmalen zu, unterhielt ihn auch von Schulkenntnissen; den konnte er niemals leiden, vermuthlich wegen seiner Vorzuͤge. </p> <p>Der 27ste Tag war wieder muͤrrischer und das bestaͤndige Sprechen nicht so laut, indessen begleiteten ihn sechs Oefnungen, und er schlief darauf acht Stunden, worauf ein ruhiger Tag erfolgte, auch Nachmittagsschlaf, nur wurde nachher sehr viel geplaudert und oft dabei gespucket. Nun oͤfnete sich der Leib immer fuͤnf bis sechsmal. Nach vierstuͤndigem Schlaf erwachte er den 29sten Tag lustig und singend; da aber der Arzt zu ihm kam, ging Schimpfen und Toben wieder an, und der Soldatenstand war wieder die Lieblingsmaterie. Zunge und Verwirrung blieben außerordentlich ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
Pantoffeln an seine Stubenthuͤr zu horchen, sofort ward er vermuthlich durch die leise Eroͤfnung der Thuͤre mich gewahr, redete dann oft gegen mich unanstaͤndig, und das einemal rief er laut aus: »Horcher an der Wand, hoͤren ihre eigene Schand.« Meinen Gang auf dem Saal hoͤrte er sogleich, und rief mich dann oft zu sich, welches aber, wie erwaͤhnt, untersagt war. Eben so genau behielt er fruͤh die Nahmen der beiden Soldatenwaͤrter, welche taͤglich abwechselten, und wenn sie wiederkamen, rufte er sie sofort wieder bei ihren Namen, bemerkte auch augenblicklich ihre Leibes- und auch wohl Geistesmaͤngel, satyrisirte daruͤber und haͤnselte sie ihrer Schwaͤchen wegen. Einer von ihnen hatte was gelernt, und redete ihm mehrmalen zu, unterhielt ihn auch von Schulkenntnissen; den konnte er niemals leiden, vermuthlich wegen seiner Vorzuͤge.
Der 27ste Tag war wieder muͤrrischer und das bestaͤndige Sprechen nicht so laut, indessen begleiteten ihn sechs Oefnungen, und er schlief darauf acht Stunden, worauf ein ruhiger Tag erfolgte, auch Nachmittagsschlaf, nur wurde nachher sehr viel geplaudert und oft dabei gespucket. Nun oͤfnete sich der Leib immer fuͤnf bis sechsmal. Nach vierstuͤndigem Schlaf erwachte er den 29sten Tag lustig und singend; da aber der Arzt zu ihm kam, ging Schimpfen und Toben wieder an, und der Soldatenstand war wieder die Lieblingsmaterie. Zunge und Verwirrung blieben außerordentlich ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/38 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/38>, abgerufen am 16.07.2024. |