Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


te; gegen die Wächter zeigte er sich deshalb voll Schreck und Furcht, wie ich zu ihm kam, erzählte er den Vorfall mit Unruhe und Besorgniß mehrerer Gefahr. Anfänglich hatte ich Mühe, ihn zu beruhigen, hernach aber wurde er überzeuget von der Unschädlichkeit für ihn, nahm den Arzt sehr gesittet und freundlich an, las und malte den Tag über mit weit besserem Erfolg wie sonst, und sprach mit mir vernünftig; doch, wenn ich abwesend war -- wie schon bemerket worden -- ging mit den Leuten wieder das geschwindere Sprechen und auch das unwahre Erzählen von Vorfällen am verlassenen Ort an, nur gemäßigter und schwächer.

Von heut an wurden die Fliegenpflaster weggelassen. Der 63ste Tag war vollständig ein ordentlicher zufriedener Zeitpunkt, und die Selbstbeschäftigungen gingen gut von statten, so wie seine Leibeskräfte merklich zunahmen, welche überhaupt, nach einem so langen heftigen Leiden, nicht allzusehr gesunken waren. Ein siebenstündiger Schlaf verursachte ein fröliches Erwachen und einen vollkommen heitern Tag. Es war mein Geburtstag; gleich früh beschäftigte er sich mit Malen, und da mir das Mädchen gesagt hatte, wie er feines Papier holen lassen, und schon einige Tage vorher bei seinem Vetter Band malen zu lassen hatte bestellen wollen, so vermuthete ich einen Glückwunsch und ließ ihn des Morgens meist allein. Wie wir bei Tisch saßen, schickte er auf einem Teller einen mit


te; gegen die Waͤchter zeigte er sich deshalb voll Schreck und Furcht, wie ich zu ihm kam, erzaͤhlte er den Vorfall mit Unruhe und Besorgniß mehrerer Gefahr. Anfaͤnglich hatte ich Muͤhe, ihn zu beruhigen, hernach aber wurde er uͤberzeuget von der Unschaͤdlichkeit fuͤr ihn, nahm den Arzt sehr gesittet und freundlich an, las und malte den Tag uͤber mit weit besserem Erfolg wie sonst, und sprach mit mir vernuͤnftig; doch, wenn ich abwesend war — wie schon bemerket worden — ging mit den Leuten wieder das geschwindere Sprechen und auch das unwahre Erzaͤhlen von Vorfaͤllen am verlassenen Ort an, nur gemaͤßigter und schwaͤcher.

Von heut an wurden die Fliegenpflaster weggelassen. Der 63ste Tag war vollstaͤndig ein ordentlicher zufriedener Zeitpunkt, und die Selbstbeschaͤftigungen gingen gut von statten, so wie seine Leibeskraͤfte merklich zunahmen, welche uͤberhaupt, nach einem so langen heftigen Leiden, nicht allzusehr gesunken waren. Ein siebenstuͤndiger Schlaf verursachte ein froͤliches Erwachen und einen vollkommen heitern Tag. Es war mein Geburtstag; gleich fruͤh beschaͤftigte er sich mit Malen, und da mir das Maͤdchen gesagt hatte, wie er feines Papier holen lassen, und schon einige Tage vorher bei seinem Vetter Band malen zu lassen hatte bestellen wollen, so vermuthete ich einen Gluͤckwunsch und ließ ihn des Morgens meist allein. Wie wir bei Tisch saßen, schickte er auf einem Teller einen mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0047" n="47"/><lb/>
te; gegen                   die Wa&#x0364;chter zeigte er sich deshalb voll Schreck und Furcht, wie ich zu ihm kam,                   erza&#x0364;hlte er den Vorfall mit Unruhe und Besorgniß mehrerer Gefahr. Anfa&#x0364;nglich hatte                   ich Mu&#x0364;he, ihn zu beruhigen, hernach aber wurde er u&#x0364;berzeuget von der                   Unscha&#x0364;dlichkeit fu&#x0364;r ihn, nahm den Arzt sehr gesittet und freundlich an, las und                   malte den Tag u&#x0364;ber mit weit besserem Erfolg wie sonst, und sprach mit mir                   vernu&#x0364;nftig; doch, wenn ich abwesend war &#x2014; wie schon bemerket worden &#x2014; ging mit den                   Leuten wieder das geschwindere Sprechen und auch das unwahre Erza&#x0364;hlen von                   Vorfa&#x0364;llen am verlassenen Ort an, nur gema&#x0364;ßigter und schwa&#x0364;cher. </p>
            <p>Von heut an wurden die Fliegenpflaster weggelassen. Der 63ste Tag war vollsta&#x0364;ndig                   ein ordentlicher zufriedener Zeitpunkt, und die Selbstbescha&#x0364;ftigungen gingen gut                   von statten, so wie seine Leibeskra&#x0364;fte merklich zunahmen, welche u&#x0364;berhaupt, nach                   einem so langen heftigen Leiden, nicht allzusehr gesunken waren. Ein                   siebenstu&#x0364;ndiger Schlaf verursachte ein fro&#x0364;liches Erwachen und einen vollkommen                   heitern Tag. Es war mein Geburtstag; gleich fru&#x0364;h bescha&#x0364;ftigte er sich mit Malen,                   und da mir das Ma&#x0364;dchen gesagt hatte, wie er feines Papier holen lassen, und schon                   einige Tage vorher bei seinem Vetter Band malen zu lassen hatte bestellen wollen,                   so vermuthete ich einen Glu&#x0364;ckwunsch und ließ ihn des Morgens meist allein. Wie wir                   bei Tisch saßen, schickte er auf einem Teller einen mit<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0047] te; gegen die Waͤchter zeigte er sich deshalb voll Schreck und Furcht, wie ich zu ihm kam, erzaͤhlte er den Vorfall mit Unruhe und Besorgniß mehrerer Gefahr. Anfaͤnglich hatte ich Muͤhe, ihn zu beruhigen, hernach aber wurde er uͤberzeuget von der Unschaͤdlichkeit fuͤr ihn, nahm den Arzt sehr gesittet und freundlich an, las und malte den Tag uͤber mit weit besserem Erfolg wie sonst, und sprach mit mir vernuͤnftig; doch, wenn ich abwesend war — wie schon bemerket worden — ging mit den Leuten wieder das geschwindere Sprechen und auch das unwahre Erzaͤhlen von Vorfaͤllen am verlassenen Ort an, nur gemaͤßigter und schwaͤcher. Von heut an wurden die Fliegenpflaster weggelassen. Der 63ste Tag war vollstaͤndig ein ordentlicher zufriedener Zeitpunkt, und die Selbstbeschaͤftigungen gingen gut von statten, so wie seine Leibeskraͤfte merklich zunahmen, welche uͤberhaupt, nach einem so langen heftigen Leiden, nicht allzusehr gesunken waren. Ein siebenstuͤndiger Schlaf verursachte ein froͤliches Erwachen und einen vollkommen heitern Tag. Es war mein Geburtstag; gleich fruͤh beschaͤftigte er sich mit Malen, und da mir das Maͤdchen gesagt hatte, wie er feines Papier holen lassen, und schon einige Tage vorher bei seinem Vetter Band malen zu lassen hatte bestellen wollen, so vermuthete ich einen Gluͤckwunsch und ließ ihn des Morgens meist allein. Wie wir bei Tisch saßen, schickte er auf einem Teller einen mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/47
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/47>, abgerufen am 02.05.2024.