Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Die Krankheit, womit meine seelige Freundin im vorigen Sommer befallen wurde, war nichts anders, als ein gelindes und gutartiges anhaltendes Fieber, welches sie sich wahrscheinlich durch vieles Wachen und ängstliches Sorgen, bei den Krankheiten ihrer Kinder, zugezogen hatte. Kühlende und ausleerende Mittel hatten so gute Wirkung, daß am sechsten Tage wenig Fieberhaftes mehr wahrzunehmen war, die Patientin sich größtentheils außer Bett aufhalten konnte und ihr Appetit zurückkehrte. Kurz alle Zeichen einer baldigen völligen Genesung waren vorhanden. Nun hätte ich zwar gut und gern schon am dritten Tage der Krankheit meiner Patientin reisen können, so wie ichs mir auch vorgesetzt hatte; aber ich weiß nicht, was es war, was ich so bedenklich bei meiner Patientin fand. -- Soviel weiß ich wenigstens, daß ich es mir nicht angeben oder erklären konnte, was es war. Wie ich sechs Tage lang meine Patientin recht genau beobachtet und noch gar nicht hatte finden können, warum ich mich beunruhigte, so entschloß ich mich, abzureisen. Um recht sicher zu gehen, brachte ich eine Jnstruction, die auf alle Fälle, die ich mir als möglich bei
Die Krankheit, womit meine seelige Freundin im vorigen Sommer befallen wurde, war nichts anders, als ein gelindes und gutartiges anhaltendes Fieber, welches sie sich wahrscheinlich durch vieles Wachen und aͤngstliches Sorgen, bei den Krankheiten ihrer Kinder, zugezogen hatte. Kuͤhlende und ausleerende Mittel hatten so gute Wirkung, daß am sechsten Tage wenig Fieberhaftes mehr wahrzunehmen war, die Patientin sich groͤßtentheils außer Bett aufhalten konnte und ihr Appetit zuruͤckkehrte. Kurz alle Zeichen einer baldigen voͤlligen Genesung waren vorhanden. Nun haͤtte ich zwar gut und gern schon am dritten Tage der Krankheit meiner Patientin reisen koͤnnen, so wie ichs mir auch vorgesetzt hatte; aber ich weiß nicht, was es war, was ich so bedenklich bei meiner Patientin fand. — Soviel weiß ich wenigstens, daß ich es mir nicht angeben oder erklaͤren konnte, was es war. Wie ich sechs Tage lang meine Patientin recht genau beobachtet und noch gar nicht hatte finden koͤnnen, warum ich mich beunruhigte, so entschloß ich mich, abzureisen. Um recht sicher zu gehen, brachte ich eine Jnstruction, die auf alle Faͤlle, die ich mir als moͤglich bei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0081" n="81"/><lb/> faͤlle fast eben so geschwind, als sie entstanden, wieder vergangen waren, so glaubte sie sich zu einer neuen Schwangerschaft Gluͤck wuͤnschen zu koͤnnen. Doch sahe sie sich zwar bald in ihrer Erwartung getaͤuscht, indessen befand sie sich wohl. </p> <p>Die Krankheit, womit meine seelige Freundin im vorigen Sommer befallen wurde, war nichts anders, als ein gelindes und gutartiges anhaltendes Fieber, welches sie sich wahrscheinlich durch vieles Wachen und aͤngstliches Sorgen, bei den Krankheiten ihrer Kinder, zugezogen hatte. Kuͤhlende und ausleerende Mittel hatten so gute Wirkung, daß am sechsten Tage wenig Fieberhaftes mehr wahrzunehmen war, die Patientin sich groͤßtentheils außer Bett aufhalten konnte und ihr Appetit zuruͤckkehrte. Kurz alle Zeichen einer baldigen voͤlligen Genesung waren vorhanden. </p> <p>Nun haͤtte ich zwar gut und gern schon am dritten Tage der Krankheit meiner Patientin reisen koͤnnen, so wie ichs mir auch vorgesetzt hatte; aber ich weiß nicht, was es war, was ich so bedenklich bei meiner Patientin fand. — Soviel weiß ich wenigstens, daß ich es mir nicht angeben oder erklaͤren konnte, was es war. Wie ich sechs Tage lang meine Patientin recht genau beobachtet und noch gar nicht hatte finden koͤnnen, warum ich mich beunruhigte, so entschloß ich mich, abzureisen. Um recht sicher zu gehen, brachte ich eine Jnstruction, die auf alle Faͤlle, die ich mir als moͤglich bei<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0081]
faͤlle fast eben so geschwind, als sie entstanden, wieder vergangen waren, so glaubte sie sich zu einer neuen Schwangerschaft Gluͤck wuͤnschen zu koͤnnen. Doch sahe sie sich zwar bald in ihrer Erwartung getaͤuscht, indessen befand sie sich wohl.
Die Krankheit, womit meine seelige Freundin im vorigen Sommer befallen wurde, war nichts anders, als ein gelindes und gutartiges anhaltendes Fieber, welches sie sich wahrscheinlich durch vieles Wachen und aͤngstliches Sorgen, bei den Krankheiten ihrer Kinder, zugezogen hatte. Kuͤhlende und ausleerende Mittel hatten so gute Wirkung, daß am sechsten Tage wenig Fieberhaftes mehr wahrzunehmen war, die Patientin sich groͤßtentheils außer Bett aufhalten konnte und ihr Appetit zuruͤckkehrte. Kurz alle Zeichen einer baldigen voͤlligen Genesung waren vorhanden.
Nun haͤtte ich zwar gut und gern schon am dritten Tage der Krankheit meiner Patientin reisen koͤnnen, so wie ichs mir auch vorgesetzt hatte; aber ich weiß nicht, was es war, was ich so bedenklich bei meiner Patientin fand. — Soviel weiß ich wenigstens, daß ich es mir nicht angeben oder erklaͤren konnte, was es war. Wie ich sechs Tage lang meine Patientin recht genau beobachtet und noch gar nicht hatte finden koͤnnen, warum ich mich beunruhigte, so entschloß ich mich, abzureisen. Um recht sicher zu gehen, brachte ich eine Jnstruction, die auf alle Faͤlle, die ich mir als moͤglich bei
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