Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/><lb/> einzunehmende Vomitiv schlafen. Des Morgens um vier Uhr stand sie schon auf und weckte ihr Maͤdchen, welches ihr die Arznei reichen und Thee zum Nachtrinken bereiten sollte. So wie das Maͤdchen erzaͤhlte, sah das Fraͤulein schon, ehe es die Arznei nahm, ganz verstoͤhrt aus, und sprach ganz ungereimte naͤrrische Dinge. Voͤllig wahnwitzig nahm das Fraͤulein den Brechtrank ein. Etwa eine Stunde nachher ließ mich die Frau Mutter des Fraͤuleins, die uͤber den sonderbaren Zustand ihrer Tochter aͤußerst beunruhigt war, zu sich rufen. Die Patientin delirirte in einem hin und sprach von allerlei Dingen, die groͤßtentheils, wie bei vielen Arten von Verirrungen, an und fuͤr sich gar nicht unvernuͤnftig, nur nicht am rechten Ort gesagt waren. Besonders redete sie viel von ihrem nahen Tode, den sie dem Brechmittel beizumessen haͤtte, und wodurch sie oͤffentlich an den Tag legte, welch ein grosses Zutrauen sie in mich setzte, da sie auf mein Anrathen ein Mittel genommen habe, wovon sie die toͤdliche Wirkung vorhergesehen haͤtte u.s.f. Das Erbrechen erfolgte uͤbrigens so, wie ich es gewuͤnscht hatte, und hielt nicht viel uͤber eine Stunde an. Waͤhrend dem Erbrechen schlug der Puls etwas lebhaft, nachher aber ganz natuͤrlich. Der Wahnwitz dauerte bis um ein Uhr des Nachmittags, da die Patientin in einen tiefen Schlaf verfiel, woraus sie nach einigen Stunden, an Seel und Leib gesund, wieder erwachte. Weil ich dieses nicht an-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
einzunehmende Vomitiv schlafen. Des Morgens um vier Uhr stand sie schon auf und weckte ihr Maͤdchen, welches ihr die Arznei reichen und Thee zum Nachtrinken bereiten sollte. So wie das Maͤdchen erzaͤhlte, sah das Fraͤulein schon, ehe es die Arznei nahm, ganz verstoͤhrt aus, und sprach ganz ungereimte naͤrrische Dinge. Voͤllig wahnwitzig nahm das Fraͤulein den Brechtrank ein. Etwa eine Stunde nachher ließ mich die Frau Mutter des Fraͤuleins, die uͤber den sonderbaren Zustand ihrer Tochter aͤußerst beunruhigt war, zu sich rufen. Die Patientin delirirte in einem hin und sprach von allerlei Dingen, die groͤßtentheils, wie bei vielen Arten von Verirrungen, an und fuͤr sich gar nicht unvernuͤnftig, nur nicht am rechten Ort gesagt waren. Besonders redete sie viel von ihrem nahen Tode, den sie dem Brechmittel beizumessen haͤtte, und wodurch sie oͤffentlich an den Tag legte, welch ein grosses Zutrauen sie in mich setzte, da sie auf mein Anrathen ein Mittel genommen habe, wovon sie die toͤdliche Wirkung vorhergesehen haͤtte u.s.f. Das Erbrechen erfolgte uͤbrigens so, wie ich es gewuͤnscht hatte, und hielt nicht viel uͤber eine Stunde an. Waͤhrend dem Erbrechen schlug der Puls etwas lebhaft, nachher aber ganz natuͤrlich. Der Wahnwitz dauerte bis um ein Uhr des Nachmittags, da die Patientin in einen tiefen Schlaf verfiel, woraus sie nach einigen Stunden, an Seel und Leib gesund, wieder erwachte. Weil ich dieses nicht an-
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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