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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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Jch wiederholte meine vorige Pantomime, daß ich auch nicht an den Teufel glaubte.

Dann zeigte er mit dem Finger gen Himmel, und fuhr sich mit der geballten Faust langsam auf den Kopf herab; welches so viel hieß, als Gott würde mich, wenn ich gleich den Teufel nicht glaubte, mit seinem Donner strafen.

Da er nun in der geoffenbarten Religion so fest zu seyn schien, so wollte ich noch seinen Glauben in der natürlichen Religion prüfen. Jch zeigte mit dem Finger gen Himmel, und dann auf meine Stirne, und schüttelte mit dem Kopfe, zum Zeichen, daß ich auch nicht an Gott glaubte. --

Aber wie rührte mich der Anblick, als ich sahe, daß eine Thräne sich aus seinem Auge drängte, und seine aus Lächeln, Wehmuth und Unwillen zusammengesetzte Miene, womit er aus dem offenstehenden Fenster auf die grünen Bäume und die aufkeimenden Pflanzen hinzeigte, die Gott, wie er durch seine Pantomime ausdrückte, aus der Erde wachsen ließe; und die Blumen, indem er sich stellte, als ob er sie mit der Hand in die Höhe führte, um daran zu riechen; und dann wieder mit dem Finger gen Himmel zeigte, daß auch diese Gott habe hervorwachsen lassen.



Jch wiederholte meine vorige Pantomime, daß ich auch nicht an den Teufel glaubte.

Dann zeigte er mit dem Finger gen Himmel, und fuhr sich mit der geballten Faust langsam auf den Kopf herab; welches so viel hieß, als Gott wuͤrde mich, wenn ich gleich den Teufel nicht glaubte, mit seinem Donner strafen.

Da er nun in der geoffenbarten Religion so fest zu seyn schien, so wollte ich noch seinen Glauben in der natuͤrlichen Religion pruͤfen. Jch zeigte mit dem Finger gen Himmel, und dann auf meine Stirne, und schuͤttelte mit dem Kopfe, zum Zeichen, daß ich auch nicht an Gott glaubte. —

Aber wie ruͤhrte mich der Anblick, als ich sahe, daß eine Thraͤne sich aus seinem Auge draͤngte, und seine aus Laͤcheln, Wehmuth und Unwillen zusammengesetzte Miene, womit er aus dem offenstehenden Fenster auf die gruͤnen Baͤume und die aufkeimenden Pflanzen hinzeigte, die Gott, wie er durch seine Pantomime ausdruͤckte, aus der Erde wachsen ließe; und die Blumen, indem er sich stellte, als ob er sie mit der Hand in die Hoͤhe fuͤhrte, um daran zu riechen; und dann wieder mit dem Finger gen Himmel zeigte, daß auch diese Gott habe hervorwachsen lassen.


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[91/0091] Jch wiederholte meine vorige Pantomime, daß ich auch nicht an den Teufel glaubte. Dann zeigte er mit dem Finger gen Himmel, und fuhr sich mit der geballten Faust langsam auf den Kopf herab; welches so viel hieß, als Gott wuͤrde mich, wenn ich gleich den Teufel nicht glaubte, mit seinem Donner strafen. Da er nun in der geoffenbarten Religion so fest zu seyn schien, so wollte ich noch seinen Glauben in der natuͤrlichen Religion pruͤfen. Jch zeigte mit dem Finger gen Himmel, und dann auf meine Stirne, und schuͤttelte mit dem Kopfe, zum Zeichen, daß ich auch nicht an Gott glaubte. — Aber wie ruͤhrte mich der Anblick, als ich sahe, daß eine Thraͤne sich aus seinem Auge draͤngte, und seine aus Laͤcheln, Wehmuth und Unwillen zusammengesetzte Miene, womit er aus dem offenstehenden Fenster auf die gruͤnen Baͤume und die aufkeimenden Pflanzen hinzeigte, die Gott, wie er durch seine Pantomime ausdruͤckte, aus der Erde wachsen ließe; und die Blumen, indem er sich stellte, als ob er sie mit der Hand in die Hoͤhe fuͤhrte, um daran zu riechen; und dann wieder mit dem Finger gen Himmel zeigte, daß auch diese Gott habe hervorwachsen lassen.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0302_1785/91>, abgerufen am 15.05.2024.