Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.II. Jch war ein Jüngling von ** Jahren. Jn meinem **ten verliebte ich mich in ein reizendes, tugendhaftes und äusserst verständiges Frauenzimmer. Nur sechs Monate sah ich sie, dann ward sie wieder 50 Stunden von mir entfernt und ich bekam aus Betrübniß ein hitziges Gallenfieber. Nach meiner Genesung blieb meine Liebe, sie wurde sogar täglich stärker. Noch ein halbes Jahr war ich an dem Orte und dann zog ich auf die Akademie. Auch hier blieb mein Mädchen in meinem Herzen ein ganzes Jahr und etwas drüber. Ohnerachtet ich von Natur sehr stark zur Wollust geneigt war und jeder volle Busen mich in Wallung brachte, so ließ ich mich doch nie hinreissen, aus Liebe zu meinem Mädchen. Einmal hatte ich sie fast auf etliche Stunden vergessen, da ich mit einem Frauenzimmer Abends allein in einer Laube war. Unsre Vertraulichkeit war stark gestiegen und eben sollte sie den höchsten Grad erreichen, als das Mädchen, das ich im Arme hatte und die um meine Liebschaft wuste, ausrief, nun gute Nacht Louise! Das alberne Ding! unpolitischer hätte sie nicht verfahren können, denn ich kam in den größten Affekt, stieß sie zurück, und entfernte mich eilends. Jch war äusserst aufgebracht über mich selbst, und hätte fast den größten Narrenstreich, den ein Mensch begehen kann, begangen. -- Meine Liebe wurde jetzt nur stärker. II. Jch war ein Juͤngling von ** Jahren. Jn meinem **ten verliebte ich mich in ein reizendes, tugendhaftes und aͤusserst verstaͤndiges Frauenzimmer. Nur sechs Monate sah ich sie, dann ward sie wieder 50 Stunden von mir entfernt und ich bekam aus Betruͤbniß ein hitziges Gallenfieber. Nach meiner Genesung blieb meine Liebe, sie wurde sogar taͤglich staͤrker. Noch ein halbes Jahr war ich an dem Orte und dann zog ich auf die Akademie. Auch hier blieb mein Maͤdchen in meinem Herzen ein ganzes Jahr und etwas druͤber. Ohnerachtet ich von Natur sehr stark zur Wollust geneigt war und jeder volle Busen mich in Wallung brachte, so ließ ich mich doch nie hinreissen, aus Liebe zu meinem Maͤdchen. Einmal hatte ich sie fast auf etliche Stunden vergessen, da ich mit einem Frauenzimmer Abends allein in einer Laube war. Unsre Vertraulichkeit war stark gestiegen und eben sollte sie den hoͤchsten Grad erreichen, als das Maͤdchen, das ich im Arme hatte und die um meine Liebschaft wuste, ausrief, nun gute Nacht Louise! Das alberne Ding! unpolitischer haͤtte sie nicht verfahren koͤnnen, denn ich kam in den groͤßten Affekt, stieß sie zuruͤck, und entfernte mich eilends. Jch war aͤusserst aufgebracht uͤber mich selbst, und haͤtte fast den groͤßten Narrenstreich, den ein Mensch begehen kann, begangen. — Meine Liebe wurde jetzt nur staͤrker. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0104" n="104"/><lb/><lb/> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">II</hi>.</head><lb/> <note type="editorial"><Liebeskrankheit></note> <note type="editorial"> <bibl> <persName ref="#ref71"><note type="editorial"/>Anonym</persName> </bibl> </note> <p>Jch war ein Juͤngling von ** Jahren. Jn meinem **ten verliebte ich mich in ein reizendes, tugendhaftes und aͤusserst verstaͤndiges Frauenzimmer. Nur sechs Monate sah ich sie, dann ward sie wieder 50 Stunden von mir entfernt und ich bekam aus Betruͤbniß ein hitziges Gallenfieber. Nach meiner Genesung blieb meine Liebe, sie wurde sogar taͤglich staͤrker. Noch ein halbes Jahr war ich an dem Orte und dann zog ich auf die Akademie. Auch hier blieb mein Maͤdchen in meinem Herzen ein ganzes Jahr und etwas druͤber. Ohnerachtet ich von Natur sehr stark zur Wollust geneigt war und jeder volle Busen mich in Wallung brachte, so ließ ich mich doch nie hinreissen, aus Liebe zu meinem Maͤdchen. Einmal hatte ich sie fast auf etliche Stunden vergessen, da ich mit einem Frauenzimmer Abends allein in einer Laube war. Unsre Vertraulichkeit war stark gestiegen und eben sollte sie den hoͤchsten Grad erreichen, als das Maͤdchen, das ich im Arme hatte und die um meine Liebschaft wuste, ausrief, nun gute Nacht Louise! Das alberne Ding! unpolitischer haͤtte sie nicht verfahren koͤnnen, denn ich kam in den groͤßten Affekt, stieß sie zuruͤck, und entfernte mich eilends. Jch war aͤusserst aufgebracht uͤber mich selbst, und haͤtte fast den groͤßten Narrenstreich, den ein Mensch begehen kann, begangen. — Meine Liebe wurde jetzt nur staͤrker.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0104]
II.
Jch war ein Juͤngling von ** Jahren. Jn meinem **ten verliebte ich mich in ein reizendes, tugendhaftes und aͤusserst verstaͤndiges Frauenzimmer. Nur sechs Monate sah ich sie, dann ward sie wieder 50 Stunden von mir entfernt und ich bekam aus Betruͤbniß ein hitziges Gallenfieber. Nach meiner Genesung blieb meine Liebe, sie wurde sogar taͤglich staͤrker. Noch ein halbes Jahr war ich an dem Orte und dann zog ich auf die Akademie. Auch hier blieb mein Maͤdchen in meinem Herzen ein ganzes Jahr und etwas druͤber. Ohnerachtet ich von Natur sehr stark zur Wollust geneigt war und jeder volle Busen mich in Wallung brachte, so ließ ich mich doch nie hinreissen, aus Liebe zu meinem Maͤdchen. Einmal hatte ich sie fast auf etliche Stunden vergessen, da ich mit einem Frauenzimmer Abends allein in einer Laube war. Unsre Vertraulichkeit war stark gestiegen und eben sollte sie den hoͤchsten Grad erreichen, als das Maͤdchen, das ich im Arme hatte und die um meine Liebschaft wuste, ausrief, nun gute Nacht Louise! Das alberne Ding! unpolitischer haͤtte sie nicht verfahren koͤnnen, denn ich kam in den groͤßten Affekt, stieß sie zuruͤck, und entfernte mich eilends. Jch war aͤusserst aufgebracht uͤber mich selbst, und haͤtte fast den groͤßten Narrenstreich, den ein Mensch begehen kann, begangen. — Meine Liebe wurde jetzt nur staͤrker.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |