Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Seit ohngefähr 12 bis 15 Jahren hat das Gedächtniß angefangen, ihn zu verlassen, und dieser Fehler hat von Zeit zu Zeit merklich zugenommen. Man mußte ihm eine Sache mehr als einmal bestellen, wenn er sie begreifen, und nicht wieder vergessen sollte, und doch richtete er seine Aufträge oft ganz verkehrt aus. Mehr als einerlei durfte man ihm auch nun nicht auftragen, weil er sonst oft eins mit dem andern verwechselte. Sein Gedächtniß nahm endlich, seit 5 Jahren dergestallt ab, daß er unten im Hause schon alles wieder vergessen hatte, was ihm auf meiner Stube gesagt war. Jch mußte ihm daher einen Denkzettel machen, und alles aufschreiben was er ausrichten sollte. Aber auch dies gieng endlich nicht mehr, denn er vergaß den Zusammenhang und konnte, des Denkzettels ohnerachtet, wenn er an den Ort seiner Bestimmung kam, sich nicht besinnen, was er sagen, oder wie er es vorbringen sollte. Doch behielt er dabei noch übrigens immer seinen gesunden Menschenverstand, sahe auch diesen Fehler selbst ein, und bat immer, daß man nur mit ihm Geduld haben mögte, weil er es nicht ändern könnte.
Seit ohngefaͤhr 12 bis 15 Jahren hat das Gedaͤchtniß angefangen, ihn zu verlassen, und dieser Fehler hat von Zeit zu Zeit merklich zugenommen. Man mußte ihm eine Sache mehr als einmal bestellen, wenn er sie begreifen, und nicht wieder vergessen sollte, und doch richtete er seine Auftraͤge oft ganz verkehrt aus. Mehr als einerlei durfte man ihm auch nun nicht auftragen, weil er sonst oft eins mit dem andern verwechselte. Sein Gedaͤchtniß nahm endlich, seit 5 Jahren dergestallt ab, daß er unten im Hause schon alles wieder vergessen hatte, was ihm auf meiner Stube gesagt war. Jch mußte ihm daher einen Denkzettel machen, und alles aufschreiben was er ausrichten sollte. Aber auch dies gieng endlich nicht mehr, denn er vergaß den Zusammenhang und konnte, des Denkzettels ohnerachtet, wenn er an den Ort seiner Bestimmung kam, sich nicht besinnen, was er sagen, oder wie er es vorbringen sollte. Doch behielt er dabei noch uͤbrigens immer seinen gesunden Menschenverstand, sahe auch diesen Fehler selbst ein, und bat immer, daß man nur mit ihm Geduld haben moͤgte, weil er es nicht aͤndern koͤnnte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0016" n="16"/><lb/> haͤtte. Doch konnte er gar leicht confus gemacht werden, wenn man es entweder darauf anlegte, ihn zu verwirren, oder auf die Probe zu stellen, oder wenn er sonst auf irgend eine Art, aus seinem gewoͤhnlichen Zuge kam.</p> <p>Seit ohngefaͤhr 12 bis 15 Jahren hat das Gedaͤchtniß angefangen, ihn zu verlassen, und dieser Fehler hat von Zeit zu Zeit merklich zugenommen. Man mußte ihm eine Sache mehr als einmal bestellen, wenn er sie begreifen, und nicht wieder vergessen sollte, und doch richtete er seine Auftraͤge oft ganz verkehrt aus. Mehr als einerlei durfte man ihm auch nun nicht auftragen, weil er sonst oft eins mit dem andern verwechselte. Sein Gedaͤchtniß nahm endlich, seit 5 Jahren dergestallt ab, daß er unten im Hause schon alles wieder vergessen hatte, was ihm auf meiner Stube gesagt war. Jch mußte ihm daher einen Denkzettel machen, und alles aufschreiben was er ausrichten sollte. Aber auch dies gieng endlich nicht mehr, denn er vergaß den Zusammenhang und konnte, des Denkzettels ohnerachtet, wenn er an den Ort seiner Bestimmung kam, sich nicht besinnen, was er sagen, oder wie er es vorbringen sollte. Doch behielt er dabei noch uͤbrigens immer seinen gesunden Menschenverstand, sahe auch diesen Fehler selbst ein, und bat immer, daß man nur mit ihm Geduld haben moͤgte, weil er es nicht aͤndern koͤnnte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [16/0016]
haͤtte. Doch konnte er gar leicht confus gemacht werden, wenn man es entweder darauf anlegte, ihn zu verwirren, oder auf die Probe zu stellen, oder wenn er sonst auf irgend eine Art, aus seinem gewoͤhnlichen Zuge kam.
Seit ohngefaͤhr 12 bis 15 Jahren hat das Gedaͤchtniß angefangen, ihn zu verlassen, und dieser Fehler hat von Zeit zu Zeit merklich zugenommen. Man mußte ihm eine Sache mehr als einmal bestellen, wenn er sie begreifen, und nicht wieder vergessen sollte, und doch richtete er seine Auftraͤge oft ganz verkehrt aus. Mehr als einerlei durfte man ihm auch nun nicht auftragen, weil er sonst oft eins mit dem andern verwechselte. Sein Gedaͤchtniß nahm endlich, seit 5 Jahren dergestallt ab, daß er unten im Hause schon alles wieder vergessen hatte, was ihm auf meiner Stube gesagt war. Jch mußte ihm daher einen Denkzettel machen, und alles aufschreiben was er ausrichten sollte. Aber auch dies gieng endlich nicht mehr, denn er vergaß den Zusammenhang und konnte, des Denkzettels ohnerachtet, wenn er an den Ort seiner Bestimmung kam, sich nicht besinnen, was er sagen, oder wie er es vorbringen sollte. Doch behielt er dabei noch uͤbrigens immer seinen gesunden Menschenverstand, sahe auch diesen Fehler selbst ein, und bat immer, daß man nur mit ihm Geduld haben moͤgte, weil er es nicht aͤndern koͤnnte.
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