Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/><lb/> ten zu besorgen; er will auch oft alsdenn seine Frau, (mit der er sich in vorigen Zeiten nicht gut vertrug) schlagen, doch haͤlt er gleich ein, so bald diese ihm sagt, daß sie ihn bei seiner Herrschaft verklagen wollte; denn er ist sehr furchtsam. So sehr er auch am koͤrperlichen Kraͤften augenscheinlich abnimmt, und so wenig Ruhe er auch des Nachts hat, (denn er schlaͤft fast gar nicht,) so hat er doch als ein 75 jaͤhriger Mann, sehr starken Appetit, und ißt ungemein. Seine groͤßte Besorgung, die er auch oft aͤussert, besteht darin, <hi rendition="#b">ob er auch Lebenslang Brod haben werde.</hi> Wenn man ihm seine albernen Phantasien aus dem Sinne geredet hat, so sieht er zu der Zeit seine Thorheit selbst ein; es kommen auch Stunden, wo er von freien Stuͤcken davon zu reden anfaͤngt, und sich beklagt, daß es in seinem Kopfe oft so unrichtig zuginge; dies waͤhrt aber nicht lange, so verfaͤllt er wieder in seinen vorigen Zustand. Aus der Religion hat er immer viel gemacht; auch ist er niemals ein Saͤufer gewesen. Daß ihm bei seinem hohen Alter das Gedaͤchtniß verlassen hat, daruͤber wuͤrde ich mich eben nicht sehr wundern, wie er aber auf einmal auf den ungluͤcklichen und ihm nicht auszuredenden Gedanken hat verfallen koͤnnen, <hi rendition="#b">daß er geschlachtet werden sollte,</hi> davon weiß ich gar keinen Grund anzugeben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
ten zu besorgen; er will auch oft alsdenn seine Frau, (mit der er sich in vorigen Zeiten nicht gut vertrug) schlagen, doch haͤlt er gleich ein, so bald diese ihm sagt, daß sie ihn bei seiner Herrschaft verklagen wollte; denn er ist sehr furchtsam. So sehr er auch am koͤrperlichen Kraͤften augenscheinlich abnimmt, und so wenig Ruhe er auch des Nachts hat, (denn er schlaͤft fast gar nicht,) so hat er doch als ein 75 jaͤhriger Mann, sehr starken Appetit, und ißt ungemein. Seine groͤßte Besorgung, die er auch oft aͤussert, besteht darin, ob er auch Lebenslang Brod haben werde. Wenn man ihm seine albernen Phantasien aus dem Sinne geredet hat, so sieht er zu der Zeit seine Thorheit selbst ein; es kommen auch Stunden, wo er von freien Stuͤcken davon zu reden anfaͤngt, und sich beklagt, daß es in seinem Kopfe oft so unrichtig zuginge; dies waͤhrt aber nicht lange, so verfaͤllt er wieder in seinen vorigen Zustand. Aus der Religion hat er immer viel gemacht; auch ist er niemals ein Saͤufer gewesen. Daß ihm bei seinem hohen Alter das Gedaͤchtniß verlassen hat, daruͤber wuͤrde ich mich eben nicht sehr wundern, wie er aber auf einmal auf den ungluͤcklichen und ihm nicht auszuredenden Gedanken hat verfallen koͤnnen, daß er geschlachtet werden sollte, davon weiß ich gar keinen Grund anzugeben.
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