Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.
Jndeß werde ich kurz vor dem Ende der Winterquartiere in ein Lazareth, das in einer weit entlegenen Vorstadt befindlich war, gerufen. Es war das bei den vielen Kranken, die das Regiment insonderheit in demselben Winter hatte, nichts ungewöhnliches. Jch gehe daher auch ohne das geringste Bedenken, oder ohne die geringste Empfindung von Furcht hin, wohin ich gerufen ward. Allein indem ich das Haus betrat, und mir die Laza-
Jndeß werde ich kurz vor dem Ende der Winterquartiere in ein Lazareth, das in einer weit entlegenen Vorstadt befindlich war, gerufen. Es war das bei den vielen Kranken, die das Regiment insonderheit in demselben Winter hatte, nichts ungewoͤhnliches. Jch gehe daher auch ohne das geringste Bedenken, oder ohne die geringste Empfindung von Furcht hin, wohin ich gerufen ward. Allein indem ich das Haus betrat, und mir die Laza- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0021" n="21"/><lb/> die Augen fiel, so konnte ich mir doch unter einem empfindlichen Schauer nicht des Gedankens erwehren, sollte auch wohl auf diesem Kirchhof dir dein Grab bestimmet seyn? Es erwachte damit das Angedenken an meine verstorbene Mutter, und an die Beerdigung derselben, daß ich in geraumer Zeit mich nicht von diesem Gedanken, und von den damit einmal verbunden gewesenen Nebenvorstellungen losmachen konnte. Jch befand mich indeß gesund und stark, und wohnte bei einem Wirthe, der vieles Vermoͤgen besaß, und mich sehr lieb gewann. Er ließ mich an allen seinen Gesellschaften, die insgesammt sehr vortreflich waren, Antheil nehmen; und es fehlte mir auch sonst bei dem Regiment nicht an angenehmen und guten Umgang: daß daruͤber der Eindruck jener traurigen Vorstellung, die ich indeß, weil sie mir doch ihrer Lebhaftigkeit wegen, zu merkwuͤrdig schien, einigen guten Freunden, ganz beilaͤufig mitgetheilet hatte, nach und nach sich fast gaͤnzlich verdunkelt hatte. </p> <p>Jndeß werde ich kurz vor dem Ende der Winterquartiere in ein Lazareth, das in einer weit entlegenen Vorstadt befindlich war, gerufen. Es war das bei den vielen Kranken, die das Regiment insonderheit in demselben Winter hatte, nichts ungewoͤhnliches. Jch gehe daher auch ohne das geringste Bedenken, oder ohne die geringste Empfindung von Furcht hin, wohin ich gerufen ward. Allein indem ich das Haus betrat, und mir die Laza-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
die Augen fiel, so konnte ich mir doch unter einem empfindlichen Schauer nicht des Gedankens erwehren, sollte auch wohl auf diesem Kirchhof dir dein Grab bestimmet seyn? Es erwachte damit das Angedenken an meine verstorbene Mutter, und an die Beerdigung derselben, daß ich in geraumer Zeit mich nicht von diesem Gedanken, und von den damit einmal verbunden gewesenen Nebenvorstellungen losmachen konnte. Jch befand mich indeß gesund und stark, und wohnte bei einem Wirthe, der vieles Vermoͤgen besaß, und mich sehr lieb gewann. Er ließ mich an allen seinen Gesellschaften, die insgesammt sehr vortreflich waren, Antheil nehmen; und es fehlte mir auch sonst bei dem Regiment nicht an angenehmen und guten Umgang: daß daruͤber der Eindruck jener traurigen Vorstellung, die ich indeß, weil sie mir doch ihrer Lebhaftigkeit wegen, zu merkwuͤrdig schien, einigen guten Freunden, ganz beilaͤufig mitgetheilet hatte, nach und nach sich fast gaͤnzlich verdunkelt hatte.
Jndeß werde ich kurz vor dem Ende der Winterquartiere in ein Lazareth, das in einer weit entlegenen Vorstadt befindlich war, gerufen. Es war das bei den vielen Kranken, die das Regiment insonderheit in demselben Winter hatte, nichts ungewoͤhnliches. Jch gehe daher auch ohne das geringste Bedenken, oder ohne die geringste Empfindung von Furcht hin, wohin ich gerufen ward. Allein indem ich das Haus betrat, und mir die Laza-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
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